Züchter und Gastronom erklärenWas Gans und Gänsebraten in diesem Jahr kosten

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Ein gebratenes Stück Gans liegt mit Sauce, Rotkohl und Kloß auf einem Teller.

Die Gans gehört für einige genau so zur Weihnachtszeit wie Kloß und Rotkohl zum Braten.

Im vergangenen Jahr explodierten die Preise für Gänseessen in vielen Kölner Restaurants. Wie sieht es 2023 aus? Was macht die Gans so teuer?

Aufwendig in der Zubereitung und teuer: Die Gans ist sicher kein Tier, das regelmäßig auf den deutschen Esstischen landet. Zur Weihnachtszeit gehört das Mahl aber in zahlreichen Familien einfach dazu – ob nun zuhause oder im Restaurant. Läuft vielen bei dem Gedanken an eine gebratene Gans das Wasser im Mund zusammen, dürften im vergangenen Jahr angesichts der Preise einige nur geschluckt haben. Denn vielerorts wurde es deutlich teurer. Wie sieht es in diesem Jahr aus? Und warum kostet eine Gans überhaupt so viel?

„So eine Gans ist etwas Besonderes“, sagt Manfred Viander. Wer soll das besser wissen als er? Seine Familie betreibt den Sielsdorfer Gänsehof in Hürth, hat in diesem Jahr knapp 1200 Gänse aufgezogen. Sechs bis sieben Monate brauche eine Gans bis sie groß genug ist, um geschlachtet zu werden. „In der Zeit bin ich nur am Investieren“, sagt Viander. „Das macht die Gans so teuer.“ Im Preis enthalten sind am Ende also auch ein halbes Jahr an Futter- und Energiekosten.

Ein weiterer Grund: Die Gans braucht Platz. Sie wird auf freier Fläche gehalten, nicht in Mastställen. „Das ist ein ganz anderes Tier als zum Beispiel ein Masthähnchen“, betont Heinrich Bußmann, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbands NRW. Die freie Aufzucht birgt aber auch Risiken. In den vergangenen beiden Jahren grassierte die Vogelgrippe auch im Sommer, „Da waren dann weniger Tiere da“, sagt Bußmann. Das trieb den Preis nach oben.

Futter und Strom: Inflation macht die Aufzucht der Gänse teurer

Und 2023? „Bislang sieht es gut aus“, ist Bußmann optimistisch gestimmt. Zu den Preisen sagt er: „Die sind ungefähr gleichgeblieben, tendenziell kostet sie vielleicht einen Euro mehr. Pauschal kann man das aber auch nicht sagen.“ Wer die Gans beim Landwirt kaufe, müsse ungefähr 20 Euro pro Kilogramm einplanen. „Das ist so die Schallgrenze.“ Die meisten blieben knapp darunter, einige lägen leicht darüber.

Manfred Viander hat den Preis für seine Gänse in diesem Jahr etwas angehoben. Die Inflation lässt Viander für Futter- und Energiekosten immer tiefer in die Tasche greifen, bei einem halben Jahr Aufzucht schlägt sich das entsprechend im Preis nieder. Den Euro mehr, den er pro Kilo nun verlangt, habe der Preis für Strom verursacht, erzählt er.

Seine Gänse verkauft der Züchter im Hofladen und liefert sie an einzelne Restaurants. Und trotz des leichten Preisanstiegs: Die 1200 Tiere „gehen so weg“, Probleme mit der Nachfrage habe er keine. „Wenn ich mehr Kapazitäten hätte, könnte ich mit Sicherheit auch das Doppelte verkaufen.“

Tiefkühl-Gans aus Polen oder Ungarn "brauchen nur sechs Wochen"

Weniger Probleme mit Kapazitäten hat die Aufzucht im osteuropäischen Ausland. Denn wer über die Gans und ihren Preis spricht, muss auch – oder besser: vor allem – hierherschauen. Nur knapp 15 Prozent der Gänse auf dem Markt stamme frisch von deutschen Höfen, sagt Verbandsgeschäftsführer Bußmann. Der überwiegende Rest komme als tiefgefrorene Variante aus Polen und Ungarn.

