Demonstration in KölnBewohner kämpfen gegen Abriss von historischem Fabrikgelände

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Sebastian Köppe wohnte in der Fabrik - bis er die Kündigung bekam. 

  • Seit Jahren befürchten die Bickendorfer die vollständige Gentrifizierung ihres Veedels.
  • In Nippes, der Südstadt oder auch Sülz ist dieser Prozess schon weiter fortgeschritten.
  • Die frühere Bruncken-Fabrik entwickelt sich zum Symbolobjekt im Streit von Mietern, die sich nicht aus bislang bezahlbarem Wohnraum verdrängen lassen wollen.

Köln-Bickendorf – Was wird aus der Bruncken-Fabrik in der Rochusstraße? In dem alten Industrie-Gebäude, in dem seit dem Jahr 1910 neben Elektromotoren auch das Glockengeläut für den Kölner Dom produziert wurde, befinden sich Loftwohnungen mit bis zu zehn Metern Deckenhöhe und Ateliers. Außerdem gehören Innenhöfe dazu, die einstmals 30 Bewohnerinnen und Bewohner als Treffpunkte genutzt haben.

Zu den Höfen und einigen Wohnungen gelangt man durch eine Hofeinfahrt in der Teichstraße. Das gesamte Ensemble im Herzen von Bickendorf hat den Charme einer alternativen Künstler-Kommune – und genau als solche haben sich die Mieterinnen und Mieter auch verstanden. Inzwischen sind es zum großen Teil ehemalige Mieterinnen und Mieter, denn im April 2020 verschickte die damalige Eigentümerin die Kündigungen.

Wohnzimmer

Das Wohnzimmer in dem Loft, das inzwischen schon geräumt ist. 

Das Gebäude sollte entmietet und an einen Investor verkauft werden, der es abreißen und Wohnungen bauen will. Die meisten Mieter, darunter auch eine Familie mit kleinen Kindern, gaben irgendwann entnervt auf und räumten ihre ungewöhnlichen Wohnungen, einige aber klagten gegen die Kündigungen.

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In der Loft-Wohnung hatte sich ein Bewohner ein Zimmer unters Dach gezimmert. 

Noch immer hält eine Handvoll von ihnen die Stellung - trotz Schikanen, wie einer nicht funktionierenden Heizungsanlage und installierter Überwachungskameras. Doch aktuelle und ehemalige Bewohner wollen nach vorne sehen: „Die Stadt Köln hat die Aufgabe, kulturelle Orte mit Mischnutzungen zu erhalten“, sagt einer der Bewohner, der sich juristisch erfolgreich gegen die Räumungsklage zur Wehr gesetzt hat.

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Der Eingangsbereich glich einem Palmenhaus. 

„Der Käufer übernimmt die Mieterschaft nach § 566 BGB zu den Bedingungen der bestehenden Mietverträge hat aber natürlich die Möglichkeiten, erneut Kündigungen auszusprechen um sein Abrissbegehr weiterzuverfolgen“, formuliert es sein Anwalt Fabian Bagusche.

Hintergrund

Das Bruncken-Gebäude

Neuer Inhalt

Die Fassade des früheren Verwaltungsgebäudes der Elektromotorenfabrik Bruncken an der Rochusstraße.

Johannes Bruncken (1880-1968) gründete sein Unternehmen 1907. 1910 bezog er die eigens erbaute Fabrik in Bickendorf. Eine der ersten dort produzierten Anlagen war der Antrieb für das Glockengeläut des Kölner Doms. Bruncken, gebürtig aus Fedderwardersiel an der Nordseeküste, kam als junger Ingenieur nach Köln und sammelte erste Erfahrungen bei den Helios-Werken in Ehrenfeld. Das eigene Werk, wo bis zu 300 Menschen tätig gewesen sein sollen, entwickelte sich dank technischer Innovationen gut am Weltmarkt. Produziert wurden vor allem Elektromotoren für landwirtschaftliche Anwendungen.

Im Zweiten Weltkrieg gab es erhebliche Zerstörungen an den Gebäuden. Die markante Fassade an der Rochusstraße stammt aus den 1950er Jahren. Ab Ende der 1950er Jahre wurde es aufgrund normierter Motorenbauformen zunehmend schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben. Zehn Jahre später war Bruncken pleite.

Hoffest und Demonstration

Innenhof

Blick in die Innenhöfe der alten Fabrik von der Teichstraße aus

Am Samstag, 4. Juni, stellt sich der Verein Alte Fabrikhöfe Bickendorf beim Hoffest des Allerweltshauses in der Geisselstraße 3-5 vor. Dort liegt eine Unterschriftenliste aus, man kann die Petition gegen den Abriss auch online unterschreiben. Das Fest, das anlässlich des Degrowth Tages stattfindet, startet um14 Uhr. Es gibt auch einen Flohmarkt, Workshops und Musik.  Am Sonntag, 5. Juni, rufen die Aktivisten zu einer Demonstration gegen den Abriss der Bruncken-Fabrik auf. Los geht es um 14 Uhr. Treffpunkt ist an den Bahnbögen an der Hüttenstraße. 

Sebastian Köppe hatte weniger Glück. Wegen eines befristeten Mietvertrags musste er die Kündigung akzeptieren und gemeinsam mit seinen zwei WG-Genossen das Loft in der Fabrik verlassen. Der Architektur-Student ist Vorsitzender des Vereins Alte Fabrikhöfe Bickendorf, der sich vehement für den Fortbestand des Gebäudes einsetzt. „Die Baubranche ist Kapital- und Investoren-getrieben. Ich möchte, dass alte Bausubstanz erhalten bleibt. “ Für die Fabrik haben er und seine Mitstreiter konkrete Vorstellungen: Wir wollen, die Hallen für das Veedel öffnen.

Ensemble im Herzen von Köln-Bickendorf

Sie sollen zu einem Treffpunkt werden für die Nachbarschaft. Geplant sind Ausstellungen und ein Café, in der ehemaligen Arztpraxis im Vorderhaus könnte eine Kita unterkommen.“ Eine andere Mieterin, die noch in dem Ensemble wohnt, möchte, dass die alten Fabrikhallen das werden, was sie schon einmal waren: Eine grüne Oase mit Gemeinschaftsgarten und Bienen auf dem Dach. „Nicht wenige sollen viel Raum haben, sondern alle“, beschreibt sie ihre Vision bei einem Online-Treffen des Vereins.

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Ob sich der Traum vom Offenen Begegnungsraum im Veedel realisieren lässt, hängt weitgehend von dem Investor ab. Ein konkreter Bauantrag liegt zwar noch nicht vor, aber eine Voranfrage, die sich auf den Bau von 32 Wohneinheiten bezieht. Auch ein Abbruch sei bereits genehmigt, wie eine Stadtsprecherin bestätigt.

Die Fassade zur Rochusstraße müsse allerdings erhalten bleiben.  Doch noch hoffen die verbliebenen Mieterinnen und Mieter auf einen Kompromiss. Sie wollen ihre Oase nicht verlassen und haben eine Petition gestartet, sammeln Unterschriften. Wenn 5000 zusammenkommen, muss sich der Rat der Stadt Köln mit der Causa Bruncken befassen.

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