Vier Pfoten für „Bim“NRW-Prothesen für verstümmelten Hund aus der Ukraine

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Kann wieder laufen: Der in der Ukraine verstümmelte Terrier-Mischling

Kleve – Der kleine Körper, der etwa 100 Meter entfernt hilflos über die Hauptverkehrsstraße robbt, wird umtost vom Verkehr. „Was ist das?“, fragt Ralf Seeger. Es ist der Abend des 11. August. In der Stadt Lwiw im Westen der Ukraine, nahe der Grenze zu Polen. Der Gründer der nordrhein-westfälischen Organisation „Helden für Tiere“ ist mit seinen Leuten auf dem Weg zu Verbündeten. Entspannt, ohne Panzerwesten, die sie bei ihren zahlreichen Einsätzen an der Front des Kriegsgebiet zuvor getragen hatten, geht’s zum Abendessen.

Die Männer machen eine Vollbremsung. „Das Herz ist mir in die Hose gerutscht“, sagt Seeger später. Schnell habe er gesehen, dass es sich bei der hilflosen Kreatur um einen Hund handelte. Der womöglich nichts mehr hört, oder auch schlecht sieht. Die Gefahr, in der er schwebt, jedenfalls nicht realisiert.

Abgetrennte Extremitäten sind keine Seltenheit

Die Aktivisten haben den Hund mitgenommen, wie viele andere Tiere auch. Abgetrennte Pfoten und Verletzungen an Ohren und am Schwanz: Der Terrier-Mischling, den seine Retter auf den Namen „Bim“ getauft haben, hätte alleine wohl keinen Tag mehr überlebt. Jetzt aber läuft er sogar wieder. „Ein Freund, Orthopädie-Techniker am Niederrhein, hat ihm vier Beinprothesen aus Silikon angefertigt.“, berichtet Seeger.

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Vor einigen Tagen seien Röntgenaufnahmen gemacht worden. Glücklicherweise bleibe dem Hund eine weitere Operation erspart, wie sich dabei gezeigt habe.

Seine gemeinnützige Gesellschaft hatte Seeger vor 13 Jahren gegründet. Im Tierschutz sei er schon seit 40 Jahren engagiert, sagte der 59-Jährige dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Über Seegers Engagement wird gelegentlich auch in einer Serie des TV-Senders „Vox“ berichtet.

„Schusswunden oder Granatsplittern am ganzen Körper“

Die freiwilligen Helfer in der Ukraine hätten das Tier nicht versorgen können. Es sei unfassbar, welches Leid auch viele Hunde in Kriegsgebieten erlebten. „Wir haben Tiere mit Schusswunden im Rücken oder Granatsplittern am ganzen Körper versorgt“, so Seeger, der eine wilde Vergangenheit als Söldner bei der Fremdenlegion sowie als Rocker und Käfigkämpfer in Deutschland hat.

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Tierschützer Ralf Seeger und Katharina Ehm beim Anpassen der Prothesen für Bim, dem schwerstverletzten Hund aus der Ukraine.

„Ein Straßenkämpfer, der nie im Leben was hatte, kein Elternhaus, im Kinderheim aufgewachsen. Dann habe ich gedacht: Ich zeige jedem, dass es trotzdem auch anders geht, ohne Gewalt oder Kriminalität.“ Seitdem kümmere er sich um Tiere, für die sich „sonst niemand interessiert“. Seine Organisation, die in erster Linie von Spenden lebt und im Kreis Kleve zwei „Tier-Gnadenhäuser“ betreibt, war schon weltweit im Einsatz. „In ganz Europa etwa. Oder in den Arabischen Emiraten, in Israel, überall“, berichtet Seeger. In der letzten Zeit neben Deutschland verstärkt auch in der Ukraine und Ungarn.

Prothesen-Flosse für einen Delfin

Dabei habe man es häufig auch mit Tieren zu tun, denen Gliedmaßen fehlen. Auf der Homepage seiner Organisation sind Fotos von mehreren Katzen und Hunden zu sehen, die Prothesen tragen. Die vier Anfertigungen für Bim würden letztlich wohl um die 600 Euro kosten, so Seeger. Bei Tieren, die einen „Rolli“ benötigten, also eine skateboardähnliche Sonderanfertigung beispielsweise für vollständig fehlenden Hinterbeine, würden sich die Kosten schnell auf 1000 Euro summieren.

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Schildkrötenmännchen Helmuth aus dem Zoo in Gelsenkirchen hat Probleme mit der Schulter, deswegen fährt es Rollbrett. 

Orthopädische Hilfen für Tiere sind längst keine Seltenheit mehr. Ob eine Flosse für einen Delfin oder ein neues Bein für einen Storch: Fehlende Körperteile sind kein Grund mehr, die Tiere einzuschläfern. Hilfe kommt inzwischen häufig auch aus dem 3D-Drucker. Manchmal tut es schon ein wenig Kreativität. Ein Schneekranich-Weibchen im Kölner Zoo hatte sich Anfang vergangenen Jahres die Spitze des Unterschnabels abgebrochen. Tierärztin Sandra Marcordes baute aus einer längs aufgeschnittenen Spritze eine Prothese und klebte die an den Schnabel.

Ein Rollbrett für die dicke Schildkröte

Aber nicht nur Unfälle oder Misshandlungen machen den Einsatz von Medizintechnik im Tierreich nötig. Die Spornschildkröte „Helmuth“ im Gelsenkirchener Zoo war im vergangenen Jahr mit 100 Kilo so schwer geworden, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Kurzerhand wurde ein Rollbrett gebaut, mit dem Helmuth sich wieder bewegen konnte.

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