Berlinale-Blog IIIEin Kölner Film als Kassenschlager

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Die Berlinale geht ins Wochenende, aber das merkt man nur, wenn man sich im Einkaufszentrum vis à vis vom Festivalpalast eine Pizza auf die Hand holt. Während die Nicht-Kinogänger unter den Berlinern, die es schließlich auch noch gibt, ihre Samstagseinkäufe machen, ist gerade jetzt die publikumsintensivste Zeit angebrochen. Die Leute drängen in die Filme, als gäbe es nach der Berlinale kein Kino mehr: Berlin hat eben ein richtiges Publikumsfestival, das unterscheidet die Berlinale von Cannes und Venedig - und dieses Publikum dankt es den Filmfestspielen mit gewaltigem Andrang.

Das ist nicht übertrieben. Als ich am frühen Freitagabend ins Cinestar am Potsdamer Platz komme, um mir den Film "Romeos", produziert von der jungen Kölner Firma Boogiefilm, anzuschauen, habe ich Mühe, überhaupt in den Saal zu gelangen. Mehr als hundert Interessierte müssen auf weitere Vorstellungen in den kommenden Tagen vertröstet werden, und dabei handelt es sich bei "Romeos" in keiner Weise um einen sogenannten großen Film. Die Regisseurin Sabine Bernhardi erzählt vielmehr die problemgeladene Geschichte einer jungen Frau, die sich in ihrem Körper nicht wohl fühlt und sich per Testosteron-Spritzen in einen Mann verwandelt. Normalerweise interessiert mich das Transgender-Gegrübel nicht besonders, das auf der Berlinale komischerweise traditionell prominent verhandelt wird - besonders in der Festivalsektion "Panorama", in der auch "Romeos" läuft. Sabine Bernhardi aber schafft, ihrem Film einen wilden, aufgekratzten Charme zu verleihen, der über sexuelle Orientierungschwierigkeiten hinaus viel über Jugendkultur heute verrät. Und so kam es, dass ich mich mitten in Berlin bei einem Autorennen auf dem Kölner Ring und in Clubs widerfand, von denen ich auch als Kölner keine Ahnung hatte.

Vom US-Vorstadtslum in den Dschungel von Kamerun

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Dass Festivalkategorien eine Angelegenheit sind, die wahrscheinlich eher mit Ahnung, Bauchgefühl und vermutlich auch ziemlich viel Kompetenzgerangel zu tun haben, ist bekannt. Was aber der amerikanische Film "Yelling to the Sky" im Wettbewerb zu suchen hatte, ist dennoch ein Rätsel: dass Victoria Mahoney alles Elend der Welt in einer von Schwarzen geprägten, teilweise slumartigen Vorstadt aufhäuft, na gut - immerhin stellt sich ein amerikanischer Film mal sozialen Missständen. Doch dass sie die Coming-of-Age-Geschichte rund um die Schülerin Sweetness derart klischiert zwischen Teddybär und Drogeneskapaden hin- und herpendeln lässt, war dann zumal spät nachts doch einigermaßen anstrengend.

Ansonsten ging der Wettbewerb nach dem exzellenten Kapitalismus-2.0-Drama "Margin Call" mit einem sehr ruhigen Film aus Argentinien weiter, der von einer Mutter und einer siebenjährigen Tochter erzählte, die sich vor der Militärdiktatur in ein sturmumtostes Strandhaus flüchten. Die Farben von "El Premio" sind bleich, braun-grau, und dieser Hintergrund ist eine schöne Bühne für das Gesicht, das diesen Film am nachhaltigsten prägt. Es gehört der kleinen Hauptdarstellerin Paula Galinelli-Hertzog, die mit ihrer trotzig-kindlichen, zugleich aber unglaublich wachen Ausstrahlung eine fantastische Leistung abliefert.

Am Samstag um Neun dann ein deutscher Beitrag, auch noch mit dem Titel "Schlafkrankheit". Ulrich Köhler hat sich als Schauplatz eine Klinik mitten im Urwald von Kamerun ausgesucht, wo der deutsche Arzt Ebbo Velten wirkt. Es geht ein bisschen um Entwicklungshilfegelder, die in unklaren Kanälen versickern, es geht ein wenig um Europa und Afrika, vor allem aber steht das Ego des Doktor Velten im Vordergrund, das einem wirklich egal ist. Wahrscheinlich wird er am Ende von einem Hippo getötet. Als ich mir im Einkaufszentrum gegenüber einen Kaffee hole, habe ich den eitlen Kerl im Gegensatz zu Paula Galinelli-Hertzog schon wieder vergessen.

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