Ford-Chef über E-Modelle und Jobabbau in Köln„Wir brauchen für den Wandel die richtigen Leute“

Lesezeit 7 Minuten
05.04.2023, Köln: Martin Sander ist der neue Chef bei Ford. Foto: Uwe Weiser

Martin Sander ist seit Juni 2022 Chef bei Ford in Köln. Hier steht er neben einer Büste des Firmengründers Henry Ford.

Der neue Ford-Chef Martin Sander spricht über den Stellenabbau in Köln, den Ausstieg aus Rabattschlachten und das Erbe Henry Fords.

Der neue Ford-Chef Martin Sander spricht über Stellenabbau, den Ausstieg aus Rabattschlachten, US-Ikonen wie den Mustang und das Erbe Henry Fords

Herr Sander, Sie sind seit zehn Monaten neuer Chef von Ford. Wie haben Sie sich in Köln und im Unternehmen eingelebt?

Hervorragend. Ich fühle mich sehr wohl, Köln ist eine tolle Stadt. Und ich fühle mich auch bei Ford wohl. Ich bin hier sehr warm und herzlich empfangen worden und habe ein tolles und motiviertes Team vorgefunden. Und wir hatten arbeitsame und dynamische erste Monate zusammen.

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Was fahren Sie für ein Auto?

Einen Mustang Mach-E, bisher in blau und ab heute in grau.  Ein echt tolles Auto.

Worin sehen Sie die größten kulturellen Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten zwischen Audi, wo sie 25 Jahre gearbeitet haben, und Ford?

Ich möchte gar nicht so sehr vergleichen. Aber was ich bei Ford vorgefunden habe, ist ein Unternehmen mit einer unglaublichen Historie und einer großen Vielfalt. Die Organisation ist sehr schnell und dynamisch und transformiert sich mit rasender Geschwindigkeit. Es gibt eine klare Agenda, Ford für die Zukunft neu zu erfinden.

Sie sind auch als General Manager bei Ford Europa für die Elektrifizierung verantwortlich. Wie autark – mit Blick auf die US-Konzernmutter – können Sie agieren?

Bei der Neuausrichtung des Konzerns und den Entscheidungen für die kommenden Jahre sind wir sehr autark, unsere Meinung zu äußern. Denn wir kennen den europäischen Markt. Aber es muss in die Strategie weltweit passen. Und die Investitionen, wie jetzt die zwei Milliarden Dollar am Standort Köln, das entscheiden wir hier natürlich nicht allein.

Henry Ford hat die Branche revolutioniert, als er das Fließband erfunden hat und das Auto für die breite Masse erschwinglich gemacht hat.
Martin Sander, Fordchef Deutschland

Ford will sich auf seine amerikanischen Wurzeln besinnen. Passt das für Europa?

Der Wettbewerb auf dem Automobilmarkt in Europa ist schon heute sehr intensiv. Wenn man auch künftig erfolgreich sein möchte, muss man sich abgrenzen und klar positionieren. Dafür braucht man neben guten Produkten auch eine Geschichte. Und da hat Ford viel zu bieten. Henry Ford hat die Branche revolutioniert, als er das Fließband erfunden hat und das Auto für die breite Masse erschwinglich gemacht hat. Es sind legendäre Modelle entstanden wie der Mustang, F-150 oder der Explorer. Und es gibt gute amerikanische Werte wie Freiheit oder Unternehmertum, die mit der Marke verbunden sind. Wir können viel mehr tun, diese Faszination zu vermitteln.

Zahlt darauf auch die Namensgebung Explorer für das neue E-Modell ein – wobei die europäischen Kunden doch eher an Fiesta, Focus, oder Mondeo gewohnt sind?

Um sich beim Eintritt in das neue Zeitalter der Elektromobilität klar zu positionieren, nutzen wir unsere Ikonen – also den Mustang Mach-E, den F-150 als E-Modell Lighning und jetzt den Explorer – den haben wir für europäische Straßen kleiner und elektrisch gemacht.

Gibt es beim E-Explorer schon Neuigkeiten zu Reichweite und Preis?

Den Preis hatten wir bereits mit unter 45.000 Euro benannt. Mehr können wir im Moment noch nicht sagen. Aber ich möchte auch nochmal betonen, was es bedeutet, wenn die Ford Motor Company zwei Milliarden Dollar in Köln investiert, um ein komplett neues Werk für E-Mobilität zu bauen. Das ist die größte Investition seit Henry Ford und Konrad Adenauer und die größte außerhalb der USA.

Wenn Sie die Marke Ford aber heute mit drei Attributen beschreiben, was macht sie aus?

Amerikanisch, gute Qualität, zuverlässig. Wir haben ein solides Image. Aber wie gesagt, wir hatten auch in Europa Modelle wie den Capri, die einzigartig waren. Und davon brauchen wir künftig mehr. Mit den richtigen Produkten und einem guten Selbstbewusstsein können wir auch Kunden aus dem Premiumsegment gewinnen.

Absatzzahlen und Marktanteile sind nicht mehr unsere Ziele. Dafür kann sich niemand etwas kaufen, weder die Aktionäre noch können wir davon Gehälter bezahlen.
Martin Sander, Fordchef Deutschland

Audi wurde von einem Massenanbieter zu einer Premium-Marke. Zielt Ihre Strategie auch in diese Richtung?

Nein, wir bleiben eine Marke mit soliden Fahrzeugen, die eine breite Öffentlichkeit ansprechen.

Für die Fiesta-Klasse wird es keinen Nachfolger mehr geben. Ford verabschiedet sich wie auch andere Hersteller aus dem Segment der Kleinwagen. Wie will der Konzern dem Gründungscredo von Henry Ford, erschwingliche Autos für Jedermann, weiterhin gerecht werden?

