Zehn Stunden am Tag im Rhein„Das sollte man auf keinen Fall nachmachen“

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Schwimmer Sprung

Joseph Heß springt bei Rodenkirchen in den Rhein.

  • Der Langstreckenschwimmer Joseph Heß (34) durchschwimmt den Rhein von seiner Quelle bis zur Mündung in Rotterdam. Am Mittwoch machte er Station in Köln-Rodenkirchen.
  • Mehrere wissenschaftliche Institute begleiten die Aktion über mehr als 1200 Kilometer.
  • Bei unserem Besuch erklärt uns Joseph Heß, wie er die Extrembelastung psychisch und körperlich verkraftet, welchen Schwimmstil er benutzt und wie er sich ernährt.

Köln – Es gibt Dinge, die man auf keinen Fall nachmachen sollte. Zum Beispiel im Rhein schwimmen – wie Joseph Heß. Der 34-Jährige durchschwimmt den Rhein von seiner Quelle im Tomasee bis zur Mündung in Rotterdam. Das sind 1232,7 Kilometer. Am 11. Juni ist er gestartet. Jetzt erreichte er Köln, die 19. Etappe.

Der Tag am Rodenkirchener Rheinufer vor dem Bootshaus beginnt ganz beschaulich. Joseph Heß hat die Nacht mit seiner Crew in deren Wohnmobilen auf dem Campingplatz verbracht, nun wird hier alles startklar gemacht. Dazu gehört eine Tüte belegte Brötchen, Nutella-Sticks und Cola – dazu später mehr. Joseph Heß hat wieder einmal rund zehn Stunden Schwimmen in der bis zu elf Stundenkilometer schnellen Strömung des Rheins vor sich.

Schwimmer eincremen

Joseph Heß wird mit Vaseline eingecremt, dabei führt er noch ein Telefoninterview.

Begleitet wird er dabei von einem Motorboot und einem Kajak. Bootskapitän Heiko holt die Vaseline raus. „Sei zärtlich“, sagt Joseph Heß lachend. Vor allem an den Schultern ist die Haut mittlerweile ein bisschen rissig durch die Reibung des Neoprenanzugs geworden. „So ein Anzug ist für zwei Stunden Schwimmen bei einem Triathlon entwickelt, aber natürlich nicht für zehn Stunden“, sagt der Chemnitzer. Die Stellen werden dann noch mit Tape abgedeckt, während Heß noch schnell ein Radiointerview über Handy gibt.

Im Rhein schwimmen ist gefährlich

Klar, im Rhein schwimmen sei gefährlich. „Das sollten Laien auf keinen Fall nachmachen.“ Heß ist seit sieben Jahren Langstreckenschwimmer (die Elbe hat er auch schon geschafft), die Aktion wurde ein Jahr sicherheitstechnisch und mit der Wasserschutzpolizei vorbereitet.

Dahinter stehen Sponsoren und mehrere Forschungsinstitute aus ganz Deutschland. Die TU Chemnitz, an der Heß als Wirtschaftswissenschaftler arbeitet, untersucht die körperlichen und mentalen Auswirkungen der Extrembelastung. Es werden aber auch Wasserproben genommen, um die Qualität des Rheins zu untersuchen. Auch ein Filmteam begleitet den Schwimmer für eine Dokumentation.

Schwimmer vorbesprechung

Der Langstreckenschwimmer bespricht sich mit seiner Crew.

Aber Heß gibt ganz offen zu: „Es steckte natürlich auch Abenteuerlust dahinter. Und man kommt an tollen Landschaften vorbei.“ Die Abenteuerlust wurde aber gleich am Anfang etwas gedämpft. Das Boot hatte einen Motorschaden, kaum das es ins Wasser gelassen worden war. Und zwei Tage verlor Heß, weil er Magen- und Darmprobleme hatte. „Das lag wohl nicht am Wasserschlucken, sondern eher an der Umstellung der Verdauung durch die ständige horizontale Bewegung. Und auch am Stress durch die Belastung, der trotz aller Vorbereitung dazu kommt.“

Chili con Carne und warme Cola als Verpflegung

Die zwei Tage holte er wieder raus, ein Herpes am Mund ist ihm vom kurzzeitigen Runterfahren des Immunsystems geblieben. Für sein Wohlbefinden bleibt er jetzt bei seiner ganz speziellen Sporternährung: Die besteht aus Brötchen, gerne auch Chili con Carne, Wasser und warmer, geschüttelter Cola. „Von Iso-Gel kriege ich Sodbrennen.“

Gereicht wird ihm das Essen von seinem Kumpel Andreas, der im Kajak sitzt. Etwa alle halbe Stunde gibt es einen Happen, dabei hält sich Heß kurz am Kajak fest. Und wenn er etwas Wasser schluckt? „Das schmeckt oft nach Diesel, das muss man einfach ausspucken und dann aus der Wasserflasche nachspülen.“

Eigene Kraultechnik für den Rhein

Aber mit welcher übermenschlicher Technik schafft er es, in der Strömung sicher voran zu kommen? „Das ist eine Mischung aus Kraulen und Total Immersion, bei der man die Schultern nur wenig hebt, um Energie zu sparen. Im Grunde ist es ein Kuddelmuddel.“

Trotz des effektiven Kuddelmuddels gab es schon einige brenzlige Situationen vor allem mit den großen Containerschiffen. „Ein Kajak ist auf dem Radar eines Containerschiffes etwa so groß wie ein toter Schwan. Ein Schwimmer ist gar nicht zu sehen“, sagt Kajakfahrer Andreas. Er und sein Motorbootkollege müssen stets vorausschauend fahren, um den Schwimmer zu schützen. Bisher konnte Heß aber nur zweimal nicht mehr aus eigener Kraft vor den Riesen ausweichen. Je nach Wasserstand oder Verkehr muss Heß auch schon mal mitten durch den Rhein schwimmen und die Seite wechseln. Köln mit seinem breiten Flussbett ist da eher eine leichtere Strecke.

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Da die genauen Etappenziele wegen allerlei Unwägbarkeiten immer nur kurzfristig feststehen, wird Joseph Heß nirgendwo von Zuschauern empfangen. Viele Willkommenstermine mit Bürgermeistern mussten schon abgesagt werden, weil er noch nicht da oder schon längst vorbei war.

Schwimmer ausfahrt

Was die Stimmung aufrecht erhält, sind die Crew und ihr Humor. Kajakfahrer Andreas hat mit Edding „Bootsname“ auf sein Gefährt geschrieben. „Die Wasserschutzpolizei hat gesagt, das Kajak muss einen Bootsnamen haben.“ Abends gibt es schon mal ein Belohnungsbier. „Unser Fahrer ist Slowake, natürlich gibt es Bier“, sagt Heß.

Schwimmer verschwinden

Links vom Kanu ist noch ein Arm von Joseph Heß zu sehen.

Brötchen und Cola sind verstaut, der Schwimmanzug angelegt. Auf dem Motorboot fährt Heß ein Stück auf den Strom hinaus, dann springt er hinein. Jetzt geht es bis Düsseldorf. 60 Kilometer, ein normaler Tag. Bald ist er nur noch als Punkt zu sehen. Am 4. Juli will er in Rotterdam ankommen. 

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