„Köln ist eine Musikhochburg“Max Herre spielt im März im E-Werk

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  • Am 16. März tritt Max Herre im Kölner E-Werk auf.
  • Mit dabei hat er sein neues Album „Athen“.
  • Wieso das Album so heißt, warum er „wahnsinnig gern in Köln“ spielt und nach welchen Orten er Sehnsucht hat, hat Max Herre im Interview verraten.

Köln – „Athen“ ist der titelgebende Song Ihres neuen Albums. Warum ist Ihnen die Stadt so wichtig?

Ich war letztes Jahr mehrere Male dort: Wir haben den Roadtrip von Athen nach Skopje nachgezeichnet. Außerdem war ich da, um alte Freunde meines Vaters zu treffen. Die Stadt ist mir sehr vertraut. Auf dem Album ist sie beides: reeller Ort, aber vor allem eine Metapher für Kindheitserinnerungen. Athen steht für eine Annäherung an meinen Vater, denn er hat dort mehrere Jahre gelebt. Es ist seine absolute Sehnsuchtsstadt und das habe ich von ihm geerbt. Darüber erzähle ich unsere Vater-Sohn-Beziehung.

In Ihrem Lied „Siebzehn“ geht es um Ihre eigene Rolle als Vater. Gerade Musiker sind häufig junggeblieben. Kommt da überhaupt ein Generationenkonflikt auf?

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Es ist tatsächlich weniger ein Konflikt, sondern eher eine Zweiteilung in mir. Ich bin beides: Dieser Junge, der gerade noch 17 war und gleichzeitig sitze ich jemandem gegenüber – ich habe zwei Söhne, in diesem Alter, einen 16- und 19-Jährigen. Durch meine Musik, die einer Jugendkultur wie Hip-Hop entsprungen ist, bin ich sehr nah dran. Andererseits bin ich Vater, der nachts schon in der Küche saß und gewartet hat. Der Song beschreibt diese Spiegelung: Ich bin der Begleiter und habe gleichzeitig die Verantwortung. Wir sind eine Generation, die nah an ihren Kindern dran ist. Das ist zwar toll, aber gleichzeitig gibt es auch oft eine fehlende Distanz, die uns vielleicht ängstlicher macht. Unsere Eltern wollten nicht immer alles so genau wissen.

Zur Person

Max Herre ist 1973 in Stuttgart geboren. Der Rapper und Produzent wurde 1996 mit der deutschsprachigen Hip-Hop-Band „Freundeskreis“ bekannt. Im selben Jahr verkaufte sich ihr Hit „A-N-N-A“ über 250000 Mal. Herre ist zudem Gründer der „Kolchose“, einem musikalisch-politischen Zusammenschluss, der den Kern der Stuttgarter Hip-Hop-Szene in den Neunzigern repräsentierte. Der Familienvater ist mit Sängerin Joy Denalane verheiratet. Denalane war die weibliche Hauptstimme von Freundeskreis und ist in Liedern wie „Esperanto“ und „Mit Dir“ zu hören. Das Paar lebt mit beiden Söhnen in Berlin.

Ihr Sohn rappt nun sogar einen Part in dem Song, bei den musikalischen Eltern nicht gerade verwunderlich. Wie empfinden Sie das?

Ich freue mich und sehe auch ein großes Potenzial. Das passiert aber in seinem eigenen Bereich. Und es ist völlig offen, ob er das mehr machen will. Klar, hat ihn diese Vorbelastung früh in Berührung mit Musik gebracht. Andererseits will man nicht immer nur der Sohn „von“ sein. In diesem Kraftfeld bewegt er sich gerade.

Im Rahmen Ihrer Tour spielen Sie am 16. März im Kölner E-Werk. Haben Sie besondere Erinnerungen an das Kölner Publikum?

