Bieterverfahren und Bargeld-UmschlägeWarum Kölner den Traum vom Eigenheim aufgeben

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Jannik_Kuehn

Katharina und Janik Kühn

Köln – Sie sind Akademiker, sie verdienen gut, oft doppelt - und suchen seit Jahren ein bezahlbares eigenes Haus oder eine Wohnung. Wie Katharina und Janik Kühn, die für sich und ihre zwei Kinder sechs Jahre lang vergeblich eine finanzierbare Immobilie gesucht haben, geht es in Köln wohl mehreren Tausend Alleinstehenden, Paaren und Familien. „Ich könnte Ihnen die Nummer von fast allen unseren Freunden geben – alle würden ungefähr die gleiche Geschichte erzählen“, sagt Katharina Kühn und lacht.

Sechs Jahre vergeblich nach Haus in Köln gesucht

Bei Familie Kühn geht die Geschichte so: Vor acht Jahren zogen sie zurück in Janniks Heimatstadt Köln, 2015 kam ihre Tochter, 2018 ihr Sohn zur Welt. Nach der Geburt des ersten Kindes begannen sie, sich nach Eigentum umzusehen, nach der Geburt des zweiten intensivierten sie die Suche. Die drei Zimmer auf 76 Quadratmetern in Ehrenfeld würden bald zu klein werden. Sie begannen ihre Suche in ihren bevorzugten Vierteln Ehrenfeld, Neu-Ehrenfeld und Bickendorf, bald sahen sie sich in der ganzen Stadt und im nahen Umland um.

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Manchmal länger im Netz zu finden waren Immobilien zwischen 500.000 und 900.000 Euro, die noch kernsaniert werden mussten, da sie über holzvertäfelte Zimmer und Bäder mit braunen Kacheln verfügten. Bei den ersten interessanten Häusern oder großen Wohnungen mit Garten merkten sie, „dass neben uns auch 200 andere interessiert waren“, erinnert sich Janik Kühn.

Kein Gutachten oder zweite Begehung in Köln möglich

Die wenigen attraktiven Angebote verschwanden meist nach einem Tag wieder aus dem Internet – „man musste sich sehr schnell melden – und den Markt jeden Tag im Blick haben“. Wurde die Familie zu einem Besichtigungstermin eingeladen, geschah das oft von einem Tag auf den anderen. „9.30 Uhr am Dienstag. Entweder du kannst dann oder eben nicht.“ Meist waren vor der Corona-Krise dann auch etliche andere Interessenten vor Ort.

Nach einer Führung war es angezeigt, sofort Interesse für die Immobilie anzumelden – „tat man es nicht, war man in der Regel raus, was die Machtverhältnisse gleich offenlegte“, erinnert sich Janik Kühn. Wenn die Nachfrage groß und das Angebot klein ist, können Standards wie ein Gutachten, eine zweite Besichtigung oder einfach ein paar Tage Bedenkzeit schnell zum Ausschlusskriterium werden.

10.000 Euro in einem Umschlag

Einmal erfuhren die Kühns, dass ein Haus in Bickendorf, für 535.000 Euro inseriert, ein paar Tage später aber für mehr als 700.000 Euro verkauft war. Bieterverfahren sind üblich geworden – auch dann, wenn eine Immobilie ursprünglich zu einem Festpreis angeboten wird. „Wir haben auch schon von Leuten gehört, die 10.000 Euro in einem Umschlag mit zum Besichtigungstermin bringen, für den Fall, dass sie sofort den Zuschlag bekommen“, sagt Janik Kühn. Für sie sei das undenkbar.

