Interne AkteBonner Polizisten sprechen über Prügel-Vorwürfe gegen jüdischen Professor

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Ein Kippaträger (Symbolbild)

  • Bei seinem Besuch im Bonner Hofgarten wurde ein jüdischer Professor aus den USA am 11. Juli von der Polizei niedergerungen und geschlagen. Er war zuvor von einem jungen Palästinenser wegen seiner Kippa antisemitisch beschimpft und angegriffen worden.
  • Die Polizisten hatten das Opfer zunächst mit dem Täter verwechselt. Doch der Professor erhob weitere schwere Vorwürfe gegen die Polizei: Er sei auf der Wache 70- bis 80-mal geschlagen worden.
  • Jetzt sprechen die Bonner Polizisten erstmals über den Vorfall aus ihrer Sicht.

Bonn – Die Geschichte sorgte bundesweit für Aufsehen. Bei seinem Besuch im Bonner Hofgarten wurde ein jüdischer Professor aus den USA am 11. Juli von der Polizei niedergerungen und geschlagen. Ein Missverständnis, wie sich schnell herausstellte: Der Hochschullehrer Jitzchak Jochanan Melamed war zuvor von einem jungen Palästinenser antisemitisch beschimpft und angegriffen worden. Und die zu Hilfe gerufene Polizei hatte das Opfer irrtümlich für den Täter gehalten.

Die Bonner Polizeipräsidentin entschuldigte sich bei Melamed, auch NRW-Innenminister Herbert Reul drückte sein Bedauern über den Vorfall aus. Seitdem laufen gegen die vier Polizisten, die an dem Einsatz beteiligt waren, disziplinarische und auch strafrechtliche Ermittlungen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ stellen die Beamten sowie eine Zeugin das Geschehen teilweise aber anders dar als der Professor, gegen den es ein Ermittlungsverfahren wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten gibt (Aktenzeichen 555 Js 324/18).

Betreuerin hat ausgesagt

Zurückgekehrt an seinen Lehrstuhl für Philosophie in Baltimore hatte Melamed hat die Vorgänge auf Facebook in allen Einzelheiten geschildert: Demnach soll die Polizei in ihrer Pressemitteilung zu dem Fall gelogen haben. Gefesselt mit Handschellen, sei er 70- bis 80-mal geschlagen worden. Zudem hätte man auf der Wache über anderthalb Stunden versucht, ihn von einer Anzeige gegen die Beamten abzubringen.

Die deutsche Betreuerin des Professors hat nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in ihrer Vernehmung am 23. Juli jedoch ausgesagt, dass dies nicht der Fall gewesen sei. „Nein, sie haben niemals gesagt, dass sie keine Beschwerde akzeptieren werden“, sagte sie der Sonderkommission, die in dem Fall ermittelt. Sie habe sich nur gewundert, warum die betroffenen Polizisten sie und Melamed zur Staatsschutzabteilung brachten, damit sie dort Strafantrag stellen konnten.

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Der Hofgarten in Bonn

„Das ist aber üblich“, sagt Christoph Arnold, der Anwalt eines der beschuldigten Beamten: „Zum einen hatten die Staatsschützer den Fall wegen der antisemitischen Attacken übernommen, zum anderen können ja schlecht die Beamten die Anzeige aufnehmen, die davon betroffen sind.“

Melamed hatte zudem berichtet, er sei durch fünf Beamte zu Boden geworfen und dutzendfach geschlagen worden. Der Polizeikommissar Peter M. (Name geändert), 28, und seine Kollegen schildern das Geschehen anders. Zunächst habe er nicht gewusst, wen man vor sich hatte, betont M. bei seiner Vernehmung.

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Der eigentliche Täter sei nicht mehr zu sehen gewesen, deshalb sei es zu der Verwechselung gekommen. 

Der Professor sei auf ihn zugelaufen, so M. weiter. Ein Kollege habe den vermeintlichen Straftäter erfolglos aufgefordert, stehen zu bleiben. Melamed sei dann zu Boden geworfen und dessen Beine seien fixiert worden. Polizeikommissar Peter M. will anschließend versucht haben, die Hände des Unbekannten zu fixieren.

Und dann gehen die Aussagen auseinander: So beteuert der Professor, sich absolut passiv verhalten zu haben. Peter M. hingegen berichtet in seiner Vernehmung, dass der Festgenommene sich gewehrt habe. Der Hochschullehrer soll ihm mit großer Kraft die Hand umgebogen haben, der Schmerz sei unerträglich gewesen. Es sei ausgerechnet jenes Handgelenk gewesen, das gerade nach einem Bruch verheilt war. In Panik habe er gerufen, der Mann solle loslassen. Und dann zugeschlagen, zweimal ins Gesicht, als der Professor nicht reagiert habe. Sogenannte „Blendschläge“, eine Einsatztaktik, die bei Polizeilehrgängen zur Abwehr von Angriffen eingeübt werde.

Als klar gewesen sei, dass man den Falschen festgenommen hat, habe er sich mehrfach entschuldigt, so M. weiter. Melamed habe jedoch bestritten, sich gewaltsam gegen die Festnahme gewehrt zu haben, und ihn als „Lügner“ bezeichnet. Die Ärzte im Bonner St. Josefs Hospital jedenfalls stellten anschließend Prellungen und Quetschungen an der rechten Hand des Polizisten fest. Peter M. wurde für einige Zeit dienstunfähig geschrieben. Deshalb hat er eine Anzeige gegen Melamed erstattet. Der Professor jedoch erklärte auf Anfrage, er bleibe bei seiner bisherigen „sachlichen und präzisen Beschreibung“.  

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