„Das ist eine Durchseuchung mit Ansage“An Kölner Grundschulen herrscht ein Test-Chaos

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Ein Corona-Selbsttest in einer Grundschulklasse

Köln – In vielen Kölner Grundschulen herrscht seit Mittwoch Chaos. Quasi über Nacht hatte das NRW-Schulministerium das bisher praktizierte Corona-Testverfahren geändert. Die Schulen wurden am späten Dienstagabend in Kenntnis gesetzt – keine zwölf Stunden später musste es bereits umgesetzt werden. „Eine solch kurzfristige Änderung mit so gravierenden Folgen hat uns fassungslos gemacht“, sagt Eva-Maria Zimmermann, Geschäftsführerin des Stadtverbands Köln der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Viele Schulleitungen sind richtig sauer.“

Bei einer GEW-Mitgliederversammlung am Mittwochabend sei die geänderte Teststrategie das beherrschende Thema gewesen. „Einerseits möchte die Politik - in Zeiten von explodierenden Infektionszahlen – unbedingt den Präsenzunterricht aufrecht erhalten und andererseits fährt man die PCR-Tests runter. Bei allem Verständnis für überlastete Labore: Die logische Folge müsste doch sein, die Laborkapazitäten auszuweiten“, findet Zimmermann. „Das ist die politische Kapitulation vor dem Virus, ausgetragen auf dem Rücken der Kinder und Lehrenden. Es findet eine Durchseuchung mit Ansage statt.“

Eltern müssen ihr positiv getestetes Kind abholen

Bei der GEW-Mitgliederversammlung hätten viele Lehrende von ihren Erfahrungen des ersten Schultags mit neuem Test-Prozedere berichtet. Dabei habe es mehr Fragen als Antworten gegeben. „Wie soll mit einem positiv getesteten Kind konkret umgegangen werden, bis die Eltern es abholen?“ In einem Fall seien Eltern telefonisch zunächst nicht erreichbar gewesen. Das Schulministerium verlangt Eltern ein großes Maß an Flexibilität ab, und fordert sie auf, ihr Kind im Fall eines positiven Schnelltests in der Schule „unmittelbar“ abzuholen und an den Tagen der Testung eine „mögliche Abholung in den frühen Morgenstunden sicherzustellen“.

Wie soll das in der Praxis ablaufen, wenn Eltern berufstätig sind, vielleicht als medizinisches Personal gerade im Operationssaal oder als Lehrer vor einer Klasse stehen? „Solche konkreten Einzelfälle sind vor Ort mit den Schulleitungen zu besprechen, so dass eine Aufsicht beziehungsweise Vertretung sichergestellt werden kann“, hieß es dazu auf Anfrage dieser Zeitung aus dem Schulministerium. Die Anpassungen der Regelungen seien für die Eltern „natürlich eine belastende Herausforderung“, die dennoch aktuell nicht vermieden werden könne. Das Ministerium halte den nun eingeschlagenen Weg „im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten für zielführend, um weiter den Präsenzunterricht abzusichern“, hieß es weiter.

Eine Sozialpädagogin, die an einer Grundschule im Rechtsrheinischen arbeitet, berichtet von einem immensen Aufwand: Von vier Klassen seien am Dienstag drei Pools positiv ausgefallen, am Mittwoch (da waren die übrigen vier Klassen mit dem Pooltest an der Reihe) vier; sämtliche Kinder der jeweiligen Pools mussten am Folgetag getestet werden. Das Kollegium hat – unterstützt von Mitarbeitenden des Offenen Ganztags – eine Teststation auf dem Schulhof eingerichtet, um die Kinder gestaffelt zu testen, in Zeitfenstern zwischen 8.15 Uhr und 10 Uhr. „Es geht dadurch eine Menge Unterrichtszeit verloren.“

Kölner Pädagogin: Kinder können Test nicht sicher durchführen

Ein Pool habe nicht aufgelöst werden können, alle Schnelltests am nächsten Tag fielen negativ aus. Das wundert die Sozialpädagogin nicht: „Selbst Dritt- und Viertklässler führen den Test nicht so durch, dass ein sicheres und valides Ergebnis dabei heraus kommt.“ Es seien Ekel und Abneigung im Spiel, aber auch feinmotorisch seien die Tests eine Herausforderung. „Da wird Flüssigkeit verschüttet oder zu wenig oder zu viel ins Testkit geträufelt. Einige Kinder brauchen viel Hilfestellung von uns. Aber im Unterschied zum Personal im Testzentrum sind wir nicht so gut ausgestattet, was Schutzkleidung angeht.“ Für einige Kinder mit positivem Schnelltest sei es eine „sehr erschreckende und traumatische Erfahrung, sie haben Angst. Das können wir gar nicht auffangen, wie es nötig wäre“.

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„Die Lehrenden fühlen sich alleingelassen“, berichtet Zimmermann. „Wie sollen Mitschüler und Lehrer geschützt werden, wenn die Kinder im Klassenraum die Maske für den Nasenabstrich absetzen, daraufhin niesen müssen und sich Viren dadurch verbreiten?“ Letztlich bleibe den Schulen nichts anderes übrig, als individuelle und mitunter kreative Lösungen zu entwickeln. „Alle müssen improvisieren“, sagt die Kölner GEW-Geschäftsführerin.

Kölner Schule testet Kinder auf dem Schulhof

Die Michael-Ende-Schule in Ehrenfeld lässt die Kinder eines positiven Pools ebenfalls draußen auf dem Schulhof die Schnelltests durchführen - unter Anleitung und Aufsicht einer Lehrkraft. Alternativ können sie ein negatives Ergebnis eines Testzentrums vorzeigen. Nur negativ getestete Schüler dürfen die Schule betreten. Bei positivem Test werden die Eltern informiert. Andere Schulen wie die GGS Müngersdorf fordern die Eltern ausdrücklich dazu auf, im Falle eines positiven Pools die betroffenen Kinder vor Schulbeginn in einem Testzentrum testen zu lassen, um einerseits das erhöhte Infektionsrisiko für alle Beteiligten zu minimieren und andererseits traumatische Erfahrungen bei positivem Ergebnis in der Schule mit der damit verbundenen Isolation des Kindes zu ersparen.

Doch auch daraus resultieren neue Herausforderungen. Da es sich um einen tagesaktuellen Nachweis handeln muss, kommen nur Testzentren in Frage, die vor 8 Uhr öffnen. Allerdings hat nur ein Bruchteil der derzeit rund 350 Teststellen in Köln (darunter Apotheken und Arztpraxen), die auf der Internetseite der Stadt Köln aufgelistet sind, schon vor Schulbeginn geöffnet.

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