Janik und Katharina Kühn sind beide Psychologen, sie arbeiten beide fast voll und verdienen gut. Trotzdem sind die meisten Immobilien für sie in Köln viel zu teuer. Einmal sei es knapp gewesen, erinnert sich Janik Kühn. Ein Haus in Merheim, in der Nähe seines Elternhauses, mit Garten, ein bisschen Fluglärm wäre hinnehmbar gewesen. Der Kaufpreis lag im obersten Bereich des Budgets, aber im Obergeschoss war eine Einliegerwohnung, mit den Mieteinnahmen wäre das Haus wohl irgendwie finanzierbar gewesen. Die Kühns kamen unter die letzten zwei, erhielten aber nicht den Zuschlag. „Die Begründung, wir würden nicht in die Straße passen, hat uns dann leicht geschockt.“

GAG-Wohnung statt Eigenheim in Köln-Bickendorf

Seit April lebt die Familie in einer GAG-Mietwohnung in Bickendorf, in der Nachbarschaft des Hauses, das nach wenigen Tagen für 700 000 Euro plus X verkauft war. Die vierköpfige Familie lebt jetzt auf vier Zimmern, die Wohnung sei schön, die Wohnanlage auch, sagen die Kühns. Daran verzweifelt, ein eigenes Haus zu finden, sind sie nicht.

„Wir kennen es von unseren Eltern so und hätten es uns auch gewünscht“, sagt Katharina Kühn. „Aber es ist wie es ist. Wir haben es akzeptiert und fühlen uns auch wohl, wenn wir zur Miete wohnen.“ Die Warmmiete kostet zwar mehr als der Hauskredit, den manche Freunde zahlen, die vor einigen Jahren etwas gekauft haben. „Aber die Kosten sind für Kölner Verhältnisse trotzdem verhältnismäßig günstig.“

Drei Zimmer-Wohnung ab 400.000 Euro in Köln

Helmut Appel und sein Partner José stehen erst am Anfang der Suche nach einer eigenen Wohnung, haben aber schon nach wenigen Monaten erfahren, dass sie wohl einen langen Atem oder einfach Glück brauchen. Ausgefallene Ansprüche haben sie eigentlich nicht: Ab 75 Quadratmeter, gern ein paar mehr, drei Zimmer, Balkon, zentral und ruhig sollte ihre Wohnung sein. „Dass es utopisch ist, unter 400 000 Euro zu gucken, ist uns klar“, sagt der 33-jährige Appel. Mit doppeltem Einkommen als IT-ler und Psychologe könnten die zwei auch mehr aufbringen.

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Helmut Appel (r.) und sein Partner José

„Ein bisschen erschreckend ist es, wie wenig Immobilien überhaupt infrage kommen“, ist die Erfahrung der beiden nach einem dreiviertel Jahr des Suchens. Bei einer Besichtigung seien sie wie am Fließband abgefertigt worden, „bei einem leicht schockierenden Preis-Leistungsverhältnis“, andere hätten schlicht nicht gepasst.

Gute Erfahrung mit Aushängen in Köln

Gute Erfahrungen haben Appel und José mit einem eigenen Aushang gemacht, den sie in Sülz und Klettenberg – ihren bevorzugten Wohnvierteln – auf Laternenpfähle und Ampel klebten. Es meldete sich ein Eigentümer, der den Aushang sympathisch fand und nicht über Makler verkaufen wollte, die Wohnung war viel versprechend, am Ende mit den nötigen Renovierungen aber zu teuer.

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„Viele gute Wohnungen werden über private Kontakte und Mund-zu-Mund-Propaganda verkauft“, sagt José. „Hier ist unsere Hoffnung größer als bei den Angeboten im Internet.“ Bei den üblichen Immobilienportalen sind die beiden auch immer wieder auf Fake-Angebote gestoßen: 150 Quadratmeter in bester Lage für 250 000 Euro, heißt es da schon mal. Solche Preise würden bedeuten, Eigentum in Köln wäre für viele Menschen bezahlbar.

„Tatsächlich ist Immobilienbesitz zu einem privilegierten und sehr komplizierten Unterfangen geworden“, sagt Helmut Appel. „Diese Entwicklung sollte von der Gesellschaft und der Politik kritisch hinterfragt werden.“

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