„Jetzt rege ich mich auf“Meine verstörenden Erfahrungen mit dem Kölner Autobahnkreuz

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Fünf Jahre lang war das rote Kreuz ein vertrauter Anblick für unseren Kolumnisten Frank Nägele.

  • In seiner Kolumne „Jetzt rege ich mich auf” bewertet Frank Nägele die aktuelle Nachrichtenlage oder einfach nur das, was er täglich so erlebt.
  • Die Baustelle auf der Kölner A3 hat er fünf Jahre lang erlebt und vor allem erlitten – wie Tausende andere Autofahrer auch auf dem Arbeitsweg.
  • Anlässlich des mehrtägigen Eröffnungs-Hickhacks lässt er seine verstörenden Erlebnisse noch einmal Revue passieren – und würdigt dabei auch noch einmal das planerische Debakel am Kalktunnel.

Dies ist die Geschichte von 200 Metern Straße, die fünf Jahre lang nicht benutzt werden durften, obwohl sie intakt und in bestem Zustand waren. Wir reden nicht von einem Feldweg im Nirgendwo, sondern von einem Abschnitt an einer der am meisten befahrenen Autobahnstrecken Europas, der Kölner A 3. Seit Montagmorgen sollte in Richtung Norden der Weg direkt nach Köln über die B55 und den Kalker Tunnel wieder befahrbar sein. Ich wollte mich schon freuen. Aber dann hat es doch wieder nicht funktioniert, und sie haben als Erklärung etwas von einer kaputten Fräse erzählt. Genauso gut hätten sie es mit einem biblischen Fluch begründen können.

Der Alptraum im Alptraum

Oder mit Folklore, denn es kann offenbar nicht mit dem lokalen Lebensgefühl vereinbar sein, wenn etwas wie angekündigt funktioniert. Das gilt selbstverständlich auch für das angekündigte Ende eines jahrelangen Alptraums, das zu einem Alptraum im Alptraum wurde.

Wenn es eines Tages zum Weltuntergang kommen muss, sollte man ihn der wunderbaren Behörde „Straßen NRW“ in Kooperation mit der Stadt Köln zur Abwicklung überlassen. Sie würden natürlich auch das nicht ordnungsgemäß hinkriegen. Dem Planeten wäre eine ewige Existenz gewiss.

Vorläufig regiert aber der Ärger über 200 Meter Straße. Er wird nicht so schnell verfliegen. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, und die Stunden, die bei erzwungenen Umwegen im labilen Kölner Straßennetz vergingen, können nicht einfach vergessen werden. Am verrücktesten war das letzte halbe Jahr, in dem „Straßen NRW“ auf die Schnapsidee kam, die verbotene Zufahrt nach Köln als Arbeitsfläche für kommende Reparaturen an der A 4 zu benutzen, obwohl der Kalker Tunnel wieder halbwegs normal befahrbar war.

Was macht die Behörde?

Und so lag die Auffahrt vor dem Fahrer wie ein saftiger Apfel in der griechischen Mythologie vor dem phrygischen König Tantalos, der im Angesicht aller Köstlichkeiten die ewigen Qualen von Hunger und Durst ertragen musste, weil er gegen die Götter gefrevelt hatte. Immer, wenn er nach den Leckereien griff, entschwanden sie.

Und das wäre auch mit diesen 200 Metern Straße immer weiter so gegangen, wenn nicht ein Sturm der Entrüstung aus Köln für ein neues Denken gesorgt hätte. Wobei: Denken scheint ein hochtrabender Begriff für die Erwägungstätigkeit in den entscheidenden Behörden.

Frank Nägele ist Redakteur im Sport-Ressort. In seiner Kolumne schreibt er über alles, was (ihm) im Leben wirklich wichtig ist.

Frank Nägele ist Redakteur im Sport-Ressort. In seiner Kolumne schreibt er über alles, was (ihm) im Leben wirklich wichtig ist.

Auch wer Straßen nicht mag, muss akzeptieren, dass es keine schädlichere Straße gibt als eine, die nicht benutzt werden kann. Boden zu versiegeln ist ein schwerer zivilisatorischer Eingriff in die Natur, der noch schlimmer wird, wenn diese Fläche, die alles natürliche Leben verhindert, zu nichts anderem taugen darf. Es ist unmöglich, einen positiven Effekt darin zu sehen. Stockender Verkehr erzeugt mehr Schadstoffe als fließender, Staus sind der Gipfel des Co2-Wahnsinns, und die Wahrheit ist, dass sich die wenigsten Pendler, denen das Auto einen massiven Zeitgewinn beschert, in ein öffentliches Nahverkehrsnetz zwingen lassen, das zu den teuersten, umständlichsten und am wenigen verlässlichsten in Deutschland gehört.

Wer wie ich regelmäßig im Schichtdienst auch zu nachtschlafener Zeit arbeitet, dem bleibt sowieso keine Wahl. Und so lernte ich durch die Umwege auf der A59 die Eigenheiten der Zufahrt zur A 4 am Kreuz Gremberg kennen, wo sich der Verkehr regelmäßig kilometerweit zurück staut, weil es kompliziert ist, den Richtung Aachen drängenden Automobilstrom auf eine Spur zu zwängen.

Die nächste Nemesis: Ampel an der Lanxess-Arena

Und ich lernte die Ampelanlage vor der Lanxess-Arena zu fürchten, die zu Stoß- und Messezeiten vor dem Tunnel unter dem Stadthaus riesige Fahrzeugkolonnen verursacht. Und ich lernte, mich zum Affen zu machen bei der Anfahrt auf die Lanxess-Arena durch die Weigerung, die Höchstgeschwindigkeit um mehr als zehn oder sagen wir fünf Kilometer zu überschreiten. Und ich lernte, das Gefühl zu ignorieren, das entsteht beim Versuch, dem Ziel näherzukommen, indem man in die falsche Richtung fährt – rechts vorbei an den gesperrten 200 Metern in Richtung Gummersbach, dann raus in Merheim, unter der Autobahn hindurch, die Zufahrt rechts hinauf und dann wieder zurück in Richtung Köln.

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All diese verstörenden Erfahrungen wären mir und tausenden anderen vermutlich jahrelang erspart geblieben ohne das planerische Debakel am Kalk-Tunnel. Für seine Reparatur waren 2014 zwei Jahre veranschlagt worden. Wie alle wissen, ist er immer noch nicht vollständig instandgesetzt. Aber es ist ja jeder selbst schuld, der auf der falschen Rheinseite wohnt oder sich Köln von derselben nähert. Es ist auch jeder selbst schuld, der in solchen Ereignissen nicht einfach höhere Gewalt sehen kann oder rheinische Folklore, sondern Analysen ernst nimmt, Zeitpläne für verbindlich hält und Prognosen vertraut.

Der Ärger über die Zumutungen der Fehlplanung verdoppelt sich rasch durch den Ärger über sich selbst: Wie konnte ich Volltrottel nur glauben, dass hier einmal ein Problem genauso wie vorhergesagt behoben wird?

Das galt auch für den Zeitpunkt der endgültigen Freigabe am Montag, 5 Uhr morgens. Natürlich wieder verbockt. Jetzt heißt es Mittwoch. Wir müssten jetzt nur noch wissen, was für ein Mittwoch gemeint ist. Und in welchem Jahr er sich befindet.

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