„Vielen steht das Wasser bis zum Hals”Armut in Köln nimmt in der Pandemie deutlich zu

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Flaschensammler sind in einigen Deutschen Großstädten ein häufiges Phänomen. (Symbolbild)

Köln – Nimmt die Armut in Köln in Zeiten der Corona-Krise zu? Die Zahlen der Stadt in einer Antwort auf eine Anfrage der SPD im Sozialausschuss legen das jedenfalls nahe. Denn in Köln verloren im Jahr 2020 mehr Menschen ihren Job als im bundesweiten Vergleich. Während in Deutschland der Wert um 20 Prozent anstieg, waren es in Köln 26,1 Prozent. Im Dezember 2019 hatten insgesamt 45.225 Kölner keine Arbeit, ein Jahr später waren es 57.051. Besonders stark waren die Zuwächse bei Menschen unter 25 Jahren und Migranten, Hilfskräften, aber auch gut ausgebildeten Menschen.

Auch weitere Zahlen legen nahe, dass mehr und mehr Kölner künftig weniger Geld zur Verfügung haben werden. Im Dezember 2020 lag die Zahl der Bezieher von Kurzarbeitergeld und selbstständig Erwerbstätigen, die zusätzlich auf Unterstützung durch Arbeitslosengeld II angewiesen sind, bei 4188 Personen, 2610 mehr als im Vorjahresmonat. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger stieg um 4393 Personen auf 61.910 binnen eines Jahres. Die Zahl der offenen Jobs sank von 8220 auf 6780.

„Armut in Köln nimmt zu“

„Die Armut in Köln nimmt zu“, bewertet Bernd Mombauer vom Kölner Arbeitslosenzentrum die Zahlen. „Corona wirkt wie ein Brennglas, durch das die Probleme deutlich werden.“ Viele Menschen, die sich schon vor der Pandemie in einer sozialen Schieflage befanden, seien nun in ihrer Existenz bedroht. „Vielen steht das Wasser bis zum Hals.“ Mombauer rechnet auch mit einem Anstieg der Obdachlosenzahlen. Ähnlich sieht das Ratspolitiker Michael Paetzold (SPD). „Der Anstieg der Zahlen ist dramatischer als wir gedacht haben."

Armutsforscher Christoph Butterwegge befürchtet, dass besonders ältere Menschen und Studierende, die ihren Minijob verloren haben, unter der Pandemie leiden. Wer im Niedriglohnsektor arbeite, dem nütze auch das Kurzarbeitergeld wenig, viele Arbeitnehmer fielen unter die Armutsgrenze. Butterwegge unterstützt die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Hartz-IV zu reformieren und fordert zudem, den Regelsatz von 448 Euro anzuheben und einen Corona-Zuschlag von 100 Euro einzuführen.

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„Die Pandemie trifft Menschen mit wenig Einkommen besonders“, sagte auch Sozialpolitiker Jörg Detjen (Linke). „Es trifft mehr junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und arme Familien.“ Zudem rutschten auch Personen aus der unteren Mittelschicht in die Armut. „Wir brauchen soziale Mindeststandards und eine Erhöhung des Regelsatzes für alle.“ Die Stadt Köln müsse ihren Beitrag durch eine deutliche bessere Arbeit des Job-Centers leisten. Dafür brauche es mehr Personal. Ratsfrau Ursula Gärtner (CDU) geht dagegen nicht von mehr Armut in der Stadt aus. Zahlreiche Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld würden wirken.

Mieter in Not

2020 kamen offenbar auch mehr Mieter in finanzielle Bedrängnis. Die Zahl der Zwangsräumungen stieg um 2,8 Prozent auf 1583. In 302 Fällen wurden Wohnungen beschlagnahmt und die Bewohner von der Stadt in andere Unterkünfte eingewiesen, um eine Obdachlosigkeit zu vermeiden. „Immer mehr Mieter und Gewerbetreibende haben Probleme, ihre Miete zu bezahlen“, sagt Hans Jörg Depel, Sprecher des Mietervereins. Sein Verein bedauere, dass der Kündigungsschutz, der im Frühjahr vom Bund verfügt wurde, nicht zeitlich ausgeweitet wurde. Sinnvoll sei auch ein Fonds für Vermieter, die auf die Mieteinnahmen angewiesen seien.

„Zwangsräumungen aufgrund wegbrechender Löhne sind nicht hinnehmbar”, sagte Sozialpolitikerin Marion Heuser (Grüne). Wieso aufgeschobene Zwangsräumungen nachträglich durchgeführt werden konnten und durchgeführt wurden, sei „angesichts der verschärften Lage mehr als unverständlich.”

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