Klagen wegen Brust-ImplantatenTüv mit Millionenverlust wegen möglichem Schadenersatz

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Fübi

Tüv-Chef Michael Fübi muss einen Millionenverlust verkünden.

Köln – Der Tüv Rheinland ist in die roten Zahlen gerutscht. Das operative Ergebnis (Ebit) weist einen Verlust von 23,6 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2020 aus, wie Tüv-Chef Michael Fübi am Mittwoch bei einer virtuellen Pressekonferenz in Köln mitteilte. Im Vorjahr hatte die Prüfgesellschaft mit Sitz in Köln noch operativ 135,6 Millionen Euro verdient.

90 Millionen Euro Rückstellungen für Prozess

Einer der Gründe für das deutliche Minus sind laufende Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem französischen Herstellers von Brustimplantaten PIP.: „Für die Schäden, die PIP durch seinen Betrug und die Fälschung von Brustimplantaten verursacht hat, tragen wir keine Verantwortung. Tüv Rheinland hat die Implantate niemals geprüft, sondern das Qualitätsmanagementsystem zertifiziert. Wie viele andere gehören wir zu den Betrogenen. Das haben mehr als zweihundert Gerichte mittlerweile bestätigt. Nur zwei Gerichte in Frankreich sehen das anders. Wir werden weiter um eine Beurteilung des PIP-Betrugs kämpfen, die den Fakten entspricht“, sagte Fübi. Geschädigte verlangen in Frankreich hohen Schadenersatz von PIP und sehen den Tüv als Mitschuldigen. Daher hat der Tüv Rheinland für den Fall, dass er die Prozesse verliert, Rückstellungen in Höhe von 90 Millionen Euro gemacht. Fübi zeigte sich zwar zuversichtlich, die Prozesse zu gewinnen. Allerdings könne es noch „fünf bis zehn Jahre dauern“, bis das Gericht zu einer endgültigen Entscheidung komme, so der Vorstandschef.

Teures Personalabbauprogramm

Ebenfalls belastend auf das Tüv-Ergebnis wirkte das aktuelle Personalabbau- und Sparprogramm namens Jump. Die Prüfgesellschaft will ihre Sach- und Personalkosten um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag senken. Dazu ist der Abbau von 784 Stellen weltweit geplant (der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete). In Deutschland sollen 337 Jobs wegfallen, davon 150 in der Zentrale in Köln. Bislang wird versucht, die betroffenen Mitarbeiter mit Abfindungen, laut Fübi überdurchschnittlich hohen, zum freiwilligen Ausscheiden zu bewegen. Das koste das Unternehmen viel Geld. „Zwei Drittel der betroffenen Beschäftigten haben das Angebot bereits angenommen“, sagte Fübi. Betriebsbedingte Kündigungen für die restlichen Mitarbeiter schloss Fübi am Mittwoch aber nicht aus. Bis zum Bilanzstichtag ist die Zahl der Tüv-Mitarbeiter bereits um 784 Personen auf weltweit 20.657 gesunken.

Ausbildung von Köchen wird weitergeführt

Gerüchte, die Ausbildung von Köchen am Standort Köln werde eingestellt, dementierte Fübi auf Nachfrage. Er bestätigte aber, dass Teile der Verwaltung, insbesondere im Rechnungswesen und im Personalbereich, derzeit nach Polen verlagert würden.

Der Umsatz des Tüv Rheinland ist im abgelaufenen Geschäftsjahr um 6,3 Prozent auf 1,95 Milliarden Euro gesunken. Fübi führt das vor allem auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Lockdowns zurück. Das zieht sich auch ins aktuelle Jahr. So konnten im Februar etwa nur 6000 Führerscheinprüfungen abgenommen werden, normal wären 21.000 in einem Monat gewesen. Aktuell schaffe man aber wieder die angestrebten 21.000 bis 22.000 Prüfungen pro Monat.

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Trotz der anhaltenden Corona-Krise ist Fübi zuversichtlich was das Geschäftsjahr 2021 angeht. Er rechnet mit einem Umsatzanstieg zwischen drei und 4,5 Prozent. Das Ergebnis soll sich seiner Prognose zu Folge bei 150 Millionen Euro und damit sogar über dem Vor-Corona-Niveau einpendeln. In Köln beschäftigt der Tüv aktuell 2500 Mitarbeiter. Zurzeit wird die Zentrale umfassen saniert, so wird etwa gerade eine neue Küche gebaut. Anders als andere Konzerne hat der Tüv das Catering seiner eigenen Beschäftigten nicht ausgelagert.

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