Ein Dorf mit Dom

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Der Bildhauer in seinem Neubau am "Ploon".

Der Bildhauer in seinem Neubau am "Ploon".

Bornheim - Das junge Paar strahlt. Zaghaften Schrittes sind Daniela Mehlem und David Rinke in die Pfarrkirche Sankt Evergislus Brenig getreten und sind auf dem roten Teppich auf den golden leuchtenden neugotischen Hochaltar zugeschritten. Eine Hochzeitsszene, könnte man meinen - wären die Bänke des Gotteshauses an diesem Mittwochnachmittag nicht unbesetzt und würden die Verliebten nicht Jeans tragen. „Wir möchten hier gerne heiraten“, flüstert die junge Frau und drückt die Hand ihres Lebensgefährten, mit dem sie vor eineinhalb Jahren von Bonn nach Brenig gezogen ist. In den idyllisch am Hang des Vorgebirges hoch über Bornheim gelegenen Ort hatten sie sich sofort verliebt - und nun könnte in dem „Vorgebirgsdom“, wie die Pfarrkirche wegen ihrer Höhenlage und ihrer Größe genannt wird, auch ihre Liebe gekrönt werden.

Sankt Evergislus ist zunächst einmal in geographischer Hinsicht Mittelpunkt der rund 2350 Einwohner zählenden Ortschaft Brenig, die Einheimische wegen ihrer treppenartigen Hanglage scherzhaft in „Loch, Mitteldorf und Oberdorf“ unterteilen. Um die 1896 neu erbaute Kirche, deren Turm derzeit zur Restaurierung eingerüstet ist, gruppieren sich der städtische Kindergarten „Die Raupe“, die Elterninitiative „Pusteblume“, der Friedhof, der Spielplatz, das Pfarrheim und die Pfarrbücherei, die mit rund 600 eingetragenen Entleihern stark frequentiert ist.

„Die Kirche soll Lebensraum und Heimat bieten“, sagt Pastoralreferent Bruno Schrage. Dass dies keine hehren Wünsche eines Kirchenmannes sind, sieht man an den vielfältigen Aktivitäten, die von der Pfarrei ausgehen - vor allem für die Jugend. Jeden Dienstag und Donnerstag wird dort ein Jugendtreff zum Klönen und Feiern in einem von jungen Brenigern selbst gestalteten Raum geboten. Das vor sechs Jahren eingerichtete Internetcafé wird ebenfalls gut angenommen. Ferner gibt es regelmäßige Kulturveranstaltungen wie die Oldie-Night (nächster Termin ist der 28. Januar), Filmvorführungen, Ausflüge, Sportturniere, Bildungsangebote oder ein Zeltlager für Jugendliche. Die 1999 im Keller des Pfarrheims gegründete Band „inSaints“ rockte schon mit namhaften deutschen Musikern.

Nicht zuletzt gibt die Pfarrgemeinde jedes Jahr einen Dorfkalender heraus, dessen Jahresblätter historische Aufnahmen des Ortes zieren. Der angehende Pfarrer Hendrik Hülz und der gelernte Drucker Friedel Mirbach tragen dafür Fotos aus Privathaushalten zusammen. „Dafür kramen die Alt-Breniger ständig in ihren Fotokisten“, lacht Schrage. Und dass der Erlös des Kalenders in die Restaurierung der Kirchenmauer fließt, freut den Pastoralreferenten umso mehr.

Der Kalender deutet schon darauf hin, dass die Breniger nicht nur traditionsbewusst sind, sondern auch viel Eigeninitiative für das Dorfleben leisten. Der „Lebendige Adventskalender“, bei dem Familien ein Fenster ihres Hauses weihnachtlich schmücken, ist ein weiteres Zeichen für das Bürgerengagement. Die acht Ortsvereine (die St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft, die Freiwillige Feuerwehr, Spielmannszug, Kirchenchor „Cäcilia“, katholische Frauengemeinschaft, Motor-Veteranen-Club, Sportverein SSV „Alemannia“, und Junggesellenverein „Gemütlichkeit“ sowie die Vereinigung der Breniger Bammschläger) tragen ebenfalls zur Brauchtumspflege bei. Deren festliche Höhepunkte sind das „Beiern und Bammschlagen“ der Kirchenglocken, das Mai-Ansingen und der Sankt-Martins-Zug.

Neben der reizvollen Panoramalage und den damit verbundenen Freizeitmöglichkeiten - nicht nur Spaziergänger, Reiter und Radfahrer kommen auf ihre Kosten, sondern auch Golfspieler auf einer Anlage - hebt Ortsvorsteher Heinrich Hönig denn auch als großen Pluspunkt das bürgerschaftliche Engagement der Breniger hervor. So werde die von ihm seit zehn Jahren angestrebte Neugestaltung der Dorfmitte von Bürgern nicht nur angenommen, sondern aktiv unterstützt. Bis 2007 soll die Maßnahme umgesetzt werden, in deren Zuge die Straßen Vinkelgasse und Ploon so ausgebaut und umgestaltet werden, dass der zentrale Charakter des gegenüber der Kirche liegenden Platzes wieder akzentuiert wird.

