Roland-Rechtsschutz-Chef im Interview„Es wird eine große Herausforderung“

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Rainer Brune in der Unternehmenszentrale in Köln-Deutz

Rainer Brune in der Unternehmenszentrale in Köln-Deutz

  • Die Corona-Krise trifft viele Branchen ins Mark. Auch den Versicherungen ist die Geschäftsgrundlage weitgehend zusammengebrochen.
  • Wie wird sich dies auf den zukünftigen Vertrieb auswirken? Wie reagieren sie auf digitale Wettbewerber?
  • Ein Interview mit Rainer Brune, Vorstandsvorsitzender der Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG

Herr Brune, Roland Rechtsschutz blickt auf ein gutes vergangenes Jahr zurück. Wie sieht Ihre Einschätzungen für das laufende aus?

Rainer Brune: Als ich vor sechs Jahren den Vorstandsvorsitz übernommen habe, war das Unternehmen in einer anspruchsvollen Situation. Wir mussten uns da herausarbeiten, was gelungen ist. Das vergangene Geschäftsjahr war eines der erfolgreichsten unserer Unternehmensgeschichte.

Zur Person und zum Unternehmen

Rainer Brune, Jahrgang 1966, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau. Er begann seine Karriere 1993 als Spezialist für Industrie-Sach Grundsatz und Produktentwicklung bei der Nordstern Allgemeine Versicherung in Köln. Es folgten verschiedene Stationen bei der Axa, zuletzt als Mitglied des Vorstands. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Vorstands der Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG mit Sitz in Köln.

Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG zählt mit Bruttobeitragseinnahmen in Höhe von 477,3 Millionen Euro im Jahr 2019 nach eigenen Angaben zu den wachstumsstärksten Anbietern der Branche. Im vergangenen Jahr lag der Jahresüberschuss bei 9,4 Millionen Euro. Mit einem Marktanteil von mehr als zehn Prozent gehört Roland zu den führenden deutschen Rechtsschutz-Versicherern. Das Unternehmen bietet Rechtsschutz-, Schutzbrief- und Assistance-Leistungen. Die Gruppe mit Sitz in Köln-Deutz beschäftigt 1511 Mitarbeiter. (cos)

Die jetzige Krisensituation schauen wir uns sehr genau an. Und ich gebe zu, als ich die Zahlen für das Neugeschäft gesehen habe, bin ich wirklich erschrocken. Dem Vertrieb draußen ist die Geschäftsgrundlage weitgehend zusammengebrochen. Es gibt ja kaum noch persönliche Kundenkontakte und vor allem viele Firmenkunden haben derzeit ganz andere Probleme, als eine neue Versicherung abzuschließen.

Können Sie die Auswirkungen schon abschätzen? Im Zuge der Krise dürfte zu mehr rechtlichen Auseinandersetzungen kommen.

Unsere Planung für dieses Jahr steht unter hohem Risiko. Das betrifft vor allem die Umsätze. Auf der Schadenseite sehen wir noch keine Ausschläge. Beim Arbeitsrechtsschutz könnte es zu einem Anstieg kommen, wenn es zu größeren Kündigungsschutzwellen kommt. Gleiches gilt für den Bereich Reise. Aber wir sind an große Schadenereignisse gewöhnt. Das Dieselgate hat uns zwei Jahre beschäftigt. Die jetzige Situation wird eine große Herausforderung – deren Umfang davon abhängt, wie lange das Ganze dauert.

Mit welchen zeitlichen Szenarien rechnen Sie?

Wir denken derzeit in drei möglichen Entwicklungen: drei Monate, sechs Monate oder ein Jahr. Wenn wir über sechs Monate hinweg gehen, dann werden wir Situationen erleben, die nicht korrigierbar sind. Dann muss man auch über Teile des Geschäftsmodells nachdenken.

Was bedeutet das konkret?

Wir sind als Versicherer stark vom Vertrieb abhängig. Bei einem längeren Szenario müssen wir den Vertrieb noch stärker als bisher digitalisieren. Bislang ist das in der Branche ein langsamer Prozess der sich nun stark beschleunigen könnte. Dazu muss man aber auch vorbereitet sein. Noch kein Versicherer ist derzeit auf einem perfekten Niveau. Wir haben im Online-Vertrieb in den vergangenen zwei Jahren zwar große Schritte gemacht, aber durch Corona kommt noch einmal deutlich mehr Druck auf das Thema.

