„Eine Katastrophe”Wie Einzelhandel und Gastronomie unter Personalmangel leiden

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Studentin Kim Schröder absolviert einen Probetag im Café Krümel.

Köln – Gute Zeiten für Mini-Jobber. Weil im Einzelhandel und der Gastronomie zurzeit händeringend Personal gesucht wird, können beispielsweise Studierende zwischen zahlreichen Aushilfsarbeiten wählen. Kim Schröder ist 19 und studiert an der Universität Köln Gesundheitsökonomie im zweiten Semester. Um ihr Studium zu finanzieren, will sie künftig im Café Krümel an der Zülpicher Straße/Ecke Weyertal kellnern. Den ersten Probetag hat sie am Montag erfolgreich gemeistert.

Im Café Krümel macht sich wie vielerorts der Mangel an Mitarbeitenden deutlich bemerkbar. In normalen Zeiten habe das Café bis zu 30 Mitarbeitende, derzeit würden noch etwa zehn Aushilfen gesucht, sagt Mitarbeiterin Sophie Gründemann, die seit sieben Jahren im Café beschäftigt ist. Der Personalmangel erhöhe die Arbeitsbelastung des verbleibenden Teams. Zudem habe man die Karte nach einem Wechsel des Inhabers entschlacken müssen. Statt zahlreicher warmer Gerichte, die man in der Vergangenheit im Café bestellen konnte, gibt es momentan vor allem weniger arbeitsintensive kleinere und kalte Snacks.

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Wie dem Café Krümel geht es vielen Geschäftsleuten im Einzelhandel und in der Gastronomie. Ein kurzer Rundgang in Sülz mag da ein Gradmesser sein. Zahlreiche Geschäfte werben um Aushilfen per Aushang. Rewe an der Berrenrather Straße, Netto an der Zülpicher Straße. Es suchen die Burger-Restaurant Burger Me, das Café Lindenburg und das Restaurant Brasserie Marie ebenso Personal wie die Reinigung First Clean und das Mode-Outlet Lanius. Auch in der Innenstadt ist das Bild ähnlich: Das Café Balthasar an der Aachener Straße bemüht sich per Aushang um Mitarbeitende wie das Fassbender an der Mittelstraße.

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Niemand antwortet auf Anzeigen, trotz Bezahlung über Mindestlohn

Auch die Eismanufaktur Keiserlich sucht dringend neue Mitarbeitende. Weil viele Studierende in den Filialen jobben, sei die Fluktuation schon immer groß gewesen, sagt Geschäftsführer Rainer Winter. Wenn er aber früher eine Annonce in der Studierenden-Jobbörse Stellenwerk geschaltet habe, hätten sich 20 bis 30 Bewerber gemeldet. Das sei in diesem Jahr ganz anders. „Wir zahlen über dem Mindestlohn, finden aber keine Leute“, sagt Winter.

Derzeit suche er vier bis fünf Mitarbeitende für Verkauf und Küche. Die Flaute an Bewerbungen stelle das Keiserlich derzeit noch vor keine Probleme, mittelfristig müsse man aber Personal finden. Ansonsten müsse man die Öffnungszeiten reduzieren oder gar eine Filiale schließen. „Das wäre eine absolute Katastrophe.“

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Das Kunibert der Friese sucht Personal.

„Der Fachkräftemangel nimmt dramatisch zu“, sagt Jörg Hamel, Sprecher des Einzelhandelsverbands Aachen/Düren/Köln. „Das ist in vielen Unternehmen ein Riesenthema.“ Zudem meldeten sich auf Stellenanzeigen immer weniger Menschen. „Wo früher Dutzende Bewerber antworteten, ist heute Totenstille.“ Viele der ehemaligen Mitarbeitenden seien besonders in der Pandemie in andere Branchen abgewandert. Möglicherweise hätten die potenziellen neuen Mitarbeiter Angst vor einem neuen Lockdown und wählten statt den Einzelhandel einen sicheren Job in anderen Bereichen.

Zehn bis 15 Prozent des Personals fehlt in Köln

Melanie Schwartz-Mechler, Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Nordrhein, Kreisstelle Köln, schätzt den Verlust von Mitarbeitern auf zehn bis 15 Prozent ein. „Auch bei uns sind viele Mitarbeiter in der Pandemiezeit einfach weggebrochen“, sagt sie. Die Gastronomie habe viele Mitarbeitende an Testzentren oder Arztpraxen verloren. „Ich gehe aber davon aus, dass einige wieder zurückkommen. Aber die Gäste sind schneller gekommen, als die früheren Mitarbeiter.“

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Café Extrablatt

Durch den Mangel an Beschäftigten ergäben sich für die Gastronomie zahlreiche Probleme: Manche Wirte könnten nicht alle Räume öffnen, andere müssten den Service reduzieren. Weitere könnten die Öffnungszeiten nicht wie vor der Pandemie anbieten. In der Brauerei zur Malzmühle am Heumarkt, wo Schwartz-Mechler Geschäftsführerin ist, habe etwa jeder zehnte Mitarbeiter gekündigt. „Wir können daher noch kein Mittagsgeschäft anbieten.“

Von der Politik wünscht sich Schwartz-Mechler einen weniger aufgeregten Umgang mit der Pandemie. „Es gibt jetzt schon wieder welche, die vor einem Lockdown im Herbst warnen. Dabei haben wir seit zweieinhalb Jahren Pandemie. Da müsste der Politik doch mal was anderes einfallen, als immer wieder einen Lockdown zu verhängen.“

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