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Vater-Kind-Turnen in KölnWo der Spielplatz zum Fitness-Studio wird

Lesezeit 5 Minuten

Wärend der Nachwuchs im Sandkasten spielt, kann Papa die Rutsche für Klimmzüge nutzen.

In einem Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zum Thema Männergesundheit vom Dezember vergangenen Jahres heißt es: „Regelmäßiger sportlicher Aktivität stehen auch Barrieren gegenüber (...) neben physischen, emotionalen, motivationalen und angebotsbezogenen Barrieren stehen zeitliche Gründe, die durch verschiedene Lebensumstände, wie zum Beispiel die Betreuung eines Kindes, auftreten, für Männer (und Frauen) an erster Stelle.“ Das Kind ist also eins von etlichen Umständen, die von den für den Bericht befragten Männern als Sporthindernis angegeben werden. Außerdem legen die Daten des RKI „eine erhöhte Aufhörquote bei Männern mit unter sechsjährigen Kindern nahe, verglichen mit Männern, die keine oder ältere Kinder haben“. Kleine Kinder – großes Hindernis also?

Nicht in die Kinderfalle tappen

Zumindest wenn es um Sport geht. Auch Andreas Lober, von Beruf Manager bei einem Maschinenbauer in Süddeutschland und ehemals Leichtathlet, tappte in die Kinderfalle – fast. Durch berufliche Reisen oder nach langen Tagen am Schreibtisch fehlte die Zeit für den sportlichen Ausgleich. Doch irgendwann erklärte er sein Wohnzimmer kurzerhand zum Fitness-Studio. Als er Liegestütze und anderes absolvierte, begannen seine drei und sechs Jahre alten Kinder um ihn herumzuklettern und zu -turnen. Die Idee, die Kinder aktiv in sein Sportprogramm zu integrieren war geboren.

Spiele in den Sport einbauen

Auch Professorin Christine Graf von der Deutschen Sporthochschule Köln glaubt, dass sich Kinder und Eltern gemeinsam bewegen können – mit ein wenig Fantasie zumindest. „Natürlich kann man mit einem Dreijährigen noch nicht joggen, aber man kann ihn auf dem Laufrad nebenher strampeln lassen.“ Ältere Kinder hätten sicher Spaß an Kick-, Long- oder Skateboard. Alles, was rollt, könne Kinder motivieren, Große beim Laufen oder Radfahren zu begleiten. Ein probates Mittel sei es, Spiele einzubauen, um die kleinen Sportler bei der Stange zu halten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie man Kinder in den Sport integriert.

„Zählen etwa, wenn der Papa Übungen macht“, sagt Andreas Ullrich, Fitnesstrainer und Ko-Autor des Buches „Power-Papa“, der viele Übungen ausgetüftelt hat und im Kindergarten erprobte. „Die Kinder wollen oft gar nicht mehr aufhören und so muss der Vater unversehens mehr Übungen machen, als er wollte.“ Tatsächlich könne man aber nichts erzwingen. Vater und Kinder müssten im gemeinsamen Tun herausfinden, welche Übungen besonders gut funktionieren. Bei Ulrichs Kindergarten-Kindern sind Deckenübungen besonders beliebt. Dabei wird das Kind in eine Decke gelegt und zwei Trainingspartner heben die Decke samt Kind in die Höhe. Die Väter trainieren dabei Arme und Rücken, während die Kinder vor Vergnügen juchzen.

Fitness der Väter steht im Vordergrund

Grundsätzlich fallen die Übungen in zwei Bereiche: Kinder trainieren mit, machen das Gleiche wie der Vater, etwa bei einfachen Bewegungsübungen. Oder sie sind Zusatzgewichte für die Väter bei Stemm- und Hebeübungen. Da die Fitness der Väter und nicht der Spaß der Kinder im Vordergrund stünde, könne es aber auch mal sein, dass der Vater eine Übung macht und das Kind in der Zeit rutscht oder eine Sandburg baut.

„Ein Erfolg für mich wäre, wenn Väter, die bisher mit einer Hand die Schaukel anschubsen und mit der anderen auf dem Smartphone tippen, mehr Zeit gemeinsam aktiv mit ihren Kindern verbringen“, so Ulrich. Oder, wie Christine Graf es pragmatisch formuliert: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Sportpark.“ Gejammer von Kindesseite dürfe aus ihrer Sicht auch einmal wohlmeinend ignoriert werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite ein Interview mit Andreas Lober, Autor von „Powerpapa! Das beste Fitnessprogramm für Väter“.

Andreas Lober ist Manager und beruflich stark eingespannt. Sport macht er zur Not im heimischen Wohnzimmer. Mit unserer Autorin Lioba Lepping sprach er über Fitness-Programme mit Kindern.

Wieso brauchen gerade Väter ein besonderes Sportprogramm?

Wir, mein Ko-Autor Andreas Ullrich und ich, hatten das Gefühl, dass Frauen mit Fitnesskursen und -ratgebern für Mama und Kind schon ganz gut versorgt sind und bei Männern noch ein gewisser Nachholbedarf herrscht. Wir haben das Buch also ganz bewusst für Männer konzipiert. Es eignet sich aber genauso gut für Frauen, außerdem gibt es auch Übungen, die mit der Partnerin gemeinsam ausgeführt werden können.

Welche Übungen gefallen Ihren Kindern am besten?

Am liebsten gehen wir natürlich nach draußen auf die Wiese oder einen Spielplatz. Wir haben in der Nähe auch einen Fitness-Parcours, der sich gut eignet. Den Kindern gefallen die Übungen mit viel Action am besten. Also solche, wo ich die Kinder hochstemme oder durch die Luft wirbele. Die Übergänge vom Toben zum Sport sind dabei fließend.

Andreas Lober, Andreas Ulrich, „Powerpapa! Das beste

Fitnessprogramm für

Väter“,

Komplett Media, 176 Seiten, 19,95 Euro

Übungen so lang wie eine Folge Biene Maja

Was machen Sie, wenn die Kinder lieber Fernsehen schauen wollen?

Unsere Übungseinheiten dauern nur etwa 20 bis 30 Minuten – also eine ähnliche Aufmerksamkeitsspanne wie bei einer Folge Biene Maja im Kinderfernsehen. Das schaffen auch Dreijährige. Und man kann zwischendurch auch immer wieder eine Übung ohne Kind machen. Für Väter, die zum ersten Mal unsere Übungen angehen, ist es übrigens gar keine schlechte Idee, direkt neben dem Fernseher das Training zu beginnen und so die Neugier der Kinder zu wecken. Nach ein paar Minuten wird das Programm von Papa bestimmt spannender sein als das auf dem Bildschirm.

Was können Sie von Ihren Kindern lernen in Sachen Sport?

Für Kinder und Babys ist Bewegung ein ganz natürlicher Bestandteil des Alltags, während wir Büromenschen uns dafür extra Zeit freischaufeln müssen. Außerdem scheuen Erwachsene sich oft, Neues zu lernen, während Kinder Spaß haben am Ausprobieren und oft eine erstaunliche Ausdauer darin zeigen, neue Bewegungsabläufe einzuüben. Springen, Rollen, Balancieren – all diese Dinge macht ein Kind freiwillig, während wir uns darauf einlassen müssen.