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c/o-pop-FestivalDie neuen Klänge von Köln

4 min

Oracles

Die nächste Welle aus Köln?“ Julian Stetter denkt einen Augenblick lang nach. „Doch, das würde ich unterschreiben.“ Zusammen mit Azhar Syed bildet Stetter das Kölner Duo Vimes, das treibende Elektronik sehr effektiv mit dem warmen, sehnsüchtigen Sound von Syeds Stimme und analogen Instrumenten zu einer sehr einladenden Popmusik verbindet. Eine Kombination, die man durchaus mit Köln assoziieren kann. Gibt er Interviews im Ausland, erzählt Stetter, werde er in neun von zehn Fällen nach dem Kölner Label Kompakt gefragt. „Und natürlich gibt es da eine große Affinität. Bevor ich aus Stuttgart nach Köln gezogen bin, war ich kaum mit elektronischer Musik in Berührung gekommen.“

Ende der 90er vereinte das Schlagwort „Sound of Cologne“ eine hochinteressante, aber unübersichtliche Menge an Kölner Labels und Künstlern. Obwohl die zum Teil nicht mehr miteinander zu schaffen hatten als eben die Tatsachen, dass sie elektronische Musik produzierten und eben aus Köln kamen. Auf den Boom folgte das unvermeidliche Wellental.

Doch in den vergangenen Jahren, glaubt Stetter, sind wieder neue Acts in Köln gestanden, die die Popgeschichte der Stadt fortschreiben. Ohne sich ihr sklavisch verpflichtet zu fühlen. Künstler und Bands wie Xul Solar, Woman oder Roosevelt, der Durchstarter der jungen Szene, dessen jeweils neue Tracks in jedem relevanten Blog besprochen werden.

Schmoren im eigenen Saft

Doch lange nicht jeder Musiker aus Köln sieht sich als Teil einer Tradition. „Sound of Cologne“, das sei für ihn ein schlimmes Wort, sagt Niklas Wandt von der Band Oracles. Zwar sei er im Bergischen aufgewachsen und habe deshalb einen Herzensbezug zu den Bläck Fööss oder Bap. Jedoch findet er: „Wie wir uns Musik verschaffen, das ist nicht ortsgebunden“. Tatsächlich umspannen die Einflüsse, die man aus den Tracks der Oracles heraushören kann den ganzen Globus: deutscher Krautrock, brasilianische Psychedelica, Afrobeat und britischer Shoegaze.

„Köln schmort zu sehr im eigenen Saft“, findet Wandt. „Hier ist doch alles sehr überschaubar, du kommst nie wirklich weg vom Szenescheiß. Überall sitzen noch diese 90er-Jahre-Typen an den Hebeln.“ Noch dazu gebe es hier viel zu wenige Spielstätten für unkommerzielle Musik. Zwei Fünftel der Oracles wohnen sowieso schon in Berlin, Wandt und die beiden anderen Kölner ziehen jetzt die Konsequenzen – und ziehen demnächst in die Hauptstadt. Auch für Julian Stetter, der den „90er-Jahre-Typen“ erheblich positiver gegenübersteht, ist der Kölner Platzhirsch Kompakt nur eines von vielen Labels für elektronische, technoide Musik, die ihn interessieren. Und überhaupt würden die Vimes international vor allem der Welle erfolgreicher elektronischer Musik aus Deutschland zugerechnet, das sei gewissermaßen das Qualitätssiegel, mit dem geworben werde. Erfolgreich.

Annenmaykantereit und Neufundland spielen am Mittwoch, 20.8., im Gloria, 20 Uhr

Vimes spielen am Donnerstag, 21.8., auf dem Red-Bull-Tourbus, Hans-Böckler-Platz, 19 Uhr

Oracles spielen am Samstag, 23.8., im Stadtgarten, 20 Uhr

Wyoming spielen am Samstag, 23.8., auf dem Red-Bull-Tourbus, Hans-Böckler-Platz, 20.45 Uhr

In Mexiko spielten Vimes als Vorband der Briten von Hot Chip vor 4500 Zuschauern. Noch beeindruckender sind allerdings die 400 Fans, die sich in Mexiko-City beim Solokonzert von Stetter und Syed einfanden.

Das Vakuum, das der Elektronik-Boom der Jahrtausendwende in der Stadt hinterlassen hat, verschafft jetzt auch anderen Kölner Bands Aufmerksamkeit, die weit aus dem Spektrum der Sounds herausfallen, die man sonst mit der Stadt assoziiert.

Etwa Annenmaykantereit, die anfangs auf der Straße gespielt haben, sich immer noch als Straßenmusiker bezeichnen, aber längst Clubs füllen, auf der c/o pop etwa das Gloria. Oder Neufundland, die ebenfalls am selben Abend im Gloria spielen und deren politisch aufgeladenen Indie-Rock das Klischee nach Hamburg verorten möchte. Bei Wyoming wiederum würden die meisten wohl eher auf England als auf Köln als Herkunftsort tippen.

Den einen Sound of Cologne hat es nie gegeben, heute weniger denn jemals. Dass aber wieder jede Menge interessante Musik aus Köln kommt, ist ein Allgemeinplatz, den man so stehen lassen kann.