Rheinisches Kohle-RevierWohin fließen die Milliarden für den Strukturwandel?

Lesezeit 4 Minuten
Kohleausstieg

Was kommt nach dem Kohleausstieg im Rheinischen Revier? Die Landesregierung will einen "Revierpakt" für den Strukturwandel schmieden, der von den Kommunen sehr kritisch gesehen wird.

Düsseldorf – Das ist mal eine ganz große Nummer. Ein Papier zur Zukunft des Rheinischen Reviers, das eine Strategie verspricht, die Region „innerhalb von zehn Jahren zur attraktivsten Wirtschaftsregion in Europa zu machen“, zu einem „Innovation Valley“, in dem es bis 2030 gelingen müsse, 15000 Jobs, die durch den Ausstieg aus der Braunkohle unweigerlich verloren gehen, durch „tarifgebundene, mitbestimmte und hochwertige Arbeitsplätze“ zu ersetzen.

So heißt es wörtlich in dem Entwurf für einen Revierpakt, den die Landesregierung erarbeitet hat und das Schwerpunkte setzt werden, wie die rund 14,8 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe des Bundes investiert werden sollen, die NRW für den Kohleausstieg bekommt und über die das Land eigenständig verfügen kann. Erarbeitet wurde er im NRW-Wirtschaftsministerium. Bereits am 27. April soll dieser Pakt bei einer Konferenz im Brainenergy-Park in Jülich unterzeichnet werden.

„Revierpakt“ soll am 27. April unterzeichnet werden

Doch die 65 Städte und Gemeinden, die ihn aus Sorge davor angeregt hatten, sie könnten bei der Entscheidung, wie die Milliarden verteilt werden, nicht angemessen beteiligt werden, sehen den Entwurf äußerst kritisch. Am heutigen Dienstag werden ihre Bürgermeister noch einmal über den Text diskutieren, der Mitte April zunächst vom Aufsichtsrat der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) und danach vom Landeskabinett verabschiedet werden soll.

Und so ist es kein Wunder, dass der umstrittene Entwurf, der eigentlich unter Verschluss bleiben sollte und der selbst den Landtagsfraktionen offiziell nicht zur Verfügung steht, über mehrere Kanäle den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. „Den Menschen in der Region ist bis heute nicht so ganz klar, was die Zukunftsagentur eigentlich so ganz genau macht“, kritisiert Stefan Kämmerling, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. „Bis heute weiß auch kein Mensch, wer wie gefördert wird und nach welchen Kriterien die Agentur ihre Sterne vergibt und wofür das Geld ausgegeben wird. Es gibt keine klassische Fördermatrix.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Es habe lange gebraucht, bis es den Gemeinden gelungen sei, wenigstens mit drei Bürgermeistern im Aufsichtsrat der ZRR vertreten zu sein. Schließlich ist die Agentur dafür verantwortlich, dass die Fördergelder gerecht verteilt werden. So falle jetzt schon auf, dass die Hochschulen im und rund um das Rheinische Revier beim Abgreifen der Mittel im Vergleich zu den Kommunen „viel aktiver und besser aufgestellt“ seien, sagt Kämmerling. „Das Geld ist nun mal da und viele wollen an die Töpfe. Aber da tritt einer Ruderachter gegen einen Vierer an.“

Vor allem die RWTH und die Fachhochschule Aachen sowie das Forschungszentrum Jülich haben bisher davon profitiert. „Wir müssen dafür sorgen, dass in der Region auch gut bezahlte industrielle Arbeitsplätze entstehen“, so Kämmerling. Bisher seien Jobs vor allem bei der ZRR selber entstanden.

SPD fordert eine Sonderplanungszone 

Sechs Kreise mit 2,4 Millionen Menschen in drei Braunkohletagebau-Gebieten – schon jetzt stehe fest, so Kämmerling, dass die Kommunen mit der Planung des Strukturwandels in einem derart großen Gebiet, der sich über mehr als ein Jahrzehnt hinziehen werden, hoffnungslos überfordert seien. Zumal einige davon wegen chronisch klammer Kassen in der Haushaltssicherung stehen und die Corona-Pandemie ihre Handlungsspielräume in Zukunft weiter einengen werde. „Das können sie vom Personal her gar nicht leisten.“ Deshalb fordert die SPD-Landtagsfraktion die Einrichtung einer Sonderplanungszone Rheinisches Revier, die einen Sonderstatus bei der Regional- und Landesplanung erhalten müsse.

Besonders kritisch sehen die Städte und Gemeinden, dass mit dem Landesgeld auch Projekte bezahlt werden sollen, deren Finanzierung eigentlich aus an anderen Mittel erfolgen muss. So wird vor allem der Infrastrukturausbau auf der Schiene, die sogenannte „Kölner Westspange“ abgelehnt, die rund 2,3 Milliarden Euro kosten soll und eigentlich aus anderen Mitteln von Bund und Land bezahlt werden müsste. Sie taucht als Revier-S-Bahn plötzlich im Entwurf zum Revierpakt auf.

Besonders sauer stößt in den Kommunen im Rheinischen Revier aber der Passus des „Revierpakts“ auf, der letztlich besagt, dass alle Entscheidung über die Wirtschaftsförderung in der Region am Ende von der Genehmigung der Landesregierung abhängen. Auch ein Mitspracherecht des Landtags ist bisher nicht vorgesehen und im Vorfeld nicht einbezogen. „Wir erwarten endlich eine enge Beteiligung“, sagt Kämmerling.

KStA abonnieren