Auch das Video, das junge Menschen auf Sylt zeigt, wie sie rechtsextreme Parolen grölen, war immer wieder Thema vor und hinter der Bühne.
„Arsch huh“ für vielfältiges EuropaBands, Kabarettisten und Tausende Kölner zeigen Flagge auf Deutzer Werft
Von ihrem Platz aus können Elias Rinsche und Johannes Klein nicht nur die Bühne, sondern auch den Rhein gut sehen. Sie haben aber auch sehr klar den Zustand der Politik vor Augen. „Die Demokratie war in den letzten Jahrzehnten nicht so gefährdet wie jetzt“, sagt Elias Rinsche. Dabei sei es doch ein Privileg, in einer Demokratie leben zu dürfen.
Von Bonn aus sind die 21-jährigen Studenten am Samstag zur Deutzer Werft gekommen, um gegen Rechtsextremismus und für Demokratie zu demonstrieren. Zur Kundgebung hatten die Bündnisse „Arsch huh“ und „Köln stellt sich quer“ aufgerufen – vor allem mit Blick auf die Europawahlen am kommenden Sonntag.
Die Sorge vor einem spürbaren Stimmenzuwachs rechtsextremistischer Kräfte war am Rheinufer allgegenwärtig. „Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen“, rief Astrid Deilmann von der Kampagnen-Organisation Campact, die eine bundesweite Aktion unter dem Motto „Rechtsextremismus stoppen – Demokratie verteidigen“ ins Leben gerufen hatte. Dieser Initiative hatten sich auch die Kölner Veranstalter angeschlossen.
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Die Kundgebung auf der Deutzer Werft hätte es aber ohnehin gegeben, so „Arsch huh“-Vorstandsmitglied Ralf Plaschke. Mit der Resonanz zeigte sich Plaschke hochzufrieden. Gekommen seien 18 000 Menschen, erwartet hatten die Veranstalter nur etwa 10 000. Die Polizei jedoch sprach von weniger als 10 000 Teilnehmern.
Das dreistündige Programm bestritten Bands wie die Paveier, Miljö, Microphone Mafia und die Höhner. Zu den Rednern gehörten DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, Kabarettist Wilfried Schmickler und Schauspielerin Annette Frier, die mit einem Gedicht von Hanns Dieter Hüsch berührte.
Mehrmals trat die „Arsch huh“-Band rund um Ex-Höhner-Mitglied Hannes Schöner auf die Bühne. Sie startete mit „Su läuft dat he“ in den Nachmittag, einem Lied, das sich gegen die Vereinnahmung kölscher Songs durch rechte Kräfte wehrt. „Rassismus gab es immer und wird es immer geben“, so Schöner vor seinem Auftritt: „Wichtig ist, dass die politische Struktur sich dem entgegensetzt.“ Und wichtig sei, dass alle wählen gingen.
Das dürfen Elias Rinsche und Johannes Klein am Sonntag zum ersten Mal bei einer Europawahl. Das Mindestwahlalter wurde dabei erstmals auf 16 Jahre herabgesetzt, was Elias Rinsche sehr begrüßt: „Das zwingt Schulen zu noch mehr politischer Bildung“, so der Student für evangelische Theologie. Außerdem seien Jugendliche zuletzt von der Politik sträflich vernachlässigt worden, etwa während der Corona-Zeit.
Für den 17-jährigen Jan steht ebenfalls fest, dass er am Sonntag wählen geht. In der Schule sei die Europawahl ein großes Thema gewesen, auch den „Wahl-o-Mat“ der Bundeszentrale für politische Bildung hat er schon befragt. Dass schon 16-Jährige wählen dürfen, sei gerechtfertigt, findet der Bergisch Gladbacher: „Mit 16 kann man sich schon selbst ein Bild machen.“ Wichtig sei jedoch, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was in den sozialen Medien verbreitet werde: „Man schwebt in der Gefahr, die banalsten Dinge zu glauben.“ Sein Tipp daher: Nicht nur eine Quelle zur Meinungsbildung heranziehen.
Arsch huh in Köln: Empörung über Sylt-Video
Die AfD sei die Partei der „Wohlstands- und Friedenszerstörer“, so Astrid Deilmann von der Kampagnen-Organisation Campact. Deshalb sei ein „Aufstand der Anständigen“ nötig: „Wir müssen jetzt was tun, bevor es zu spät ist.“ Die öffentlich gewordenen Pläne zur „Remigration“ von Migranten gehörten zum „wahren Gesicht der extremen Rechten“, sagte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Es handele sich jedoch nicht nur um ein „paar Spinner“.
Im Januar war ein Geheimtreffen mit AfD-Politikern bekannt geworden, bei dem über die „Remigration“ von Menschen mit Migrationsgeschichte diskutiert wurde. „Das ist das wahre Gesicht der extremen Rechten gewesen“, ruft Yasmin Fahimi in die Menge. Seitdem sind weitere Skandale rund um die AfD bekanntgeworden. Auch das Video, das junge Menschen auf Sylt zeigt, die fremdenfeindliche Parolen grölen, sorgte für Kopfschütteln auf der Deutzer Werft. „Es ist nicht begreifbar, wie junge Menschen, die in Wohlstand leben, sich zu so etwas hinreißen können“, so Höhner-Sänger Patrick Lück.
Ralf Plaschke kündigte an, die Kampagne mindestens bis zur Bundestagswahl fortzusetzen: „Ich hoffe und glaube, dass Veranstaltungen wie diese dazu beitragen, Meinung zu machen.“