Paris Air ShowAirlines bestellen wie Kinder im Süßigkeitenladen

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Eine Boeing 777 landet während der Paris Air Show.

Während der Paris Air Show werden die aktuellen Probleme der Luftfahrt sichtbar. Eine hohe Nachfrage und keine funktionierende Lieferkette. Zu sehen hier eine Boeing 777 auf der Messe.

Die hohe Nachfrage der Airlines an Flugzeugbauer, Probleme in der Lieferkette und klimafreundliche Luftfahrt sind momentan Themen in Paris.

Auf der Pariser Air Show wird deutlich, dass die Flugzeugbauer die gigantische Nachfrage der Airlines kaum noch befriedigen können. Es gibt große Probleme in der Lieferkette, inzwischen hilft Airbus mit eigenen Leuten bei Zulieferern aus. Immenses Wachstum wird für die nächsten 20 Jahre erwartet, doch hinter Konzepten für eine klimafreundliche Luftfahrt stehen viele Fragezeichen.

Nach vier Jahren Pause wieder da: Paris Air Show

Nach vier Jahren ist sie wieder da, die Paris Air Show auf dem Flughafen Le Bourget. Was sich da die nächsten Tage tun wird, beschrieb Steven Udvar-Hazy am Montagmorgen so: Die Vertreter der Airlines verhielten sich gerade wie „Kinder im Süßigkeitenladen“. Sie versuchten so viele zu ergattern, wie es nur geht, sagte der Chef der Air Lease Corporation.

Wobei er Flugzeug-Bestellungen meint, die Jets selbst werden erst in Jahren ausgeliefert. Nach der Pandemie erlebt die Branche einen Nachfrageschub wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Covid hatte die kommerzielle Fliegerei zeitweise komplett lahmgelegt und niemand wusste, wie es weitergeht. Airlines stornierten reihenweise Aufträge, die beiden dominierenden Hersteller von großen Passagiermaschinen (Airbus und Boeing) fuhren ihre Kapazitäten massiv zurück.

Doch nach dem Ende der Beschränkungen kamen die Fluggäste – vor allem sonnenhungrige Urlauber – viel schneller zurück, als alle Experten erwartet hatten. Das sorgte im vorigen Jahr wochenlang für chaotische Zustände an den hiesigen Airports.

Luftfahrtmesse in Paris soll Richtung weisen

Der Flughafenverband ADV hat für dieses Jahr versprochen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Zugleich wird noch mal ein kräftiger Zuwachs bei den Passagieren erwartet, und zwar um etwa 16 Prozent. Aber nicht nur die Deutschen wollen wieder fliegen, insbesondere in aufstrebenden Schwellenländern steigt die Nachfrage.

Die Luftfahrtshow in der französischen Hauptstadt ist in diesem Jahr der Plusmesser für die Branche. Udvar-Hazy, der sich selbst als Pate des Jet-Leasings bezeichnet, rechnet mit „Mega-Bestellungen“ in Paris. Airbus Verkaufschef Christian Scherer hat für die Messetage (bis zum 25. Juni) Kundenaufträge für Großraumjets angekündigt. Es dürfte sich dabei vor allem um die A 350 handeln, das modernste Flugzeug im Airbus-Sortiment, das als besonders sparsam gilt. Bereits im Vorfeld habe es zehn Orders für die Maschine gegeben. Hinzugekommen seien 60 Flugzeuge aus der Modellfamilie A320neo – das Arbeitspferd von Airbus für die Mittelstrecke. Die Namen der Kunden will Scherer nicht nennen.

Global Player beteiligen sich am Hochfahren der Produktion

Es wird in Paris viel darüber gemunkelt, dass in den nächsten Tagen auch noch eine dreistellige Anzahl von A320ern, also mindestens 100, von der mexikanischen Billig-Airline Viva Aerobus bestellt wird. Zudem werden indische und chinesische Fluggesellschaften als die wichtigsten Auftraggeber gehandelt. Den zwei bevölkerungsreichsten Ländern der Erde wird für die nächsten Jahre das größte Wachstum in der Luftfahrt zugetraut, und zwar vor allem bei Flügen im Inland und in die benachbarten Länder. Thailand, Vietnam oder Malaysia werden ebenfalls massive Zuwächse zugetraut.

Als neuer wichtiger Player versucht sich zudem Saudi-Arabien zu positionieren. Die saudische Herrscherfamilie macht sich für einen Ausbau von Tourismus und Logistik stark. Tony Douglas, Chef von Riyadh Air, sagte am Montag: Er sei „aktiv engagiert“ in Gespräche über Flugzeuge mit schmalem Rumpf. Damit sind Mittelstreckenflieger mit einem Gang wie die A320-Familie oder das Boeing-Pendant 737 gemeint. Le Bourget ist auch immer ein Kräftemessen der beiden Unternehmen. Der europäische Konzern hatte vor der Messe mit rund 140 Bestellungen (netto) in diesem Jahr deutlich die Nase vor. Boeing kam nur auf 42.

Aber auch die Amerikaner brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie sind auf Jahre komplett ausgelastet. Boeing versucht jetzt die Fertigung der 737 auf 38 Maschinen pro Monat hochzufahren, damit die Kunden nicht zu lange warten müssen.

Zwei große Herausforderungen: Kapital und Emissionen

Auch Airbus-Chef Guillaume Faury sieht im Hochfahren der Produktion eine der größten Herausforderungen. Vor allem bei den Zulieferern klemmt es, und zwar bei denen am unteren Ende der Kette, also bei den Zulieferern der Zulieferer der Zulieferer, damit sind auch hiesige Mittelständler gemeint. Den Unternehmen fehle es an Kapital und Fachkräften.

Airbus helfe bereits mit Leuten aus der eigenen Belegschaft aus, doch das sei keine dauerhafte Lösung. Er geht davon aus, dass die Nachfrage das Angebot auf absehbare Zeit deutlich übersteigen wird.

Faurys zweite große Sorge ist die Dekarbonisierung des Flugverkehrs. Der Manager hat zwar angekündigt, 2035 Passagierflugzeuge mit null CO₂-Emissionen fliegen zu lassen, und zwar mit grünem Wasserstoff, doch zugleich infrage gestellt, dass davon ausreichend erzeugt werden kann. Die Denkfabrik Transport & Environment hat das aufgegriffen, und vor allem vorgeschlagen, das fossile Kerosin massiv zu besteuern. All das würde darauf hinauslaufen, dass das Fliegen um ein Vielfaches teurer und folglich weniger geflogen würde.

Vielleicht auch deshalb hat sich Udvar-Hazy am Montag gefragt, ob all die Flieger, die jetzt bestellt werden, überhaupt ausgeliefert werden. Trotz allem zeigen sich Boeing und Airbus aber optimistisch und gehen davon aus, dass sich die Zahl Passagierflugzeuge weltweit in den nächsten 20 Jahren in etwa verdoppelt, auf dann 46000 bis 48000 Maschinen. (rnd)

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