Wie wird sich das auf die Zahl der Mitarbeiter auswirken?

Wir haben insgesamt eine vergleichsweise stabile Situation mit rund 1500 Mitarbeitern. Das umfasst den Bereich Rechtsschutz sowie unser Assistance Unternehmen, das rund 60 Millionen Euro zum Umsatz beisteuert. Hier sind die Strukturen allerdings anders. Die Fluktuation ist in dieser Art von Service-Telefonie natürlich höher. Im Bereich Rechtsschutz haben wir in den letzten Jahren den Standort Stuttgart sowie einen Teil in Wiesbaden geschlossen. Die Mitarbeiterzahl ist allerdings recht stabil geblieben. Wir haben im Zuge der Digitalisierung auch andere Bedarfe. Es kommt vor, dass Kollegen daher intern wechseln, aber natürlich rekrutieren wir solche Fachkräfte wie IT-Entwickler auch extern.

Digitale Wettbewerber gewinnen an Geschäft. Wie reagieren Sie darauf?

Dort findet man gute Angebote. Die Lösungen sind sehr einfach und kundenorientiert. Wir als Versicherer müssen in Folge dieses Wettbewerbs stärker auf die Kosten schauen. Manchmal wundere ich mich, dass der Verbraucherschutz das Thema noch nicht offensiver aufgegriffen hat: Ist die Versicherungswirtschaft tatsächlich preiswert genug? Um konkurrenzfähig zu sein, haben wir unsere eigene Plattform jurpartner.de auf den Markt gebracht. Damit wollen wir eine Alternative schaffen für Kunden, die on demand kaufen, aber unsere Expertise und unsere juristischen Netzwerke nutzen wollen.

Roland baut gerade seine Firmenzentrale in Deutz um. Was ist geplant?

Das Traditionsgebäude im Kölner Stadtbild passt nur auf den ersten Blick zu einem Traditionsversicherer. Wir wollten uns mit Blick auf unsere Bürosituation neu aufstellen. Die Räume sollen im Einklang mit neuen Modellen einer agilen Arbeitsorganisation stehen. Dabei ist etwa der Bedarf für Projekträume, in der Mitarbeiter bereichsübergreifend arbeiten, gestiegen. Das Projekt ist in einem Gebäude von 1930 unter Denkmalschutz ziemlich anspruchsvoll.

Baugenehmigungen und Denkmalschutz sind in Köln kein einfaches Thema. In welchem Zeit- und Kostenplan arbeiten Sie?

Wir haben ein Gesamtbudget von rund fünf Millionen und gehen davon aus, dass der Umbauprozess bis nächstes Jahr dauert. Das hängt nicht nur von Baugenehmigungen und dem Denkmalschutz ab, sondern auch von der Verfügbarkeit von Handwerken. Der Umbau vollzieht sich in mehrere Phasen, Etage für Etage. Das gibt uns auch die Möglichkeit, im Prozess zu lernen.

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Man merkt dabei, dass man Dinge falsch machen kann. Die Mitarbeiter müssen sich in der offenen Bürostruktur an andere Geräuschsituationen gewöhnen. Und man muss sich dort anders verhalten. Und es braucht Zonen zum Rückzug. Man muss die Kollegen auch erstmal an das Thema heranführen. Im Vorfeld haben wir uns intensiv angeschaut, was andere Versicherer aber auch andere Branchen gemacht haben.

Welcher Wettbewerber ist in Ihren Augen am weitesten?

Das Thema ist bei vielen angekommen. Axa ist da allerdings ein Vorreiter. Sie sind bislang den weitesten Schritt gegangen.

Werden Sie nach dem Umbau noch ein eigenes Büro haben?

Ich bin bereits aus meinem alten Büro ausgezogen. Am Ende eines langen Flurs, war es das einsamste Büro im Haus. Jetzt sitze ich deutlich zentraler. Mein neues Büro wird deutlich kleiner sein und in der Mitte der Mannschaft. Ich bin zwar überzeugt von einer offenen Arbeitsstruktur, aber es gibt auch immer wieder Momente und Gespräche, die vertraulich sein müssen.

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