111 Jahre altes HausIm Kölner „Litte Liverpool“ feiern die Anwohner jeckes Jubiläum

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Paul und Erika Derichsweiler in dem Eingang ihres Hauses an der Scherfginstraße 36.

Köln-Sülz – Die 11 ist eine jecke Zahl, die 111 noch jecker. Weil ihr Haus an der Scherfginstraße 36 nun bereits so viele Jahre alt ist, haben Erika und Paul Derichsweiler ihre Nachbarschaft eingeladen, mit ihnen zu feiern.

Es ist Paul Derichsweilers Elternhaus, mit dem sein Leben auf vielerlei Weise verschlungen ist. Seine Mutter wurde eine Woche nach dem Einzug seiner Großeltern in das gerade errichtete Haus geboren. Auch sie wäre in diesem Jahr 111 Jahre alt geworden. Damals standen die Häuser 5 bis 31 und die auf der gegenüberliegenden Seite mit den Nummern 6 bis 34 schon.

Häuser der Kölner Siedlung haben gleichen Grundriss

Sie waren in den Jahren 1901 bis 1902 nach den Entwürfen des Architekten Eduard Clemens Endler als Siedlung errichtet worden und weisen eine Besonderheit auf: „Die Häuser haben alle denselben Grundriss“, erläutert Derichsweiler, „sind aber mit unterschiedlichen Fassaden versehen, mal mit Ziegeln, mal verputzt, mal weisen sie einen Giebel auf, mal nicht.“

So ist in der Scherfginstraße ein buntes, aber aufeinander abgestimmtes Miteinander entstanden. „Litte Liverpool“ so wird die Straße von manchen Nachbarn genannt, weil die Häuschen an die Straßenzüge der englischen Stadt erinnern. Die hübsche Scherfginstraße im Kölner Westen ist nach einer der ehemals angesehensten und reichsten Familien der Stadt benannt, die schon im 12. Jahrhundert in den Stadtchroniken genannt wird. Als die Straße zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts auf einer Kiesgrube angelegt wurde, zogen bürgerliche Familien in die dort gebauten Häuser.

Kölner Hausgemeinschaft überstand Ersten Weltkrieg unbeschadet

Derichsweilers Großvater Peter Hautz war Steinmetzmeister und arbeitete in der Dombauhütte. Er lebte mit seiner Frau, seinen Söhnen und Töchtern, darunter Veronika, Mutter des heutigen Hausbesitzers, in der Scherfginstraße 36. Sie heiratete später Georg Derichsweiler. Den Ersten Weltkrieg überstand die Hausgemeinschaft noch unbeschadet, doch im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1943 evakuiert. In diesem Jahr kam dann der kleine Paul in Zweibrücken im Saarland zur Welt. 1945 konnte die Familie nach Köln zurückkehren.

Der Krieg hatte Schäden am Haus  Scherfginstraße 36 hinterlassen. Eine Brandbombe hatte das Dachgeschoss des ehemals zweistöckigen Gebäudes beschädigt.

Der Großvater setzte nach dem Krieg ein weiteres Stockwerk darauf. Noch heute zeugt ein verkohlter Dachbalken von dem Kriegsschaden. Eine Sprengbombe hatte die Hauswände einige Zentimeter auseinanderdriften lassen. „Mein Großvater verband sie mit Stahlseilen, drillte sie so lange, bis die Wände wieder herangezogen wurden“, so Derichsweiler. „Die Seile liegen immer noch unter den Dielen im ersten Stock.“ Wenige Jahre nach dem Krieg verstarb sein Vater und seine Tante Elisabeth, genannt Beta, zog in das Haus.

Paar zog schließlich in die Scherfingstraße 36

Sie war Lehrerin, versorgte die Familie und kümmerte sich darum, dass der kleine Paul fleißig lernte, denn er war ein lebhafter Junge und viel mit den anderen Pänz unterwegs. Er spielte mit ihnen auf der Scherfginstraße Fußball oder im Äußeren Grüngürtel Cowboys und Indianer.

Als Derichsweiler die Schule und Höhere Handelsschule beendet hatte, wurde er Versicherungskaufmann, zog aus und lernte seine Frau Erika kennen. Sein Onkel Franz, der nach dem Tod der Großeltern noch im Haus lebte, bot dem Paar an, es für die künftige Familie zu räumen.

Und so zogen die jungen Derichsweilers in die Scherfginstraße 36, wo auch die drei Kinder groß wurden und man die Nachbarschaft bestens kennt: „Ein Nachbar erzählte mir einmal in einer Kneipe an der Geisbergstraße, dass er jetzt 70 Jahre alt wird, wie die Scherfginstraße.“ Sie beschlossen, mit den Anwohnern seinen und den Geburtstag ihrer Straße zu feiern. Weitere Straßenfeste folgten. 

Gute Nachbarschaft in dem Kölner Viertel

Menschen verstarben, junge Familien zogen in die Straße. Mittlerweile gibt es wieder 16 Kinder in der Nachbarschaft. Das Verhältnis der Nachbarn ist sehr gut. „Zu St. Martin geht ein Vater mit einer Gitarre und den jungen Straßenbewohnern von Haus zu Haus und singt für die Nachbarn“, schildert Derichsweiler.

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Und so ist die Schnapszahl, die das Alter seines Hauses kennzeichnet, nun eine weitere Gelegenheit, mit den Nachbarn aus der Scherfginstraße ein Fest zu feiern.

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