Defekter AufzugKölner Seniorenpaar kann vierten Stock nicht mehr verlassen

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Senioren Balkon

Das Ehepaar H. auf dem Balkon im viertel Stock

Köln – „Wir sind eingesperrt“, sagt Sophia H. (83). Von ihrem Balkon haben sie und ihr Mann Karl-Heinz (86) zwar eine wunderbare Aussicht bis zum Dom. Doch die Aussicht vom vierten Stock ist seit Wochen das Einzige, was sie an Freiheit haben. Denn weil der Aufzug dem siebenstöckigen Haus an der Ulmer Straße in Bilderstöckchen seit fast sechs Wochen stillsteht, kommt das Ehepaar nicht mehr aus der Wohnung. Beide sind zurzeit auf den Rollator angewiesen. Zu Fuß können sie die Treppen nicht bewältigen.

Karl-Heinz H. muss deshalb für dringende Termine im Krankenhaus den „Tragedienst“ der Arbeiterwohlfahrt rufen – dann wird er die Treppen hinunter und herauf getragen. Der Dienst muss zwei Tage im voraus gebucht werden – und kommt aus Aachen, weil hier in Köln keiner zu finden ist. Die Tochter kauft ein oder das Ehepaar lässt liefern. Jeden Tag kommt der Pflegedienst, der über die Zusatzbelastung durch das Treppensteigen klagt.

Rollator

Sophie H. ist wie ihr Mann auf den Rollator angewiesen.

Auch im dritten Stock leben Senioren, die nun in ihrer Wohnung festsitzen. Und die Kinderwagen im Eingang zeugen davon, dass viele Mütter und Väter nun seit Wochen Kleinkinder hinauftragen müssen.

Keine Informationen von der Vonovia

Das Paar lebt seit 49 Jahren in dem Haus an der Ulmer Straße. Besonders ärgern sich die Mieter darüber, dass die Wohnungsgesellschaft Vonovia, der das Haus seit einigen Jahren gehört, die Mieter völlig im Unklaren darüber lasse, wie der Stand der Reparatur sei. Auch der Hausmeister wisse auf Nachfragen nicht Bescheid. „Man kann uns doch nicht wochenlang warten lassen.“

Senioren Aufzug

Kinderwagen stehen vor dem defekten Aufzug.

Der Fahrstuhl steht still, seit am 4. Juni bei einem Unwetter Wasser in den Aufzugschacht eindrang. Allerdings, so hat ein langjähriger Hausnachbar gezählt, stand der Aufzug auch zuvor schon häufig still: seit September 2020 bis zum Juni insgesamt an 43 Tagen. Dabei war er erst 2018 gegen den alten Fahrstuhl ausgetauscht worden. Einige Mieter vermuten, dass das neue Modell für das Haus mit den 31 Parteien nicht robust genug sei.

Schaden an der Elektronik

Vonovia-Sprecherin Bettina Benner sagt: „Wir bedauern die Situation sehr und sind dabei, die Reparatur voranzutreiben.“ Die Arbeiten würden sich jedoch kompliziert gestalten, wie Stephen Guhr, Geschäftsführer des Bereiches Technischer Service bei der Vonovia, erklärt. Durch den Wassereinbruch sei ein großer Schaden an der Elektronik entstanden, die Hauptsicherung sei immer wieder herausgeflogen. „Das ist eine Detektivarbeit herauszufinden, wo der Fehler liegt.“ Der externe Dienstleister, der den Aufzug auch gebaut hat, sei „mehrmals“ vor Ort gewesen. Lieferengpässe oder Personalmangel hätten in diesem Fall keine Rolle gespielt.

140 Fahrstühle in Köln

Die Vonovia sei als größter deutscher Wohnimmobilienbesitzer auch gleichzeitig die Firma mit den meisten Aufzügen Deutschlands – 3500 gibt es in den Vonovia-Häusern. Allein in Köln hat die Vonovia 6400 Wohnungen mit 140 Fahrstühlen. Aufzüge seien ein sehr „emotionales Thema“, sagt Guhr. „Da können wird noch so viel technische Erklärungen haben – für die Mieter ist ausschlaggebend, dass der Aufzug nicht fährt.“ Deshalb wolle die Vonovia die Arbeitsstruktur umstellen. Bisher wurden Wartungsarbeiten stets an externe Firmen vergeben. Nun baue man aber eigenes zusätzliches technisches Know how auf, so könne man dann auch flexibler und kontrollierter reagieren. Da ist zumindest herauszuhören, dass man bisher mit der Arbeit der externen Firmen nicht immer zufrieden war.

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Dass der Fahrstuhl im Haus Ulmer Straße schon vor dem Wasserschaden öfter stillstand, kann Guhr bestätigen. Dies sei aber vor allem durch unsachgemäße Nutzung etwa bei Umzügen verursacht worden. Der Aufzug an sich sei gut und passend. Vonovia-Sprecherin Benner sagt, man bemühe sich stets durch Aushänge die Mieter über den neuesten Stand der Reparaturarbeiten auf dem Laufenden zu halten, jedoch würden die Aushänge häufig abgerissen. Die  Bewohner werden eine Mietminderung bekommen, dem Ehepaar H. wurden  inzwischen zehn Prozent angeboten.

Der Fahrstuhl werde „im Lauf der nächsten Tage“ wieder in Betrieb gesetzt, hieß es noch am Dienstag.  Doch dann kam der Jahrhundertregen am Mittwoch und der Fahrstuhlschacht lief erneut mit Wasser voll. Für Sophia und Karl-Heinz H. heißt es also: weiter warten.

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