Level PiDen Krautrock fest im Herzen

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Uwe Cremer erschafft mit dem Projekt Level Pi atmosphärische, bildgewaltige Klangwelten.

Uwe Cremer erschafft mit dem Projekt Level Pi atmosphärische, bildgewaltige Klangwelten.

Oftmals sind gerade die experimentierfreudigen Bands auch die einflussreichsten. Deutsche Gruppen wie Can oder Tangerine Dream etwa, die mit ihren unterschiedlichen, unter dem Oberbegriff Krautrock zusammengefassten Klangskulpturen bereits vor Jahrzehnten einen nachhaltigen Eindruck in der Musikwelt hinterließen. „In den 70er-Jahren hatten viele Krautrock-Bands begrenzte finanzielle Möglichkeiten, sie waren noch nicht so weit wie etwa Pink Floyd, wollten aber trotzdem diesen Sound machen“, schildert der Musiker und Komponist Uwe Cremer alias Level Pi. „Sie hatten das Glück, dass es noch nicht lange Synthesizer gab, so dass sie ein Experimentierfeld hatten, das noch nicht abgegrast war.“

1999 begann Cremer, eigene Stücke zu schreiben. Mit dem Ziel, Musik im Stil von damals zu machen: „Ich wollte das wieder aufleben lassen, woran mein Herz hängt“, sagt er. Mit begrenztem Budget, überschaubaren Mitteln aber viel Enthusiasmus begann der Klangschöpfer mit einem „Entertainer-Keyboard“ zu experimentieren: Er ließ es über einen Gitarrenverstärker laufen und nahm den Klang mit einem „billigen Mikro“ auf. „Das war für mich der Krautrock-Gedanke“, sagt der 49-Jährige. Irgendwann habe er dann gesehen, was mit dem Computer alles machbar sei. „Seitdem habe ich auch Lust auf noch besser produzierten Klang.“

Hypnotische Verbindung

Den bekommt man etwa auf Dunkelstunde, dem dritten, bereits 2011 erschienenen Werk von Cremers Soloprojekt Level Pi. Komplexer Progressive Rock, sphärischer Space Rock und düster-romantischer Gothic Rock gehen in den sieben Instrumentalstücken eine hypnotische Verbindung ein. Das erste Stück „Winterabend“ ist ein dunkles Dickicht entrückt wabernder Keyboard-Sounds, traumhafter Klangflächen und stoischer Schlagzeugmuster, durch das sich eine warm schimmernde E-Gitarre ihren Weg bahnt. Das sehnsüchtige „Das Versteck“ wiederum erinnert mit drohenden Bassläufen, stürmischen Keyboards und druckvollen Gitarren an die Großtaten der britischen Gothic Band Fields of the Nephilim. Und der Titelsong „Dunkelstunde“ ist ein rhythmisch komplexer, atemberaubend arrangierter Klangsturm.

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„Der Begriff Dunkelstunde wurde, soweit ich weiß, in der Kriegs- und Nachkriegszeit verwendet, als die Menschen sehr sparsam mit Gas und Petroleum umgingen“, sagt der Musiker. „Wenn es dunkel wurde, saßen sie an den Fenstern, durch die das Licht der Straßenlaternen fiel, und erzählten Geschichten. Das wurde als Dunkelstunde bezeichnet – irgendwie finde ich die Idee romantisch.“ Auch Cremer ist ein Geschichtenerzähler, dabei kommt er ganz ohne Worte aus: Mit seinen Klängen erschafft er surreale Welten, in denen es viel zu entdecken gibt. Worum es in seinen Geschichten gehen könnte, verraten die Songtitel: „Der Flug des Fernraumschiffs“ etwa könnte von den Abenteuern Perry Rhodans erzählen, „Tougenkyou“ eine Reise in die gleichnamige fernöstliche Traumwelt sein. Dramaturgisch geschickt inszeniert und dynamisch abwechslungsreich regen die Stücke die Fantasie an und führen den Hörer behutsam in Cremers bildgewaltigen musikalischen Kosmos.

Experimente im Heimstudio

Live tritt Cremer nicht auf, daran habe er, wie er sagt, kein großes Interesse. „Wenn ich ein Lied geschrieben und aufgenommen habe, mache ich eine Pause, bis ich wieder Lust darauf habe, etwas Neues zu schreiben.“ Dann experimentiert er erneut allein in seinem Heimstudio mit ungewöhnlichen Sounds und entwirft mit viel Hingabe seine atmosphärischen Werke. „Ich fange mit einem Ton an, und irgendwann habe ich ein sechs oder auch 20 Minuten langes Stück, bei dem ich alles allein gemacht habe“, sagt Cremer. „Das fühlt sich richtig gut an.“

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