Der wohl tatkräftigste Unterstützer dieses Vorhabens ist Johannes Hillebrand. Der bekannte Bildhauer, der vor rund 20 Jahren von Köln nach Brenig zog und seitdem unter anderem die Evergislus-Skulptur für die Kirche geschaffen hat, will Brenig als Kulturstandort im Vorgebirge etablieren. „Ich möchte dem Dorf auch seine Mitte zurückgeben“, begründet der Künstler, warum er vor sechs Jahren das Grundstück auf dem ehemaligen Raiffeisenbank-Gelände erwarb. Dort baut Hillebrand derzeit ein Haus, in dem er ein Kultur-Café einrichten will. Ein Angebot, das den alteingesessenen Wirt Heinz Düx mit seinem gegenüber der Baustelle liegenden Steakhaus „Plöner Aktuell“ nicht schreckt: „Ist doch gut, wenn hier im Ortszentrum eine Kulturmeile entsteht“, sagt der in Brenig geborene Gastronom, der das Restaurant seit über 50 Jahren betreibt - und früher für den selbst gebrannten „Plöner Schnaps“, heute für die „besten Steaks der Welt“ gerühmt wird.

Viel Eigenleistung

Die Anlieger haben bereits in Zusammenarbeit mit der Pfarrei Bäume gepflanzt sowie die Dorf-Pieta restauriert und an ihren ursprünglichen Standort am „Ploon“ zurückgebracht, um den Dorfplatz ansprechender zu gestalten. „Es ist toll, was sich die Breniger auch zur Finanzierung der Dorfverschönerungen einfallen lassen“, freut sich Hillebrand und verweist als Beispiel auf den Breniger Höhenlauf am 26. März, der von der Elterninitiative „Pusteblume“ in Kooperation mit Pfarrei und Ortsvereinen organisiert wird und dessen Erlös in die Verschönerung des Ortsmittelpunktes „Ploon“ fließt.

Um Brenig als Kulturstandort zu etablieren, muss Hillebrand mit seinem Kultur-Café nicht bei Null anfangen. Denn der „Alte Dorfsaal“ hat den Ort als Schauplatz für hochkarätig besetzte Konzerte und Kleinkunstabende weit über Bornheim hinaus bekannt gemacht. Der Musiker Jens Streifling, der früher Bandmitglied von „BAP“ war und jetzt bei den „Höhnern“ spielt, hat mit seiner Frau Maren vor fünf Jahren die ehemalige Dorfkneipe „Op de Kant“ gekauft, restauriert und als stimmungsvolle Veranstaltungshalle aufgebaut. Die persönlichen Kontakte der Streiflings führen dazu, dass bekannte Künstler wie Purple Schulz oder Paul Panzer nach Brenig gelockt werden.

Gemischtes Programm

„Alle, die hier aufgetreten sind, wollen wiederkommen, weil sie die Clubatmosphäre mit engem Kontakt zum Publikum schätzen“, sagt Maren Streifling. Die Organisatoren setzen auf ein gemischtes Programm, das eine Karnevalsparty (20. Februar), Privatfeiern oder Tanzunterricht einer Ballettschule einschließt. „Wir wollen ein breites Publikum ansprechen“, erläutert sie und freut sich, dass auch Altbürger in dem Dorfsaal zu sehen sind.

Aber nicht nur mit kulturellem „Futter“ können sich die Breniger im Ort eindecken. Neben einem Friseur gibt es einen Blumen- und einen Reitartikelladen. Vor allem aber dient das Geschäft von Hans-Willi Landsberg und seiner Frau Gisela der Grundversorgung: Die Konditorei und Bäckerei, die das Ehepaar in vierter Generation betreibt, wurde um einen gut sortierten Tante-Emma-Laden ergänzt. Vom Nähgarn über Aufschnitt bis hin zu Konzerttickets ist hier alles zu haben.

Als besonderen Service bekommen ältere Breniger ihre Einkäufe nach Hause gebracht. Schließlich fungiert der Laden als Kontakt- und Klatschbörse. „Wir kennen hier alle, und wenn jemand mal mit traurigem Gesicht reinkommt, fragen wir nach“, sagt Verkäuferin Dudu Ay, die seit 20 Jahren in Brenig lebt. „Und du bist wohl die einzige Türkin, die mit den Kunden Breniger Platt spricht“, lacht Kollegin Claudia Welter - und knufft sie freundschaftlich in die Seite.

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