Unser neues Kölner E-Modell, der Explorer ist ein SUV der Kompaktklasse. Dieses Segment ist das am stärksten wachsende in Europa. Das heißt, schon mit diesem Auto spricht Ford eine breite Öffentlichkeit an. Den Puma, unser Einstieg bei den SUVs, werden wir elektrifizieren und er wird auch als Verbrenner weiterlaufen. Damit haben wir einen preislich attraktiven Einstieg.

Das Produktportfolio ist ja schon jetzt bereits deutlich geschrumpft, Fiesta und Focus laufen aus. Wie sollen da Absatzzahlen erhöht und Wachstum generiert werden?

Wir werden künftig ganz bewusst nicht mehr für jedes Segment ein Angebot haben. Das gilt vor allem für solche, die schrumpfen, wie die, die jetzt ausgelaufen sind oder auslaufen. Am Ende des Tages müssen wir profitabel sein. Wir werden uns also auf wachsende Bereiche konzentrieren und auf Produkte, die zur Marke passen, also SUVs, Pick-ups, leichte Nutzfahrzeuge wie der Transit, wo wir seit acht Jahren Marktführer in Europa sind. Absatzzahlen und Marktanteile sind nicht mehr unsere Ziele. Dafür kann sich niemand etwas kaufen, weder die Aktionäre noch können wir davon Gehälter bezahlen.

Nun gibt es bei Ford aber eine Machbarkeitsstudie, die den Bau einer eigenen Plattform für einen Kleinwagen prüft. Also doch eine Option?

Wir prüfen das, haben aber aktuell keine Planung für einen Nachfolger im Segment Fiesta. Das soll aber nicht heißen, dass es nie wieder ein Auto in der Kategorie gibt. In der nächsten Generation von Elektrofahrzeugen ist das nicht ausgeschlossen.

Neben den Modellen Puma und Kuga kommen demnächst zwei E-Modelle aus Köln und voraussichtlich wohl eins aus Valencia. Wie viele Pkw hat Ford denn perspektivischen in fünf bis zehn Jahren in Europa im Angebot?

Die Entscheidung, in Spanien ein E-Auto auf einer eigenen Plattform zu bauen, ist noch nicht final gefallen. Das wird derzeit noch geprüft, und zum Zeithorizont: Wir werden in diesem Jahr einige wichtige Entscheidungen für das künftige Produktportfolio treffen. Wie viele Modelle es sein werden, dazu kann ich jetzt noch nichts sagen.

Tesla hat die Preise deutlich gesenkt und VW hat nachgezogen, das übt Druck auf den Markt aus. Was heißt das für die Preiskalkulation bei Ford?

Wir schauen uns das sehr genau an, bislang bleiben die Preise der Wettbewerber stabil oder erhöhen sich sogar leicht. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir nicht mehr Marktanteilen oder Volumen hinterherlaufen und in jede Rabattschlacht einsteigen müssen.

Bis 2030 baut Ford die beiden neuen Kölner E-Modelle auf der MEB-Plattform von VW. Wie geht es danach weiter?

Das ist noch nicht entscheiden. Im Moment sind wir sehr zufrieden mit der Kooperation. Ohne sie hätten wir nicht so schnell ein europäisches E-Auto auf den Markt bringen können. Und die Kooperation umfasst ja nicht allein die Nutzung der Plattform, sondern auch eine intensive Zusammenarbeit im Bereich Nutzfahrzeuge, wo Ford sein know-how einbringt.

Ford baut in Europa in der Produktentwicklung massiv Stellen ab, dort wo die europäischen Fahrzeuge von morgen entstehen. Reichen die Kapazitäten in Merkenich dazu überhaupt noch aus?

Wir werden ausreichend Entwicklungskapazitäten in Europa haben, um unsere künftigen Produktprogramme abzubilden. Letztlich arbeiten unsere Entwickler in Merkenich und in Dunton heute schon als ein Team zusammen und spielen auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung globaler Produkte und Komponenten.

So eine Entscheidung ist nicht schön, aber sie ist für die Entwicklung des Unternehmens nötig.
Martin Sander, Fordchef Deutschland

So eine Entscheidung ist nicht schön, aber sie ist für die Entwicklung des Unternehmens nötig. Wenn wir uns gegen diese Entscheidung sperren, haben wir vielleicht in zwei Jahren ein höheres Risiko für noch mehr Mitarbeiter.

Für die Betroffenen ist es aber jetzt schmerzhaft. Und besteht nicht die Gefahr, dass Sie die besten Fachkräfte verlieren?

Die gesamte Branche befindet sich im größten Wandel seit ihren Anfängen. Ein Elektroauto zu bauen, ist deutlich weniger komplex als ein konventionelles Modell mit Verbrennungsmotor. Und sicher brauchen wir für diesen Wandel die richtigen Leute, mit den richtigen Qualifikationen. Und sicher gibt es die Gefahr, dass die Falschen gehen. Aber die Konsequenz kann nicht sein, dass wir uns der Aufgabe nicht stellen. Und wir stellen auch permanent neue Leute mit Zukunftsqualifikationen ein.


Zur Person: Martin Sander (56) ist seit Juni 2022 Chef von Ford Deutschland und als General Manager bei Ford Europa für die Elektrifizierung verantwortlich. Geboren in Hildesheim, studierte Sander Maschinenbau an der TU Braunschweig. Er begann seine Laufbahn 1995 bei Audi und arbeitete 25 Jahre für den VW-Konzern, zuletzt als Europa-Vertriebschef für Audi. Zuvor hatte er verschiedene Führungspositionen in Europa und Nordamerika. Der Diplom-Ingenieur ist verheiratet und hat zwei Töchter. (cos)

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