„Tal der Wölfe”: Klare Fronten sorgen für Kasse

Lesezeit 5 Minuten
Volles Haus bei der Premiere des Films "Tal der Wölfe" im Kölner Cinedom.

Volles Haus bei der Premiere des Films "Tal der Wölfe" im Kölner Cinedom.

Der türkische Film "Tal der Wölfe" spielt auf der nationalistischen Klaviatur und zieht Millionen Zuschauer an. Der Action-Thriller scheut kein Klischee, um die „bösen Amerikaner“ gegen den „guten Islam“ in Stellung zu bringen.

Polat Alemdar haben die türkischen Fernsehzuschauer als mutigen Helden ins Herz geschlossen: Im Alleingang unterwandert der Geheimagent in einer beliebten TV-Serie die türkische Mafia. Jetzt versucht sich der unerschrockene Rambo an einer ungleich größeren Aufgabe: Er legt sich mit der Weltmacht USA an, um die Ehre der Türkei zu retten. Alemdar, gespielt von dem Darsteller Necati Sasmaz, ist die Hauptperson des Films „Kurtlar Vadisi Irak“ (Tal der Wölfe: Irak).

Mit einem Budget von umgerechnet 8,3 Millionen Euro ist der von Serdar Akar inszenierte Streifen nicht nur eine der bisher teuersten türkischen Produktionen, sondern auch eine, die, zumindest im Ausland, sehr kontrovers diskutiert wird. Während in der Türkei die Besucher vor den Kinos Schlange stehen - schon in den ersten drei Tagen wurden dort mehr als 1,1 Millionen Eintrittskarten verkauft - raten die US-Streitkräfte ihren in Europa stationierten Soldaten, Kinos, in denen der Film läuft, zu meiden und mit Unbekannten möglichst nicht über den Film zu diskutieren. Denn die USA kommen in dem Film gar nicht gut weg.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Er beginnt mit einer wahren Begebenheit: am 4. Juli 2003 wurden in der nordirakischen Stadt Süleymaniye bei einer Razzia elf türkische Soldaten von US-Truppen festgenommen. Die Amerikaner stülpten den Türken Kapuzen über, fesselten sie und verhörten sie zwei Tage lang. Dann wurden die elf wieder auf freien Fuß gesetzt. Die US-Armee sprach von einer „Verwechslung“.

In der Türkei reagierte man mit Empörung. „Das war ein Akt gegen das türkische Volk“, lässt Drehbuchautor Bahadir Özdener im Film Süleyman Aslan, den fiktiven Kommandeur der festgenommenen Soldaten sagen. Bevor er die türkische Fahne küsst und sich das Leben nimmt, um seine Soldatenehre wiederherzustellen, bittet er in einem Abschiedsbrief den Geheimagenten Alemdar, im Namen der türkischen Nation Rache zu nehmen. Damit ist der Zuschauer auf das eingestimmt, was folgt. Alemdar macht sich in Nordirak auf die Suche nach den für die Festnahme verantwortlichen US-Soldaten. Und er findet sie: eine Truppe unter dem Kommando des Offiziers Sam William Marshall, eines protestantischen Fundamentalisten, der sich als „Werkzeug Gottes“ sieht. Metzelnd und mordend zieht er mit seinen Männern durch Nordirak.

Die Fronten in „Tal der Wölfe“ sind klar abgesteckt: hier die guten Muslime, repräsentiert durch die Lichtgestalt eines väterlichen Scheichs, der Witwen und Waisen schützt, Menschlichkeit predigt und Gnade selbst gegen die ärgsten Feinde des irakischen Volkes walten lässt; auf der anderen Seite die bösen Christen und Juden, die sich über alle Regeln der Zivilisation hinwegsetzen. Dass sie in Nordirak auch noch mit den verhassten Kurden gemeinsame Sache machen, gibt dem Film aus der Sicht türkischer Nationalisten einen besonderen Kick. Applaus brandet in den türkischen Kinos auf, wenn der Held endlich dem Treiben der Amerikaner ein Ende macht und Marshall tötet.

Selten hat ein Film so holzschnittartig nationalistische und rassistische Ressentiments geschürt und Klischees transportiert. Gerade deshalb findet er sein Publikum, und zwar nicht nur unter türkischen Jugendlichen, die sich an den gekonnt inszenierten Actionszenen berauschen. Der dumpfe Nationalismus begeistert selbst die politische Prominenz: „Ein ausgezeichneter Film, der Geschichte machen wird“, lobte der türkische Parlamentspräsident Bülent Arinc nach der Premiere. Unter den Ehrengästen der Erstaufführung war auch Emine Erdogan, die strenggläubige Gattin des türkischen Premierministers. Sie schien ebenfalls angetan von dem Streifen.

„Ein tolles Szenario“, befand auch Istanbuls Oberbürgermeister Kadir Topbas, ebenfalls Mitglied der islamisch geprägten türkischen Regierungspartei AKP: „Die Ehre eines türkischen Soldaten darf man eben niemals verletzen.“

Es gibt aber auch kritische Stimmen. Der türkische Nahost-Experte Cengiz Candar klagt, der Film vergifte die Atmosphäre und fördere den „chauvinistischen Nationalismus“ unter den Türken. „Diese Mentalität wird unserem Land nicht gut tun“, meint Candar. Tatsächlich ist der Film sicher kein Beitrag zum Projekt „Allianz der Kulturen“, das der türkische Premier Erdogan gerade zu propagieren versucht. Für die türkische EU-Kandidatur ist er eher ein schrille Begleitmusik, und zur Verbesserung des ohnehin gespannten Verhältnisses zu den USA wird er wohl auch nicht beitragen, wie die Warnungen der US-Streitkräfte an ihre Soldaten in Europa zeigen.

Ob er nicht die Gefahr sehe, dass „Tal der Wölfe“ die Beziehungen zu den USA belasten könnte, wurde Außenminister Abdullah Gül gefragt. „Nein, ich glaube nicht“, lautete seine Antwort. Viel schlechter können die Beziehungen ohnehin kaum werden. Der Irak-Krieg hat die beiden Verbündeten einander entfremdet. Äußerten noch im Jahr 2000 bei einer Umfrage 52 Prozent der Türken eine positive Meinung über die USA, waren es 2005 nur noch 23 Prozent. 70 Prozent der Befragten halten die Amerikaner für „gewalttätig“, 91 Prozent lehnen die Politik von Präsident George W. Bush ab. Fast 40 Prozent sehen die USA sogar als „Feind“.

Im März 2003 verweigerte das türkische Parlament den USA überraschend die Genehmigung zum geplanten Durchmarsch nach Nordirak. Seither ist man auch in Washington nicht mehr gut auf die Regierung in Ankara zu sprechen. „Irreparabel“ sei der angerichtete Schaden, meint Michael Rubin, ehemaliger Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

„Tal der Wölfe“ ist nicht das erste Produkt, das aus dem wachsenden Anti-Amerikanismus in der Türkei Kapital zu schlagen versucht. Zu den meistverkauften Büchern in der Türkei zählte im vergangenen Jahr der Roman „Metal Firtina“ (Metallsturm). Er spielt im Jahr 2007 und beschreibt einen Angriff der USA auf die Türkei. Auch da gibt es einen mutigen türkischen Einzelkämpfer, der sein Land rächt: Er schmuggelt einen nuklearen Sprengsatz in die USA und zündet ihn in Washington.

KStA abonnieren