Abgelaufene ImpfdosenWie es zu dem Moderna-Skandal in Köln kommen konnte

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Berthold Bronisz hat eine der abgelaufenen Moderna-Dosen bekommen.

  • In Köln wurden 2000 Menschen mit abgelaufenen Moderna-Dosen gegen das Coronavirus geimpft.
  • Die Rekonstruktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zeigt, wie es zu dem Skandal kommen konnte – und warum die Stadt nicht ganz unschuldig ist.
  • Außerdem erklärt ein Betroffener, was er nun vom Gesundheitsamt erwartet.

Köln – Als er die Nachricht im Internet entdeckt habe, sei er erstmal perplex gewesen, sagt Berthold Bronisz. Und dann verärgert. „Muss ich das wirklich erst aus den Medien erfahren?“, fragt der 59-Jährige. „Ich hätte erwartet, dass sich die Stadt oder der Malteser Hilfsdienst direkt bei mir melden, die haben das Chaos schließlich auch verursacht.“

Bronisz gehört zu den 2000 Menschen in Köln, die zwischen dem 27. Dezember und 6. Januar abgelaufenen Moderna-Impfstoff erhalten haben. Nachdem er seine zweite Impfung im August vergangenen Jahres erhalten hatte, wollte Bronisz sich am 5. Januar bei einer ambulanten städtischen Impfaktion in der Kölner Südstadt boostern lassen. Vom Malteser Hilfsdienst, der von der Stadt mit den Impfungen beauftragt worden war, bekam er dann den abgelaufenen Moderna-Wirkstoff.

Stadt Köln räumt Fehler in der Kommunikation ein

Zur Frage, wie es zu den 2000 Impfungen mit abgelaufenem Wirkstoff kommen konnte, liegen dieser Zeitung inzwischen neue Informationen vor. Nachdem die aufgetaute Charge von den Apotheken mit einem Hinweis auf das Ablaufdatum an die Stadt übergeben wurde, hat sie die städtische Impfeinheit am 3. Dezember und am 7. Dezember an die beiden Dienstleister weitergegeben. In einem Übergabeprotokoll wurde auch das Verfallsdatum dokumentiert. Bei den Dienstleistern ist das offenbar nicht kontrolliert worden – vielleicht auch, weil das Verfallsdatum bei vorherigen Lieferungen deutlich weiter in der Zukunft lag.

Seit der angepassten Empfehlung der Ständigen Impfkommission, nach welcher unter 30-Jährige nicht mehr mit dem Moderna-Impfstoff geschützt werden sollen, gab es Anfang Dezember Moderna im Überfluss. Alles musste raus. Das entscheidende Datum – die Haltbarkeit im aufgetauten Zustand – ist laut Stadt auf die Kartons geschrieben worden, die an die 18 Impfstation geliefert wurden. Die Hinweise auf den Verpackungen sind dort allerdings nicht beachtet worden. Die Impfärzte selbst jedoch haben die Spritzen mit Impfstoff aus den kleinen Flaschen aufgezogen, auf denen nur das – in diesem Fall bedeutungslose – Ablaufdatum in gefrorenem Zustand stand.

Dienstleister dürfen wohl bald wieder impfen

„Insofern können diejenigen, die impfen, ohne zusätzliche Informationen nicht erkennen, wann der Impfstoff aufgetaut abläuft“, räumte eine Sprecherin der Stadt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber ein. Das Ablaufdatum auf den Flaschen sei missverständlich. „Die städtische Impfeinheit prüft, wie dieses Missverhältnis nachhaltig beseitigt werden kann“, so die Sprecherin weiter.

Obwohl zwei von drei externen Dienstleistern nun vorerst ausfallen, hat die Stadt mit Blick auf die Fortsetzung der Impfkampagne wohl Glück im Unglück. Ein vergleichbarer Ausfall hätte vor einigen Monaten bei maximaler Nachfrage wohl zahlreiche Termin-Absagen bedeutet. Nun aber können am Montag alle geplanten mobilen Impfungen stattfinden. Auf Sicht will die Stadt mit den beiden Dienstleistern wieder zusammenarbeiten: „Derzeit werden alle Prozesse und mögliche Schwachstellen im gesamten Impfprozess analysiert und optimiert. Nach Abschluss dieser Maßnahmen und Nachschulung des Personals können die mobilen Impfteams aller Leistungserbringer wieder eingesetzt werden“, hieß es am Sonntag.

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Berthold Bronisz hilft das nicht mehr. Nachdem sein Ärger gewichen ist, kommt nun die Sorge. „Hat das gesundheitliche Nachteile für mich?“, fragt Bronisz: „Und bin ich denn jetzt geboostert, habe ich also einen Impfschutz oder nicht?“ Gefährlich sei der abgelaufene Impfstoff sicher nicht, ließ die Stadt in einer Mitteilung wissen. Und vermutlich sei er auch wirksam gewesen, was jedoch noch einmal mit dem renommierten Paul-Ehrlich-Institut abgeklärt werde.

Kölner Betroffener hofft noch auf Antikörper-Test 

All dies werde ihm jetzt vermutlich noch persönlich mitgeteilt, hofft Bronisz. „Bei solchen Pannen müssen die Verantwortlichen doch proaktiv handeln, auf die Betroffenen zugehen. Alles andere wäre dann die nächste Frechheit“, sagt der Kölner. Er erwarte also, „dass das Amt auf mich zukommt und mir erklärt, wann und wo ich meinen Impfschutz mit einem Antikörper-Test überprüfen kann.“

Darauf kann Bronisz jedoch womöglich lange warten. Denn nach derzeitiger Planung will die Stadt die Betroffenen nicht einzeln ansprechen, sondern lediglich durch Pressemitteilungen informieren. Zumindest, wenn sich bestätigt, womit die Stadt rechnet: dass das Paul-Ehrlich-Institut die Wirksamkeit des bis zu elf Tage abgelaufenen Impfstoffes bestätigt. Bei einem vergleichbaren Fall in Böblingen, bei dem im Sommer des vergangenen Jahres 630 Menschen abgelaufenen Moderna-Impfstoff erhalten haben, wurde mit anschließenden Antikörper-Untersuchungen bei 250 Betroffenen eine gute Impfreaktion festgestellt.

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