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„Es fehlt an Konsumplätzen”SPD will Heroinabgabe für Drogensüchtige ausweiten

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Drogenabhängige am Neumarkt spritzen sich zwischen Völkerkundemuseum und Volkshochschule Heroin.

Drogenabhängige am Neumarkt spritzen sich zwischen Völkerkundemuseum und Volkshochschule Heroin.

Köln – Nachdem die Ampel-Koalition in Berlin die Legalisierung von Cannabis angekündigt hat, drängt die Kölner SPD auf eine Überarbeitung des Kölner Drogenhilfekonzepts. Die Sozialdemokraten plädieren in einem Antrag im Gesundheitsausschuss unter anderem für eine regulierte Abgabe von Cannabis. Zudem sollen Heroinabhängige stadtweit mit reinem Heroin (Diamorphin) substituiert werden. Menschen, die Drogen konsumieren, sollen die Möglichkeit erhalten, die Substanzen in einem Drogencheck untersuchen zu lassen. „Uns ist es lieber, wenn sie wissen, was sie zu sich nehmen“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, der Arzt Michael Paetzold.

Eine Substitution mit Diamorphin sei für Schwerstabhängige derzeit schon möglich, sagt Paetzold. Die Behandlung mit Diamorphin gilt als wirksam, wie die Verwaltung in einer Antwort auf Anfrage der Linken mit Hinweis auf eine Studie der Universität Hamburg schreibt. Allerdings seien die Voraussetzungen hoch, um an dem Programm teilnehmen zu können. Die Konsumenten müssen mindestens fünf Jahre lang abhängig sein und zwei Behandlungen abgebrochen haben. So kommt es, dass von den 1251 Menschen, die substituiert werden, nur 86 mit Diamorphin behandelt werden. Der Rest erhält zum Beispiel Methadon. Köln ist eine von wenigen Städte in Deutschland, in denen eine Behandlung mit reinem Heroin möglich ist.

„Wir halten das Programm für gut“, sagt Paetzold. Denn so müssten Drogenabhängige nicht Stunden damit zubringen, Drogen zu beschaffen und das Geld dafür zusammenzubringen. „Die Menschen sollen nicht dem Stoff hinterherjagen, sondern Zeit haben, den Kopf freizubekommen.“ Bei einer kontrollierten Abgabe sei zudem sichergestellt, dass der Konsum unter hygienisch einwandfreien Bedingungen und mit nicht verunreinigten Drogen stattfände. Zudem würden damit Plätze wie der Neumarkt entlastet, auf denen dann weniger Konsum in der Öffentlichkeit stattfände.

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Die Sozialdemokraten stört es, dass in Diskussionen Drogenabhängige oft als soziales Problem und unerwünschtes Klientel und nicht als Hilfsbedürftige und -berechtigte wahrgenommen würden. Natürlich sei es wichtig, Beschwerden etwa am Neumarkt nachzugehen. Der temporäre Container auf dem Neumarkt und der Platzkümmerer dienten aber in erster Linie Anwohnern und Geschäftsleuten und nicht den Betroffenen. „Es fehlt an geschützten Konsumplätzen – nicht nur am Neumarkt, sondern auch an anderen Schwerpunkten in Kalk und Mülheim", heißt es im SPD-Papier. Nötig seien dezentrale Angebote, damit Betroffene Hilfe erhalten und einen menschenwürdigen Alltag bestreiten könnten.

CDU und Grüne haben Beratungsbedarf

Der Gesundheitsausschuss diskutierte über den Antrag der SPD in der jüngsten Sitzung nicht, weil die CDU Beratungsbedarf anmeldete. „Es ist völlig unklar, wie der Bund das Ganze umsetzen will", sagte Ratsfrau Ursula Gärtner. Zudem müsse das Land NRW einen entsprechenden Vorstoß anschließend in eine Verordnung gießen. Inhaltlich habe sich die Kölner CDU noch nicht mit dem Antrag beschäftigt. „Es ist aber kein Geheimnis, dass die CDU im Bund dem Vorhaben wenig abgewinnen kann.”

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Ralf Unna (Grüne). „Es wird weiteren Beratungsbedarf geben, bis wir den Referentenentwurf der Bundesregirung kennen.” Inhaltlich seien die Grünen durchaus für eine Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes, Unna sprach sich aber dafür aus, nach Möglichkeit alle demokratischen Parteien bei diesem Schritt mitzunehmen. Am Antrag der SPD sieht Unna noch Änderungsbedarf: „Das was jetzt vorliegt, ist noch nicht zielführend.”

Mindestens 1400 Heroinabhängige in Köln

Die Stadt geht davon aus, dass mehr als 212.000 Kölner im Laufe ihres Lebens illegale Drogen probiert haben, in den vergangenen zwölf Monaten 59.800 und in den vergangenen 30 Tagen immerhin 23.800. Etwa 1420 bis 2325 Menschen sollen in Köln heroinabhängig sein. In Köln wird in vier Substitutionsambulanzen, 16 niedergelassenen Arztpraxen und in der Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen der LVR-Klinik eine Substitution angeboten. Im Drogenhilfekonzept von 2020 wird die Zahl von 2260 Substitutionsplätzen genannt.

Drogenkonsumraum kommt im Mai

Der Leiter des Gesundheitsamts, Johannes Nießen, kündigte unterdessen an, dass der neue Drogenkonsumraum im Mai eröffnet werden soll. Eigentlich hätte der Raum bereits Mitte 2021 aufgemacht werden sollen, aber die komplizierten Arbeiten im Bestand sowie Diskussionen unter Anwohnern hatten den Start des Raums verzögert. Der Rat hatte sich 2016 für einen Drogenkonsumraum am Neumarkt ausgesprochen. Weil die Verwaltung keine geeignete Immobilie für das Projekt finden konnte, wurde im Dezember 2019 ein mobiles Beratungsangebot am Cäcilienhof unter der Leitung des Gesundheitsamts eingerichtet. Drogenabhängige können dort unter medizinischer Aufsicht und Beratung mitgebrachte Drogen konsumieren.

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