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SteuernHöhere Grundsteuer für NRW-Gewerbe – Gericht sagt Nein

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Dürfen Kommunen für Gewerbegrundstücke deutlich höhere Grundsteuerhebesätze berechnen als für Wohngrundstücke? Darüber entscheidet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Dürfen Kommunen für Gewerbegrundstücke deutlich höhere Grundsteuerhebesätze berechnen als für Wohngrundstücke? Darüber entscheidet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Gewerbebetriebe haben mit ihrer Klage gegen die neu geregelte NRW-Grundsteuer Erfolg: Höhere Hebesätze sind rechtswidrig, sagt ein Gericht. Doch der Rechtsstreit geht wohl weiter.

Dürfen Kommunen für Gewerbegrundstücke deutlich mehr Grundsteuer verlangen als von Hauseigentümern? Diese grundlegende Frage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen heute erstmals beantwortet - mit einem klaren Nein. 

Es sei steuerlich ungerecht, dass die durchaus wünschenswerte Entlastung des Wohnens allein von den Gewerbetreibenden finanziert werden solle, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Pesch. 

Bei dem Streit geht es um viel Geld: Das Grundsteueraufkommen lag 2024 in NRW laut Städte- und Gemeindebund bei knapp 4,3 Milliarden Euro. Und indirekt könnten auch Mieter erheblich betroffen sein, denn die Grundsteuer wird fast immer über die Nebenkosten auf die Mieter umgelegt.

Wogegen richteten sich die Klagen?

Erfolgreich gegen ihren Grundsteuerbescheid geklagt haben vier Gewerbebetriebe - unter anderem ein Einkaufszentrum mit sechsstelliger jährlicher Grundsteuer - aus dem Ruhrgebiet. Sie fühlen sich benachteiligt, weil für Eigentümer von Wohngrundstücken in ihren jeweiligen Kommunen Essen, Bochum, Dortmund und Gelsenkirchen deutlich geringere Steuer-Hebesätze gelten.

Die Unterschiede sind beträchtlich: Essen verlangt etwa von Gewerbebetrieben einen Hebesatz von 1290 Prozent, bei Wohngrundstücken liegt er mit 655 Prozent annähernd nur halb so hoch. In Dortmund (Wohngrundstücke: 655, Nichtwohngrundstücke: 1245) ist das Ungleichgewicht ähnlich stark.

Wie kam es dazu?

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die bisherige Grundsteuerermittlung für veraltet und verfassungswidrig erklärt. Es entstand ein neues Bundesgesetz, das eine realistischere und gerechtere Bewertung der Grundstücke ermöglichen soll. Dem schloss sich NRW an. Zusätzlich erlaubte das Land im Juli 2024 seinen Kommunen, bei den Hebesätzen zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken zu differenzieren. Aus der Bewertung der Grundstücke und dem Hebesatz errechnet sich die Steuer.

Warum differenzieren?

Die Kommunen sollten mit der Differenzierung die Möglichkeit bekommen, je nach den Gegebenheiten vor Ort ihre Hebesätze so auszutarieren, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung von Wohnimmobilien komme, so das NRW-Finanzministerium. 120 der 396 NRW-Städte und Gemeinden nutzen laut NRW-Steuerzahlerbund aktuell die Möglichkeit differenzierter Hebesätze. 

Wohnen soll dadurch trotz der neuen und möglicherweise teils höheren Wertfeststellungen für die Grundstücke bezahlbar bleiben, argumentieren Kommunalparlamente, die Differenzierungen einführten. Um die Einnahmeausfälle durch niedrige Hebesätze für Wohngrund auszugleichen, wurden vielfach zugleich Gewerbe-Hebesätze erhöht, wie der Gelsenkirchener Vorsitzende Richter kritisierte. 

Was sagen die Gewerbebetriebe?

Die Industrie- und Handelskammern hatten dagegen lautstark protestiert: Das „Hochsteuerland NRW“ liege bei der Grundsteuer ohnehin deutlich über dem Bundesschnitt. Nun seien die Hebesätze für die Wirtschaft nochmals deutlich gestiegen, so die NRW-Kammern. Gewerbetreibende erlitten durch diese neue „Sonderbesteuerung“ erhebliche Standortnachteile. Die IHKs kritisieren daneben, dass die örtlichen Steuersätze im Bundesland mit der Neuerung noch weiter auseinanderklafften als zuvor schon - ein „Belastungsflickenteppich“.

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung?

Die Entscheidung des Gelsenkirchener Gerichts gilt zunächst mal für die vier Kläger: Sie können mit einem neuen, vermutlich niedrigeren Grundsteuerbescheid rechnen. Vor allem das klagende Einkaufszentrum könnte dabei sechsstellig sparen. Für die noch offenen weiteren Verfahren dürfen die beklagten Kommunen die Hebesätze außerdem nicht weiter verwenden.

Wie geht es weiter?

Doch alle NRW-Kommunen brauchen schnell Klarheit über ihre künftigen Gewerbesteuereinnahmen, wie auch der Vorsitzende Richter einräumte. Deshalb hat das Gericht sowohl eine Berufung als auch die eher seltene Sprungrevision zum höchsten Verwaltungsgericht in Leipzig erlaubt. „Was am Ende rauskommt, entscheiden die Obergerichte“, sagte der Vorsitzende Richter Pesch. (dpa)