LieferandoKölner Fahrer demonstrieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen

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Protest bei Lieferando in Ehrenfeld wegen den schlechten Arbeitsbedingungen und Missständen im Winter.

Köln-Ehrenfeld – Essen zu bestellen kann so einfach sein: Durch Dienste wie Lieferando genügen wenige Klicks auf dem Handy und schon wird die ersehnte Pizza bis zur Wohnungstür geliefert. Für die Besteller ist das natürlich gemütlich - für die Fahrer von Lieferando allerdings nicht. Schon gar nicht im Winter.

Die Marke Lieferando gehört zu dem Unternehmen „Just Eat Takeaway“, das seinen Sitz in Amsterdam hat und unter verschiedenen Namen in 16 Ländern weltweit tätig ist. Das Erfolgsrezept des Lieferdienstes ist simpel: Die Nutzer können über ein Onlineportal Essen bei Gastronomiebetrieben bestellen, die Auslieferung der Speisen wird in der Regel von Fahrern des Unternehmens übernommen. Als Gegenleistung streicht „Just Eat Takeaway“ eine Provision ein.

Lieferando wegen Missständen immer wieder in der Kritik

Dabei steht das Unternehmen immer wieder wegen seiner Praktiken und Missständen in der Kritik. Ein häufiger Streitgrund sind die Arbeitsbedingungen der Lieferfahrer, die ihrem Ärger nun selbst Luft machen: Am Mittwoch demonstrierte die Gewerkschaft der “Freien Arbeiter*innen Union” (FAU) gemeinsam mit Mitgliedern des Lieferando Workers Collectivs (LWC) vor der Firmenzentrale am Ehrenfeldgürtel. Rund 40 Teilnehmer äußerten ihre Kritik und verteilten Flyer, mit denen sie auf ihre Aktion aufmerksam machten. Die Polizei sperrte für die Dauer der Kundgebung eine Fahrspur des Ehrenfeldgürtels.

Das LWC hat sich vor anderthalb Monaten gegründet und ist ein Zusammenschluss von Lieferfahrern, die für besser Arbeitsbedingungen kämpfen: „Es gibt tatsächlich sehr viele Probleme bei Lieferando“, erklärt Nils L. Der 27-Jährige ist Mitglied des LWC und organisierte die Kundgebung vor der Ehrenfelder Zentrale des Lieferdienstes mit. Er selbst ist seit drei Jahren für das Unternehmen tätig: “Am Anfang war auch alles gut und der Job hat mir gefallen”, so L., “dann wurde es aber immer schlimmer.”

Frist für winterfeste Kleidung abgelaufen

Am Mittwoch demonstrierten die Mitglieder des LWC für bessere Winterausrüstungen der Fahrer - schließlich sind diese mit dem Rad bei Wind und Wetter unterwegs und dem Winter ausgeliefert: „Wir kriegen Jacken, die keine acht Stunden trocken halten und Mützen, die nicht unter den Helm passen“, erklärt L. Immerhin konnten er und seine Mitstreiter inzwischen wasserfeste Handschuhe einfordern - wirklich kürzer ist die Liste der Kritikpunkte dadurch aber nicht geworden: „Wir haben keine Möglichkeiten, uns während der Schichten aufzuwärmen oder uns umzuziehen. Wenn man nicht im Hausflur des letzten Kunden stehen möchte, müssen wir uns in Supermärkten oder U-Bahn-Stationen vor der Kälte schützen.“

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Das Lieferando Workers Collectiv hatte dem Unternehmen daher eine Frist gesetzt, um seinen Fahrern unter anderem regenfeste und wintertaugliche Kleidung zur Verfügung zu stellen. Die Frist lief am Dienstag ab, ohne dass die Forderungen erfüllt wurden: „Deswegen wollen wir unseren Stimmen nun auf durch Kundgebungen und Demos Nachdruck verleihen“, so Nils L.

„Die Sicherheit und eine adäquate Ausstattung für unsere fahrenden Kolleginnen und Kollegen stehen an erster Stelle. Wenn das Wetter keinen sicheren Betrieb zulässt, pausieren wir diesen, schicken Fahrer unter Lohnfortzahlung nach Hause. Um die Arbeit auch im deutschen Winterwetter sicher und möglichst verträglich zu halten, stellt Lieferando ein spezielles Winter-Equipment. Diese wird auch in kälteren Ländern eingesetzt, kontinuierlich verbessert und umfasst insbesondere: regenfeste Winterjacken, Regenhosen, Handschuhe, Mützen, regenfeste Schuhüberzieher, Sportschals, wasserdichte Handyhüllen, zusätzliche Reflektoren“, kontert Lieferando-Sprecher Oliver Klug die Vorwürfe. Außerdem sei die Regenfestigkeit der Winterjacken, Hosen und Handschuhe in diesem Jahr noch verbessert worden.

Auch eine Sprecherin der Gewerkschaft FAU äußerte ihren Unmut über die Zustände bei Lieferando, die jedoch auch "beim Rest der Lieferdienste nicht anders" seien: "Es ist ein Geschäftsmodell, das darauf basiert, dass sich niemand beschwert", verkündete sie.

„Wir sind menschliches Verschleißmaterial“, bekräftigte auch noch einmal Nils L., dessen Aktivismus bisher drei Abmahnungen eingebracht hat. Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber wurde indes  zurückgezogen. Selbst kündigen möchte L. seinen Job aber auch nicht: „Es gibt viele Fahrer, die sich nicht so auskennen”, erklärt er, “die möchte ich nicht im Stich lassen.“

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