Ganz sanft und kaum zu fassen

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Jörg Follert alias Wechsel Garland macht eine Musik mit vielfältigem Einflüssen.

Jörg Follert alias Wechsel Garland macht eine Musik mit vielfältigem Einflüssen.

Was Jörg Follert tut, tut er aus „Liebe zur Musik“. Als Wechsel Garland hat er jetzt sein zweites Album veröffentlicht. Davon leben kann er - noch - nicht.

Fast ein wenig abschreckend klingt das, so nach „ein bisschen Spaß muss sein“, „Musikantenscheune“ oder „Marianne und Michael“, dieser letzte Satz der Selbstdarstellung des Kölner Plattenlabels Karaoke Kalk: „Vor allem ist sie [die Musik von Karaoke Kalk] immer eines, nämlich sympathisch.“ Im Internet ist das nachzulesen, und entsprechend vorgebildet klingelt man an einem dieser schön alten, schön restaurierten Häuser an der viel zu lauten Riehler Straße. Jörg Follert, Künstlername Wechsel Garland, ein schmaler Mann von 34 Jahren, barfuß, das schwarze Hemd locker über der Hose, wartet an der Wohnungstüre. Von drinnen krähen Kinder, und Jörg Follert sagt mit Bedauern in der Stimme, dass er - weil er sich um Myrna (3) und Moritz (6) kümmern muss - eigentlich gar keine Zeit habe. Er nimmt sie sich dann doch, die Zeit, stellt zwei Stühle ans Fenster zum für Kölner Verhältnisse ungewohnt offenen, grünen, geradezu berlinerisch anmutenden Hinterhof. Und die Kinder lässt er wuseln. Da kann man dann gar nicht anders, als so ein Verhalten einfach sympathisch zu finden.

Vor ein paar Wochen ist sein drittes Album erschienen, sein zweites unter dem Künstlernamen Wechsel Garland. Wieder ist es eine sanft klingende Mixtur voller Assoziationen, voller Anklänge an Stile wie Reggae, Dub, auch Postrock oder Minimal-Techno, und deshalb schlicht schwer zu fassen. Analoge Klänge - Xylophone, Gitarre, Orgeln - dominieren, doch arrangiert ist es digital. Zur Namensfindung will er nichts weiter sagen, außer, „dass der assoziativ entstanden ist“, und „dass ich nicht wieder was haben wollte, was so catchy ist wie «Wunder»“. „Wunder“ hieß sein erstes Album, eine der ersten Album-Veröffentlichungen auf Karaoke Kalk, mit - das kann Jörg allerdings gar nicht genau sagen - um die 10 000 verkauften Einheiten weltweit gleich „ein guter Startschuss“, findet der Musiker. Kann man so sehen. „Worte sind mir wichtig“, fügt er noch hinzu. So sorgsam geht er damit um, dass er in seiner Musik weitgehend auf Text verzichtet. „Worte sind immer auch Interpretationen. Deshalb konnte es auch nur eine einzige Platte mit dem Namen Wunder geben. Denn jedes Wunder gibt es nur einmal.“ Andere suchen ihr Musikerleben lang nach einem „catchy“ Titel und finden ihn nie, Jörg Follert liebt das Dezente. (Und außerdem, aber das nur am Rande, gibt es in Hamburg eine Crossover-Band namens „Wunder“.

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Worte sind Jörg also nur wichtig, zur Musik hat er ein innigeres Verhältnis. „Aus Liebe zu ihr“ macht er das, was er macht, so und nicht anders - ob als DJ im „Elektra“ oder als Produzent. Dass „man heute ja auch Musik machen kann, ohne die ganzen Instrumente gelernt zu haben“, ist ein Glücksfall für ihn. An seinem Instrument, der Gitarre, ist er nach eigener Einschätzung „handwerklich nicht so begabt“.

Als Musiker hat er die „klassische Karriere“ hinter sich - Gitarrengriffe üben mit 20, dann die erste Band. „Aber ich bin dabei nie froh geworden: immer diese Organisiererei, die Abhängigkeit von anderen Leuten.“ Also stellte er die Klampfe in die Ecke und wurde Grafiker. Als Screendesigner beim Musiksender Viva verdient er noch immer sein Geld, „meinen Brotjob“ nennt er das. Irgendwann dann „wollte ich wissen, wie man Breakbeats macht“.

