Charity-Aktion vor Weihnachten1. FC Köln veranstaltet Festessen zum Mitnehmen

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FC Weihnachtsaktion Alter Wartes

Präsident Werner Wolf und die FC-Geschäftsführer Horst Heldt und Alexander Wehrle (v. l.) händigen Geschenkbeutel aus. 

Köln – Die Lichterketten über den Fenstern des Alten Wartesaals blinken. Die Christbaumkugeln darunter glänzen bunt. Ob da nicht Kindheitserinnerungen wach werden, an Weihnachtsfeste im Familienkreis? Peggy (Name geändert) kramt ein bisschen in ihrem Gedächtnis – und findet nichts. Sie ist von zu Hause abgehauen, als sie sieben war. „Ich wollte einfach nur weg“, sagt sie. „Der Mann meiner Mama hat mich missbraucht.“

Der Satz verfehlt seine Wirkung auch bei derjenigen nicht, die ihn ausgesprochen hat. Peggy muss sich setzen. Die Tränen kommen. Sie macht eine Pause, bevor sie weiterspricht. Sie hat Zeit. Die 38-Jährige steht an der Johannisstraße in der Schlage der Menschen, die auf eine weihnachtliche Essensausgabe warten: Die Stiftung des 1. FC Köln hat Menschen eingeladen, die sonst nicht ohne weiteres an ein Festessen kommen. Vereinspräsident Werner Wolf begrüßt sie persönlich: „Wenn man auf der Sonnenseite des Lebens steht, hat man die Aufgabe, sich um die zu kümmern, denen es nicht so gut geht“, sagt er.

Für jene im Schatten gibt es an diesem Abend Gänseragout mit Salzkartoffeln und Rotkohl, Mettwurst mit Grünkohl und Käsespätzle. Pandemiebedingt müssen sich die Gäste die warmen Speisen selbst abholen. Sie werden aus dem Alten Wartesaal nach draußen gereicht, statt im Restaurant des Rhein-Energie-Stadions feierlich serviert zu werden wie in den Vorjahren. Dazu gibt es einen Geschenkbeutel mit warmen Socken, Handschuhen, Kosmetikartikeln und Mützen, Dinge, die Menschen brauchen, die draußen schlafen.

6000 Wohnungslose in Köln

Die Schlange ist lang. 220 Einladungen hat der Verein der Freunde der Kölner Straßen und ihrer Bewohner verteilt, mit dem die FC-Stiftung seit einiger Zeit das Weihnachtsessen veranstaltet. Dessen Mitglieder, die regelmäßig mit Kältebussen die Schlafstellen der Obdachlosen abfahren, wissen, wo sie die Gäste finden und wer sie sind. „Es gibt ungefähr 6000 Menschen ohne Wohnung in Köln“, sagt Vereinsmitglied Anja Reichelt, „aber die Dunkelziffer ist groß“. Nicht jeder meldet sich wohnungslos. Viele schlüpfen bei Freunden unter, Frauen oft bei Bekanntschaften. Reichelt kennt den geläufigen Begriff dafür: „Wohnungsprostitution.“

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Die Zahl der Obdachlosen, die wirklich auf der Straße schlafen, ist noch schwerer auszumachen. „Man schätzt, dass es 500 sind“, so Reichelt. Um sie statistisch zu erfassen, muss man sie erst einmal finden. Viele kampieren in Büschen versteckt, manche sogar in einem Erdloch. Besonders die Frauen machen sich zurecht, um in ihrer Schutzlosigkeit nicht so aufzufallen.

15 Jahre auf der Straße

Es sind zumeist schlimme Erlebnisse, die entwurzelte Menschen den Halt haben verlieren lassen. Die meisten sprechen nicht so offen darüber wie Peggy. Sie erzählt von ihren jungen Jahren in Heimen, den 15 Jahren, die sie auf der Straße verbracht hat. Gerade hat sie einen Unterschlupf gefunden im Diakoniehaus Salierring, wo sie nun jeden Tag ihren Kampf mit sich selbst ausficht: Sie darf dort keinen Alkohol trinken, nur draußen. „Ich habe Angst, wieder abzurutschen“, sagt sie. So wie damals, als auf den Alkohol Speed und Ecstasy folgten, dann Heroin.

Peggy hat drei Kinder, die in Pflegefamilien leben. Ihren Jüngsten hat sich nicht mehr gesehen, seitdem er zwei Jahre alt ist. Mittlerweile ist er 14. Peggy hat ein Bild. „Er ist so ein hübscher Junge“, sagt sie stolz. Darüber freut sie sich mindestens genauso wie über das weihnachtliche Essen an diesem Tag. „Was der FC hier macht, finde ich wirklich toll“, sagt Peggy.

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