Köln ist eine Musik- und Konzerthochburg für mich. Ich spiele wahnsinnig gern in Köln, weil ich finde, dass das Publikum hier sehr musikalisch ist. Die Rheinländer sind feierlaunig – das macht total Spaß. Es ist einfach. Da braucht man nicht so einen langen Anlauf. Es gibt ja Konzerte in Städten, wo man denkt, war nicht so gut, und am Ende klatschen alle wie verrückt. Die Kölner aber sind schnell da.

Deutscher Hip-Hop tummelt sich derzeit in den Charts, was man vor 10,15 Jahren so nicht gedacht hätte. Ist es einfacher, sich zu positionieren, wenn es wenige Akteure gibt?

In den Neunzigerjahren waren wir in einer komfortablen Situation. Es gab wenige Bands und wir hatten mit Four Music (Berliner Plattenfirma, die zunächst in Stuttgart Sitz hatte, Hinweis d. Red.) eine große Plattform bekommen. Das Geschäft hat sich mittlerweile liberalisiert, es braucht nicht mehr die Plattenfirmen, die einem sagen, ob man mitmachen kann. Jeder kann mit wenig Aufwand im Studio arbeiten, ein Video produzieren und auf Youtube stellen. Manche können eine Karriere drauf aufbauen. Musikalisch gesehen finde ich toll, dass es so eine gewachsene Kultur ist. Jede Ecke in Deutschland hat inzwischen fünf, sechs gute Rapper. Natürlich bilden sich bestimmte Vorlieben heraus und die Industrie greift das auf, was besonders gut funktioniert. Das kann auch schnell monokulturell werden.

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In „Athen“ verarbeiten Sie das Thema Flucht etwa bei „Sans Papiers“ oder „Alte Turnhalle“. Hier wird eine Unterkunft beschrieben, in denen Leute beten, traumatisiert sind, wenig Privatsphäre haben: Haben Sie eine solche Flüchtlingsunterkunft schon einmal besucht?

2015 war ich in Berlin in Geflüchtetenunterkunften, habe so etwas also schon gesehen. In der ersten Strophe beschreibt ein Kind die Turnhalle als Ort des Martyriums, in der zweiten Strophe wird die Turnhalle umgedeutet. Ich habe in dieser Platte viel mit Spiegelungen und Zeitsprüngen gearbeitet. Die erste Geschichte ist nicht biographisch, in der zweiten ging es darum, den „Sans Papiers“-Song (dt.: Ausländer ohne Aufenthaltspapiere) weiterzuspinnen. Was passiert mit jemandem, der sich wirklich auf den Weg gemacht hat? Was ist das für ein Leben, in dem man täglich damit rechnen muss, abgeschoben zu werden?

Mit „Nachts“ haben Sie eine Hommage an den gleichnamigen Song von Veronika Fischer geschrieben. Wie präsent war die Unterhaltungskultur des Ostens in Stuttgart, wo sie aufgewachsen sind?

Die war nur marginal präsent. Es gab aber Mitte der Neunziger ein paar Clubs, in die ich gegangen bin, wo Freunde Funk- und Soulmusik aufgelegt haben. Zwischen James Brown, Marvin Gaye und Curtis Mayfield spielten sie plötzlich auch Manfred Krug oder Uschi Brünig. Krug nahm einige Platten mit Günther Fischer auf: Sie haben Motown-Sound mit deutschen Texten verbunden. Das war eine Offenbarung. Als ich dann Anfang der Nullerjahre nach Berlin gezogen bin, waren die Flohmärkte voll mit Amiga-Vinylplatten (Amiga: Plattenlabel in der DDR, Hinweis d. Red.), da habe ich ein Faible dafür entwickelt. Viele Musiker in der DDR waren sehr gut ausgebildet. Die Szene war durchlässig: Jazzmusiker spielten auch Rock- und Soulmusik. Wegen der Zensur mussten sie sich überlegen, wie sie ihre Musik durchbekommen. Dadurch sind kryptische Texte entstanden, die oft sehr kunstvoll sind und einen ganz eigenen Kosmos entwickelt haben.

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