Der Computer, der sonst zur Arbeit diente, entpuppte sich als brauchbare Musikmaschine. Das Spiel mit Drum 'n' Bass und seinen eckigen Beats wurde ihm jedoch alsbald zu langweilig. Für immerhin zwei Veröffentlichungen 1997 auf Karaoke Kalk („meinem Zuhause-Label“) hat das Interesse aber noch ausgereicht. Danach machte er sich auf die Suche nach seinem eigenen Sound und fand ihn schon auf „Wunder“. „Die Platte ist ganz von alleine so langsam um die Welt geschlichen“, wundert er sich selbst. Denn einen Promotion-Etat hat so eine kleine Plattenfirma nicht.

Plötzlich gab es - das erste Wechsel Garland-Album war gerade unterwegs - eine Einladung aus Tokio, dort live zu spielen. Und Jörg wusste: „Ich brauche wieder eine Band.“ Einige Male war er schon aufgetreten, allein, mit einem Laptop als einzige Klangquelle. „Das war weder für mich noch für das Publikum interessant: Ein Typ steht auf der Bühne und dreht ab und zu an einem Schräubchen. Völlig uninspiriert.“ Nicht nur nach Japan, auch in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires ging 2000 und 2001 die Reise mit einer Ton-Band- und Live-Band-Lösung in der Besetzung Schlagzeug, Gitarre, Synthesizer und Sängerin. „Aus PC-Musik wieder Band-Musik zu machen, ist anstrengend. Vor allem, weil ich selbst hart üben muss“, sagt Jörg. Aber den „Spaß, mit Leuten zusammen zu spielen“ hat er auf diese Weise neu entdeckt.

Derzeit stellt Jörg eine neue Band zusammen, diesmal „komplett live“, ganz ohne Klangzusatz vom DAT-Rekorder. Das Album dient dabei nur zur Inspiration, nicht als Partitur. Ohnehin ist es beim Hören der Studioaufnahmen schwer vorstellbar, dass eine Band die Stücke Ton für Ton nachspielen könnte. Das ist auch nicht Ziel, im Gegenteil: „Wir sehen das ganz frei“, sagt Jörg. „Wir wollen diesen bestimmten Effekt im Publikum: Ah, das ist das Stück von der Platte, aber das ist ja jetzt ganz anders.“ Bis Herbst oder Winter, so rechnet er, wird es dauern, bis er und die Band fit genug sind für eine Deutschland-Tour. Zuvor, im August, steht noch ein neuerlicher Abstecher nach Japan an, diesmal aber nur mit Platten im Gepäck, weil er auf einem Festival den DJ geben soll.

All das geschieht - wie bereits erwähnt - zurzeit nur nebenbei. „Einen Ausstieg aus dem Beruf muss man gut vorbereiten“, weiß Jörg, der beklagt, „dass es einen aufreibt auf auf Dauer, immer noch Geld auftreiben zu müssen für die Musik, die doch bislang nur ein Hobby ist“. Aber in absehbarer Zeit sollen seine Klänge auch das (Über-)Leben finanzieren. Diesen Wunsch hat er gemein mit vielen Künstlern der „Klangproben“-Serie. Nur dass er schon ein paar Schritte weiter ist als die meisten. „Möglichkeiten, seine Musik zu präsentieren gibt es genug“, meint er, „man muss sie nur nutzen.

Nebenan kriegen sich Myrna und Moritz in die Wolle. Die Kleine flüchtet zum Papa. Der schweigt erstmal und lässt Myrna auf seinem Schoß die Bitternis der Welt beklagen. „Natürlich helfen mir die beiden auch in meiner Musik - einfach, weil ich gerne Papa bin“, wird er später noch sagen. „Aber manchmal sind es solche Sackratten!“ Doch so, wie Jörg Follert das sagt, ist es einfach sympatisch.

Musiker, die vorgestellt werden möchten, wenden sich an den „Kölner Stadt-Anzeiger“, Ruf: 224-2323 / 2297, e-mail: KSTA-Stadtteile@mds.de, Anschrift: Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln. Bewerber sollten aktuelle Musikproben zusenden, auf CD oder als Sound-Datei mit einer e-mail. Musikbeispiele der Bands, die in der Reihe vorgestellt werden, sind unter  www.ksta.de/ klangprobe zu hören.

 www.ksta.de/klangprobe

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