„Stellenweise waren die zu einem Drittel des Preises zu bekommen“, so Bußmann. Warum? Viander nennt „Mittelchen“, mit denen die Tiere schneller wachsen. „Meine Tiere brauchen sechs bis sieben Monate, die Tiere dort sechs Wochen.“ Bußmann ergänzt: geringere Löhne und „Zusatzeinnahmen“. Denn neben dem Fleisch würden die Gänse für die Produktion von Stopflebern genutzt und die Federn gerupft, in Deutschland verbietet das der Tierschutz. Das Fleisch könne so billiger angeboten werden. Doch auch in Polen oder Ungarn würde der Tierschutz langsam einziehen, beobachtet Bußmann. Und damit auch die Preise steigen, in den letzten Jahren „um rund 25 Prozent.“

Dehoga: Hälfte der NRW-Restaurants hebt Gänsepreise an

Wem die Zubereitung zu aufwendig ist, der hat mit den Preisen auf den Gänsehöfen ohnehin erstmal nichts am Hut und geht zum Essen ins Restaurant. In einigen Gastronomien hat es große Tradition, zum Ende des Jahres die Gans aufs Menü zu setzen. Doch ist die Gans teurer, wird es das Gänsemenü in der Regel ebenfalls.

Der Gastronomie-Branchenverband Dehoga hat in Nordrhein-Westfalen kürzlich eine Kurzumfrage durchgeführt. Das Ergebnis: Etwa jedes zweite Restaurant werde seine Gänsebratenpreise um bis zu zehn Prozent anheben. 17 Prozent hätten die Gerichte sogar um bis zu 20 Prozent verteuert, neun Prozent die Preise gesenkt.

Das lässt sich auch in Köln beobachten. Zum Beispiel bei „Christoph Paul's Restaurant“. „Wir sind ja für unsere Gans bekannt“, sagt Christoph Paul. Die kommt aus Frankreich. Und ist in diesem Jahr um drei Euro pro Kilo gestiegen. „Das haben wir eins zu eins so weitergegeben“, so Paul. Im Menü kostet die Gans in diesem Jahr 60 Euro, als einzelner Gang 46 Euro. An der Nachfrage hat das nichts geändert: „Wir sind bis Weihnachten ausgebucht.“

Von Rotkohl bis Maut: Auch im Restaurant werden Kosten weitergegeben

Aber der Preis für ein Gänsemenü richtet sich natürlich nicht nur nach der Gans. Kloßteig, Rotkohl, „das ist auch alles teurer geworden“, sagt Paul mit Blick auf die Inflation. Und Restaurants haben auch andere Kostenpunkte, die sie von den Einnahmen eines Gänsemenüs bezahlen müssen: Personal, Energiekosten oder auch die Wäscherei, um nur drei zu nennen.

Juliane und Christoph Paul stehen nebeneinander

Juliane und Christoph Paul haben auch in diesem Jahr wieder die Gans auf ihrer Speisekarte.

Mit der Mehrwertsteuer kommt ein weiterer Faktor hinzu. Sie war für die Gastronomie im Zuge der Corona-Pandemie von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, um der durch die Krise getroffenen Branche zu helfen. Diese Regelung läuft Ende des Jahres aus und wird nicht verlängert. Ein weiterer Faktor, der die Gans ein kleines Stück teurer machen könnte. Und Christoph Paul nennt weitere: Die CO2-Abgabe steigt, auch bei der Maut gibt es Änderungen. „Das schlagen die Zulieferer ja alles on top.“ Weitergeben könne er das alles gar nicht. „Theoretisch hätte man den Preis noch mehr anheben müssen, aber das wollten wir jetzt nicht.“

Kunden akzeptieren moderate Preisanstiege

Das Geschäft mit der Gans sei wichtig, sagt Christoph Paul. Zwar denkt er, dass das Restaurant auch ohne Gans voll wäre. „Aber die Leute, die aktuell zu uns kommen, essen fast ausschließlich Gans.“ Macht er sich Sorgen, dass das angesichts steigender Preise auch in Zukunft so sein wird? „Unsere Gans ist in den vergangenen Jahren stetig im Preis gestiegen. Wir haben auch ein zahlungskräftiges Publikum, aber wenn wir das alles so weitergeben, kommen Gäste vielleicht nur noch einmal statt zwei- oder dreimal im Monat.“ Aktuell seien die Reaktionen aber eher positiv, da der Preisanstieg „moderat“ sei.

Zurück zum Anfang der Gänselieferkette, auf den Hof von Manfred Viander. „Ich glaube, egal ist das keinem“, sagt Viander zu den kletternden Preisen. Aber auch er macht die Erfahrung: „Das wird akzeptiert.“

Vielleicht auch, weil er seinen Kundinnen und Kunden etwas entgegenkommt. Gewinn macht er laut eigener Aussage nicht mehr so viel wie noch vor ein paar Jahren. „Aber ich kann ja trotzdem noch davon leben.“ Ein Ende der Preisspirale ist angesichts der an vielen Stellen steigenden Kosten wohl erstmal nicht auszumachen. Dehoga rechnet allein aufgrund der Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer mit Anstiegen von 15 Prozent im kommenden Jahr. 

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