Durch serienmäßigen Betrug beim D-Ticket entstehen Millionen Euro Schaden. Bis jetzt sind noch Schlupflöcher offen.
Millionen-BetrugWann kommt besserer Schutz für das Deutschlandticket?

Das Deutschlandticket soll fälschungssicher werden - dazu braucht es auch bessere IT-Sicherheitsstandards und Kontrollen. (Symbolbild)
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Ein Deutschlandticket, das man nicht pro Monat, sondern lediglich pro genutztem Tag bezahlt? Oder eins, das online im Abo für deutlich weniger als 58 Euro zu haben ist? Da greifen manche gerne zu. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) beklagte schon Anfang des Jahres, dass neben den fast 14 Millionen verkauften Tickets rund eine Million gefälschte oder nicht bezahlte Fahrkarten im Umlauf seien. RMV-Geschäftsführer Knut Ringat sprach von einem systematischen, digitalisierten Missbrauch. Und das Sicherheits-Problem ist weiterhin noch nicht vollständig gelöst.
Das IT-Online-Portal heise.de hat über die Betrugsfälle mehrfach berichtet und berechnet die entstandenen Schäden auf eine dreistellige Millionensumme. Das halten andere Branchen-Experten zwar für zu hoch gegriffen, aber klar ist: Bei der Ticketsicherheit gibt es deutlichen Nachholbedarf.
Gefälschte Kontonummern und geleakte Sicherheitsschlüssel
Gegen einige der Betrugsmaschen hat die Branche inzwischen Vorsorge getroffen – etwa gegen den Trick, beim Kauf gestohlene oder gefälschte Kontonummern anzugeben. Das Ticket wird dann ausgestellt, aber nicht bezahlt. Mittlerweile ist deshalb ein Online-Konto erforderlich, das mit einer zusätzlichen Sicherheitsschnittstelle überprüft wird.
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Eine Person hält am Hauptbahnhof ein Smartphone in der Hand, auf dessen Display eine Information zum Kauf des Deutschlandtickets zu sehen ist. (Symbolbild)
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Eine andere Masche hat ebenfalls für hohe Einnahmeverluste gesorgt: Ein Sicherheitsschlüssel, mit dem ein privates Busunternehmen neue Tickets erstellte, wurde illegal weiterverkauft. Viele Fake-Tickets entstanden auf diese Weise und wurden auf ominösen Websites verkauft. Auch mit Ticket-Kopien sind zudem manche unterwegs.
Ein Markt, zwei Sicherheitsstandards
Gefälschte Tickets werden bislang jedoch nicht überall als Fälschungen erkannt. Ein Grund dafür: In Deutschland existieren zwei unterschiedliche IT-Sicherheitsstandards für Tickets und der Austausch von Informationen zwischen diesen Systemen ist eingeschränkt.
So nutzen die DB Regio und die Wettbewerbsbahnen im Personennahverkehr den sogenannten UIC-Standard, der sich am europäischen Fernverkehrsstandard ausrichtet. Er ermöglicht den einzelnen Anbietern, das Ticket selbst zu erzeugen. Die zahlreichen Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr hingegen, und damit etwa 80 Prozent der Branche, nutzen seit 20 Jahren den höheren E-Ticket-Standard. Dieser ist deutlich sicherer, da er über ein unabhängiges „Trustcenter“ eine Zwei-Faktor-Authentifizierung für die Ticketerstellung nutzt.
Ein Beispiel für die derzeitigen Probleme: Die Berliner BVG nutzt als ÖPNV-Anbieter den E-Ticket-Standard. Will ein BVG-Kontrolleur nun ein DB-Deutschlandticket mit UIC-Standard checken, hat er Pech. Weil die Systeme nicht miteinander sprechen, kann nicht überprüft werden, ob das Ticket gefälscht und im UIC-Kosmos vielleicht schon gesperrt ist.
Taskforce für Deutschlandticket
Um das zu ändern, haben die Branchenverbände im Frühjahr eigens eine Taskforce eingesetzt. Nachbesserungen bei den UIC-Sicherheitsstandards soll es demnach perspektivisch geben. Zunächst geht es jedoch vor allem um eine bundesweit einsehbare Sperrliste für gefälschte Tickets. Das Zieldatum 30. Juni wurde allerdings schon gerissen.
Jan Görnemann, Sprecher der Geschäftsführung beim Bundesverband Schienennahverkehr (BSN), ist Mitglied dieser Taskforce. Er glaubt, dass die Angleichung wichtig ist, aber noch etwas Zeit braucht – auch weil sie technisch aufwendig und für einige Anbieter sehr teuer ist. „Die beiden Systeme zusammenzulegen, ist nicht trivial.“ Viel Potenzial zum Aufdecken von Fälschungen schlummert seiner Meinung nach aber auch jetzt schon in besseren Kontrollen. „Den größten Verlust haben wir, weil Tickets gar nicht erst kontrolliert werden. Oder weil sie nur per Augenschein kontrolliert, aber nicht ausgelesen werden”, sagt er.

Eine Person hält ein Deutschlandticket. (Archivfoto)
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Neue Methoden, die Fahrkartenkontrolle zu automatisieren, sind bereits im Anflug: So ist etwa der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) mit seiner Mobilitäts-App MoovMe ganz weit vorn. Wer die App auf dem Smartphone hat, braucht beim Betreten von Bus oder U-Bahn zum Einchecken bloß zu swipen, beim Aussteigen dann erneut. Abgerechnet wird automatisch der günstigste Preis: Macht jemand an einem Tag mehrere Einzelfahrten hintereinander und eine Tageskarte wäre günstiger, wird auch nur der Tageskartenpreis abgebucht.
Neue Ideen zur Fahrkartenkontrolle
Das Ganze funktioniert mit Fokus auf den Großraum Leipzig/Halle über die Grenzen dreier Bundesländer hinweg gut, betonte MDV-Geschäftsführer Stefan Lehmann in einem Podcast. Auch für die Aufteilung der Einnahmen aus dem D-Ticket sind die digital erhobenen Daten hilfreich. Bundesweit wird über die gerechte Aufteilung der D-Ticket-Einnahmen immer noch debattiert.
Eine andere Möglichkeit, über die derzeit nachgedacht wird, um die Fahrkartenkontrolle zu vereinfachen: Das System „Check In - Be out“. Dabei werden in jedem Wagen zwischen den einzelnen Stationen automatisch die Signale der App abgelesen. Steigt eine Person aus einem Wagen aus, wird das App-Signal nicht mehr erfasst und die Fahrt gilt als beendet.
Ein Grund für die Sicherheitsprobleme beim Deutschlandticket ist nach Ansicht Görnemanns auch der sehr kurzfristige Start gewesen. „Man soll eine gute Idee nicht kaputt reden, aber die Rücksprache mit einer Handvoll Fachleute hätte hier helfen können.“ Trotzdem sei das D-Ticket nicht mehr wegzudenken und werde bleiben, ist er überzeugt. Außerdem: „Hätte Frankreich ein Frankreich-Ticket eingeführt, wären dort erstmal die gleichen Probleme aufgetreten.“ (rnd)