Eins der ersten seiner ArtVegetarisches Restaurant Grünlilie in Köln-Sülz schließt

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Am Weyertal 15 wird es keine Grünlilie mehr geben. 

Sülz – Zwischen den hoffnungsvoll grün gestrichenen Wänden herrscht Abschiedsstimmung. Eine junge Frau zahlt an der Theke. „Das ist jetzt wohl das letzte Mal“, sagt sie traurig. „Vor Weihnachten schaffe ich es nicht mehr. Ich hoffe, man sieht sich noch einmal.“ Aus Gästen sind Freunde geworden, in den vergangenen Jahrzehnten. Seit 1986 gibt es das vegetarische Restaurant „Grünlilie“ am Weyertal – ab heute nicht mehr. Es schließt seine Pforten – in einem Viertel, wo nachhaltiger Lifestyle boomt und mehr und mehr Menschen auf den Fleischkonsum verzichten.

Schlussstrich aus gesundheitlichen Gründen

Ein Mangel an Kunden ist nicht der Grund für den Exodus der Grünlilie. Gesundheitliche Probleme der Wirtin sind die Ursache für den Schlussstrich unter einer lange Gastronomie-Geschichte. Elke Paliantis ist mittlerweile 64 Jahre alt und möchte sich schonen, weil ihr Körper gerade nicht mehr mitspielt. Ihr Mann, der das Lokal mit betreibt, hat bereits seinen 77. Geburtstag gefeiert. „Wie lange sollen wir das denn noch machen?“, das habe er sie schon häufiger gefragt. Seit 48 Jahren steht Paliantis nun schon am Herd.

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Elke 

Aufgewachsen ist sie im Sauerland. In Meschede hat sie eine Ausbildung zur Köchin absolviert, ihren Mann kennengelernt und dann mit ihm zunächst acht Jahre in Osnabrück ein Restaurant geführt, wo sie auch noch Fisch und Fleisch servierte. Später zog es sie nach Köln, auch aus privaten Gründen. Hier eröffnete sie die „Grünlilie“ – zusammen mit ihrer Schwester und ohne Fleisch. Paliantis selbst mochte es nicht mehr essen und in ihrem Lokal sollte nur auf den Teller kommen, was ihr selbst schmeckt. Als ihre Schwester heiratete und schwanger wurde, schied sie aus dem Betrieb aus. Ihr Ehemann rückte nach.

Pionierin der vegetarischen Küche

In den 80er-Jahren zählte Elke Paliantis zu den Pionieren der vegetarischen Küche in Köln und erkochte sich schnell eine Stammklientel. „Einfach, aber gleichbleibend gut“, so lautet ihre Devise. In Paliantis’ Topf schmorten statt zahlreicher ausgefallener Zutaten, wenige und hochwertige Bio-Produkte aus dem Umland. Die Kartoffel-Rösti à la Grünlilie mit Champignons und Marktgemüse in Pfefferrahm waren das Lieblingsgericht vieler Stammbesucher. Zu denen zählten Prominente genauso wie Schüler der benachbarten Gymnasien und junge Fridays-for-Future-Aktivisten, die zugleich überzeugte Vegetarier sind.

Aber auch einige Grundschuleltern schickten ihre sieben und achtjährigen Pänz mittags in die Grünlilie: „Ihr geht jetzt mal zu Elke essen.“ Das Vertrauen in die Wirtin und ihre Kochkünste war groß. Sie gehörte bei vielen fast zur Familie. „Dabei bin ich streng“, sagt Paliantis, „aber liebevoll“. Besonders zuletzt: Die Gäste durften sich nicht hinsetzen, wo sie wollten, mussten die Corona-Regeln ganz genau beachten. Die Handys mussten ausgestellt sein.

Weinproben und private Feiern

Hunde mussten draußen bleiben. Aber natürlich habe sie mit ihrer Kundschaft in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel Spaß gehabt, viele Feste gefeiert. „Wir haben Weinproben veranstaltet“, erzählt Paliantis. „40 bis 50 Flaschen standen auf dem Tisch. Manche Gäste haben sich so viel hinter die Binde gekippt, dass sie kaum noch auf den Beinen stehen konnten.“ Auch an eine andere Feier erinnert sie sich gerne: „Hier fand das schönste Hochzeitsessen statt, das ich je erlebt habe. Ein schwules Pärchen hat geheiratet und hier die Tafel selbst dekoriert mit weißen Tischtüchern und Porzellan sowie pompösen Kronleuchtern.“ Es sei ein Fest mit einer besonderen Atmosphäre gewesen.

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Die meisten Gäste waren Paliantis seit Jahrzehnten treu. „Nun wollen sie alle das Rezept für meine Vanillemousse“, stöhnt die Wirtin. Aber da müssen sie warten. Erst einmal muss ich wieder gesund werden.“ Dann möchte Elke Paliantis ein Buch schreiben mit ihren gesammelten Rezepten und vielen Geschichten, die sich in ihrem Lokal zugetragen haben. Das Kapitel „Grünlilie“ ist dann für sie in ihrer Lebensgeschichte endgültig zugeschlagen. Eine junge Frau übernimmt den Betrieb und möchte künftig den Mittagstisch weiterbetreiben. Abends sollen allerdings andere Gerichte auf der Karte stehen – mit Fisch und Fleisch. Das Restaurant wird dann anders heißen. Die Grünlilie wird aber im Gedächtnis der Sülzer weiter blühen.

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