Schlichtungsstelle überlastetImmer mehr Fluggäste fordern Entschädigungen

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Gähnende Leere an den Eurowings-Schaltern im Flughafen Köln/Bonn

Köln/Berlin – Pilotenstreik, Probleme bei den Sicherheitskontrollen, Corona. Auf die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp) rollt in diesem Jahr eine Flut von Anträgen verärgerter Fluggäste zu, die bei den Airlines mit ihren Bitten um Entschädigung für ausgefallene oder verspätete Flüge gescheitert sind.

Bis Ende September sind bei der söp knapp 18.000 Fälle eingegangen, Tendenz steigend. „Bis Ende Dezember rechnen wir mit 26.000 Anträgen auf Schlichtung“, sagt Geschäftsführerin Sabine Cofalla. „Damit hätten wir wieder das Niveau von 2019 erreicht, des letzten Jahres vor der Pandemie.“ Bei der söp sind bis zu 25 Mitarbeitende damit beschäftigt, jeden Einzelfall zu bewerten.

„Nach unserer Erfahrung sind die Fluggesellschaften sehr bemüht, zu einer Einigung zu kommen“

Ob der aktuelle Pilotenstreik bei Eurowings die Zahlen weiter nach oben schnellen lässt, wird sich erst in zwei Monaten zeigen. Passagiere können sich erst an die Schlichtungsstelle wenden, wenn die Fluggesellschaft ihre Anträge auf Entschädigung abgelehnt oder nach Ablauf von zwei Monaten nicht reagiert hat.

Nahezu alle großen Airlines sind Mitglieder bei der söp, darunter auch der Lufthansa-Konzern mit seiner Tochter Eurowings. 

Im aktuellen Pilotenstreik stehen die Chancen für Passagiere sehr gut

„Nach unserer Erfahrung sind die Fluggesellschaften sehr bemüht, zu einer Einigung zu kommen, so dass wir gar nicht erst tätig werden müssen“, sagt Cofalla. „Sie wollen ihre Kunden nach einem Flugausfall oder bei einer Verspätung nicht noch mehr verärgern.“

Im aktuellen Pilotenstreik stehen die Chancen für Passagiere sehr gut, das Geld für ihre Tickets erstattet zu bekommen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März 2021 können sich die Airlines bei einem Streik des Kabinenpersonals nicht mehr auf außergewöhnliche Umstände berufen.

Streiks, so die Richter, gehören in der Regel zum normalen Betriebsgeschehen – zumindest dann, wenn Gewerkschaften höhere Löhne oder bessere Arbeitszeiten erreichen möchten.

Pilotenstreik ist kein "außergewöhnlicher Umstand"

Nach EU-Recht muss eine Airline für Ausfälle oder größere Verspätungen von mindestens drei Stunden unter bestimmten Voraussetzungen nur dann nicht zahlen, wenn es sich dabei um außergewöhnliche Umstände handelt, die eine Fluggesellschaft nicht beeinflussen kann. Dazu zählen etwa medizinische Notfälle, schlechte Wetterbedingungen, Terrorgefahr oder Naturkatastrophen.

Deutlich komplizierter sind die Fälle, die in diesen Wochen vermehrt auf den Schreibtischen der Juristen bei der söp landen und Folge des Chaos an den Flughäfen mit langen Schlangen vor den Check-in-Schaltern und den Sicherheitskontrollen in den Sommerferien sind.

Schlichtungsstelle recherchiert jeden einzelnen Fall

„Wir recherchieren jeden individuellen Fall“, sagt Geschäftsführerin Cofalla. „Das ist ein sehr hoher Aufwand.“ Letztlich müsse geklärt werden, wer dafür verantwortlich ist, warum ein Passagier seinen Flug verpasst hat oder die Maschine mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden abgeflogen ist.

„Die Fluggesellschaft muss eine rechtzeitige Abfertigung am Check-in ermöglichen“, sagt Daniela Billerbeck, Teamleiterin bei der Schlichtungsstelle. „Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle gehören aber nicht zu ihrem Risikobereich.“

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Passagieren könne sie nur raten, möglichst genau zu dokumentieren, „dass er oder sie alles Erdenkliche getan hat, um rechtzeitig am Gate zu sein. Je detailreicher man das Geschehen darstellt, desto größer sind seine Erfolgschancen.“ Die Fluggesellschaft sei in jedem Fall verpflichtet, eine Stellungnahme abzugeben. „Kommt sie dem nicht nach, geht das zu ihren Lasten.“

Erfolgsquote für Passagiere liegt bei 90 Prozent

Passagiere, die sich mit ihrem Fall an die Schlichtungsstelle gewandt haben, müssen spätestens nach 90 Tagen einen Bescheid bekommen. „Nicht jeder Fall dauert so lange“, sagt Billerbeck. „Es gibt auch Fälle, die sind so eindeutig, dass sie nach 24 Stunden entschieden sind.“

Die Erfolgsquote sei außerordentlich hoch. „90 Prozent aller Fälle, die bei uns landen, werden zugunsten der Passagiere entschieden.“ Die Fluggesellschaften akzeptieren „die Urteile" der Schlichtung.

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