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Gothic-TreffenTanz, Tod und Teufel

Lesezeit 3 Minuten

Irgendwo zwischen Piratenkluft und Steampunk - Beim Amphi-Festival geht es vor allem um die Outfits.

Deutz – Das Amphi-Festival am Tanzbrunnen ist eine verkehrte Welt. Wer hier in Jeans und T-Shirt auftaucht, fühlt sich nicht, wie überall sonst auf der Welt, ziemlich normal. Sondern als Exot. Normkonform ist auf dem Gothic-Festival, wer sich möglichst furchterregend in Schwarz hüllen kann. Und so tummeln sich am Samstag und Sonntag am Tanzbrunnen Fantasiefiguren mit Masken und Hüten, mit viel Metallschmuck und Accessoires, die irgendwie an Tod und Teufel erinnern. Dass die Veranstaltung eigentlich ein Open-Air-Musik-Festival ist, gerät schon mal zur Nebensache – angesichts von so viel Selbstinszenierung.

„Man kann die Leute hier schon unter dem Oberbegriff Gothic zusammenfassen. Aber es gibt unzählige verschiedene Stil- und Geschmacksrichtungen in der Szene, verallgemeinern lässt sich das nicht“, erläutert Sandra Wolf, die auf der Händler-Meile handgenähten Korsetts verkauft. Es gebe Besucher, die sich zur Cyber-Punk-Szene zählen, andere seien Anhänger von Klassik und Romantik oder von Steampunk, Fans des viktorianischen Zeitalters. Diese schmückten sich zum Beispiel mit Accessoires, die dampf- und zahnradbetriebene Mechanik darstellen“, sagt sie und zeigt auf einen Besucher, der ein merkwürdig anmutendes Technikgebilde auf dem Kopf trägt. Bei Anhängern von Steampunk ist Schwarz auch nie Schwarz, sondern immer ins Bräunliche abgetönt. Ganz schön kompliziert, die Szene.

Jasmin Tank sitzt mit Gleichgesinnten nebenan auf der Wiese und genießt Bier, Bratwurst und Atmosphäre. „Das, was uns hier vereint, ist die Toleranz und die Friedlichkeit“, sagt die junge Frau, die eine feuerrote Perücke und so etwas wie ein Wikingergeweih auf dem Kopf trägt. „Alle sind entspannt, der Umgang untereinander ist herzlich.“ Jedes Jahr trifft sich die Truppe auf dem Amphi-Festival, das als das drittgrößte Gothic-Festival Europas gilt. Die Wikingerprinzessin aus dem Ruhrgebiet schiebt einen schwarzen Ärmel hoch und zeigt ein buntes Armband: „Das habe ich von einem kleinen Mädchen aus Israel bekommen. Sie ist jedes Jahr mit ihren Eltern hier. Wir finden uns super, auch wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Jedes Jahr bringt das Mädchen mir ein selbstgebasteltes Geschenk mit. Ist das nicht rührend?“ Pöbeleien oder Prügeleien haben die Freunde noch nie gesehen auf ihrem Festival.

Anders sein, ein bisschen verrückt sein, das ist hier Programm. Auf drei Bühnen spielen am Samstag und Sonntag über 30 Bands. Am Samstagnachmittag stimmt bei 30 Grad die Band Corvus Corax Dudelmusik an. In Schottenröcken und mit viel Schmuck aus Leder und Eisen behangen erinnern die Männer ans Mittelalter. Wild getanzt wird nicht im schwarz gekleideten Publikum, das auch aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich angereist ist. Man wippt kollektiv mit dem Fuß zu harten Beats, tummelt sich im Schatten und trinkt noch ein Bier. Zum Beispiel am traditionellen Met-Stand, an dem das Honig-Gebräu an diesem Wochenende in Strömen fließt. Besonders beliebt: Die Geschmacksvarianten Wikingerblut und Bärenfang.

„Es ist das Gesamtkonzept der Veranstaltung, dass uns aus Nordhorn ins Rheinland führt“, sagt Cornelia Hertwald, die nur ein schwarzes Netz am Körper trägt und sich schon den zweiten Becher des Trunks gönnt. Auf ihren Stil angesprochen, muss sie grinsen. „Na ist doch klar – die Gothic-Szene ist ganz eng mit der Fetisch-Szene verbunden. Deshalb laufen hier auch Paare herum, bei der einer den anderen am Halsband führt. Alles harmlos. Es ist einfach eine Art Hobby.“