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Schock-Werners Adventskalender (8)Die Plastiktüte der Antike

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Diese römische Amphore wurde im antiken Köln nach ihrer Verwendung für den Öltransport recycelt - für einen ganz und gar anderen Zweck.

Diese römische Amphore wurde im antiken Köln nach ihrer Verwendung für den Öltransport recycelt - für einen ganz und gar anderen Zweck.

Der große Bestand antiker Amphoren im Römisch-Germanischen Museum ist auch ein Glücksfall für Wirtschaftshistoriker

Amphoren waren zur Zeit der alten Griechen und Römer das am meisten benutzte Behältnis für den Transport von Lebensmitteln. Marcus Trier, der Direktor des Römisch-Germanischen Museums (RGM) nennt die bauchigen Tongefäße die Plastiktüten der Antike. Als Einwegverpackungen wurden sie nach Entnahme des Inhalts zerdeppert, die Scherben weggeworfen.

Am Warenumschlagplatz Köln mit seinem regen Fernhandel auf dem Rhein wurden Amphoren in rauen Mengen entsorgt. Dementsprechend viele Bruchstücke haben die Zeiten überdauert und finden sich noch, wenn man nur an der richtigen Stelle tief genug gräbt.

Sensationsfund am Kölner Kurt-Hackenberg-Platz

Auf den Amphoren befanden sich aufgepinselte Beschriftungen. Diese „tituli dipincti“ waren der Barcode der Antike: Sie enthielten Angaben zu Inhalt mit Nettogewicht und Tara, dem Verpackungsgewicht, dazu den Namen des Herstellers. Erhalten sind leider nur sehr wenige dieser Tituli, weshalb ein Fund am Kurt-Hackenberg-Platz beim U-Bahn-Bau ein echter Sensationsfund für Wirtschaftshistoriker war: Aus insgesamt 80.000 Amphorenfragmenten konnten die Kölner Archäologen rund 400 Tituli rekonstruieren. Das ist nach Angaben von Marcus Trier der größte Bestand nördlich der Alpen.

Zu lesen ist unter anderem, dass die Kölner Fischsoße (Garum) aus Pompeji bezogen. Dort gab es bis zum Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christus einen Starproduzenten namens Aulus Umbritius Gaurus. Mit seiner Soße beherrschte er die Hälfte des Marktes im gesamten römischen Reich. Sein Palast in Pompeji zeugt von erfolgreichem Unternehmertum. Das Garum und andere Waren aus dem gesamten Mittelmeerraum – zum Beispiel Wein aus Kleinasien, Kreta, Latium, Ligurien, aus der Provence und Südspanien oder Olivenöl aus Spanien, Portugal und Tunesien - wurden mit Seeschiffen bis nach Marseille und dann die Rhone hoch, über die Burgundische Pforte zum Rhein um weiter mit Flachbodenschiffen bis nach Köln gebracht. 40 bis 60 Tonnen konnte so ein Transporter mit Amphoren tragen.

Geld stinkt nicht

Eine davon haben die Archäologen des Museums aus ihren Einzelteilen zusammengepuzzelt. Ihre Scherben stammen von einer Ausgrabung am Waidmarkt vor dem Bau des Polizeipräsidiums. Die Amphore sieht auf den ersten Blick aus wie komplett erhalten. Aber wenn Sie einmal herumgehen, werden Sie ein Loch entdecken – kreisrund und fein säuberlich aus dem Ton ausgeschnitten.

Aus den erhaltenen Einzelteilen haben die Archäologen diese Amphore im Römisch-Germanischen Museum zusammengepuzzelt.

Aus den erhaltenen Einzelteilen haben die Archäologen diese Amphore im Römisch-Germanischen Museum zusammengepuzzelt.

Nun raten Sie mal, welche Bewandtnis es damit hatte? Marcus Trier weiß es: Diese Amphore nach ihrer Erstverwendung für den Transport mutmaßlich von Olivenöl aus Spanien weiterbenutzt: als Urinal. Ungelogen! Der darin aufgefangene Urin ließ sich wegen der enthaltenen Harnsäure als Gerbmittel einsetzen. „Pecunia non olet“, Geld stinkt nicht, wusste schon der römische Kaiser Vespasian. Der soll das über die Idee einer Latrinensteuer in der Hauptstadt seines Reiches gesagt haben. Aber hier passt der Spruch auch.

Man geht davon aus, dass im antiken Köln überall in der Stadt solche Amphoren zur öffentlichen Verrichtung herumstanden. Ich sage jetzt nicht, auf welche Gedanken mich das angesichts der Misere mit den Wildpinklern im heutigen Köln bringt.

Aufgezeichnet von Joachim Frank


In unserem Adventskalender stellt Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:
www.ksta.de/weihnachten

Das Römisch-Germanische Museum ist für die Dauer der Sanierung im Belgischen Haus, Cäcilienstraße 46, 50667 Köln untergebracht. Es ist das einzige der städtischen Museen, das montags geöffnet und dienstags geschlossen ist. Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr. Verlängerte Öffnung bis 22 Uhr am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat. Um die Feiertage ist das RGM am 23., 24., 25., 30. und 31. Dezember sowie am Neujahrstag geschlossen. Eintritt: 6 Euro (ermäßigt 3,50 Euro).