„Die Orgel hat ein eigenes Ich“

Lesezeit 3 Minuten

Vor 75 Jahren wurde im Erholungshaus die Klais-Orgel eingebaut - sie erklingt heute in der Herz-Jesu-Kirche Wiesdorf.

„Die neue, die wirkliche Orgel ist fertig, und wir werden sie am Montag zum ersten Mal, von Meisterhand gespielt, hören.“ So steht es geschrieben in „Die Erholung“.

75 Jahre sind die Zeilen alt, denn 1927 wurde die „Königin der Instrumente“ ins Erholungshaus eingebaut. Die Werkstatt Johannes Klais war's, schon damals ein Betrieb, dessen Name Klang hatte, der hier Hand anlegte und das „unter Zuhilfenahme der neuesten Erfindungen auf dem Gebiet der Orgeltechnik“, wie es in der ausführlichen Beschreibung in der damaligen Werkszeitschrift nachzulesen ist.

Der Spieltisch auf Rädern konnte „jedem Bedürfnis angepasst werden“. 8000 Meter Draht wurden im Inneren des Gehäuses hinter den 174 Tasten auf drei Manualen verlegt. 2300 elektrische Kontakte waren miteinander verknüpft worden.

Links neben der Bühne stand der gesamte Orgelprospekt. Einfachheit war außen angestrebt, „der heutigen Kunstanschauung entsprechend“, wie es hieß. Der damalige Kölner Domorganist Hans Bachem weihte das Instrument Ende März 1927 mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel ein und der Männer-Gesang-Verein der I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft Leverkusen, heute, Bayer AG, sang.

Geplant war diese Kombination nicht, und es scheint auch Unstimmigkeit darüber gegenüber zu haben. Denn in der Rede während des Einweihungskonzerts erklärte Hugo Caspari dem Publikum, warum „scheinbar verschiedenartige Dinge auf einen Abend gelegt werden mussten.“ Weil sich der Einbau der Orgel verzögert hatte, konnte auch der geplante Einweihungs-Termin nicht aufrechterhalten werden - alle folgenden Sonntage waren im Erholungshaus schon fest gebucht. Da „unserem M.G.B. (damit kann nur der Männergesangverein gemeint sein, d.Red.) der einmal zugesagte Saal nicht fortgenommen werden sollte, so legte man beide Abende eben zusammen.“ Hugo Caspari war derjenige, der die Kulturarbeit bei Bayer aufgebaut hatte. Die ersten Abonnements-Konzerte führte er während der 20er Jahre ein.

„Das moderne Wunder“, wie die Orgel im Wiesdorfer General-Anzeiger gepriesen wurde, war vor allem für die großen Oratorien-Konzerte gedacht, sie eignete sich auch für Solo-Konzerte. Regelmäßig führten die Bayer-Philharmoniker und der Städtische Chor Leverkusen in der Vor-Osterzeit die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf. Musikdirektor Hubert Havenith hatte diese Tradition begründet. Sie bestand bis in 60er Jahre.

Überschwänglich wird die Klais-Orgel gelobt: „Das Erholungshaus ist um ein Kunstwerk reicher und die Kunst hat jetzt ein Machtmittel, das ihr ganz neue Zukunftsmöglichkeiten erschließen wird“, denn, so führt der Schreiber aus, „die Orgel hat ein eigenes Ich.“ Und dieses „eigene Ich“ ist keineswegs verstummt. Die Bayer AG schenkte das Instrument der katholischen Kirchengemeinde Wiesdorf. In der Herz-Jesu-Kirche erklang sie am 31. Mai 1965 zum ersten Mal. Bis heute steht sie vor den Glasfenstern, die der niederländische Glaskünstler Thorn-Prikker entworfen hat. Eine neue Orgel erhielt das Erholungshaus nicht. Auch das Forum muss als großer Konzertsaal mit fast 1000 Plätzen ohne „Königin“ auskommen - eine Tatsache, auf die Gastdirigenten und heimische Musiker immer wieder hinweisen. Ist eine Orgel in der Partitur vorgeschrieben, behelfen sich die Musiker mit einer elektronischen Anlage. Für große Oratorien-Aufführungen gibt es in Leverkusen keinen entsprechenden Raum. Evangelische oder katholische Kirchen mit schönen, auch neuen, Orgeln sind alle zu klein, also weichen die Kantoren nach Altenberg in den Dom aus, wenn sie Besonderes planen.

„Es sei Zufall“, sagt Rainer E. Ohle von der Bayer-Kulturabteilung, dass in diesem Orgel-Jubiläumsjahr Christoph Schoener, der Kantor der Hauptkirche St. Michaelis in Hamburg und zuvor Kantor der Opladener Bielertkirche, in der kommenden Spielzeit im Erholungshaus gastiert. An einer Truhenorgel führt der Orgellehrer und Orgelvirtuose die Entwicklung der Orgelkonzerte gemeinsam mit Concerto Köln am 28. April 2003 aus.

KStA abonnieren