Haus- oder Nutztiere?Warum immer mehr Kölner Hühner in ihren Gärten halten

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Bei den Bierekovens aus Rodenkirchen gehören die Hennen Analou und Rosalie mit zur Familie.

  • Immer mehr Städter gehen unter die Hühnerhalter. Auch in Köln gackert es in vielen Gärten.
  • Doch Hühnerhalten ist keine kurzfristige Sache, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe.
  • Kölner Familien erzählen von frischen Eiern, Hühnern im Suppentopf und was bei der Haltung beachtet werden muss.

Köln – Im Wohnzimmer von Simone May ist gerade Besuch angekommen. Und wie immer, wenn drinnen im Haus was los ist, wollen auch die „Mädels“ von draußen mal vorbeischauen: Elf Bickendorfer Hühnerdamen recken vor der Scheibe der Terrassentür aufgereiht ihre Hälse, um einen Blick ins Innere zu erhaschen. Leithuhn Käthe, die temperamentvollste der Damenrunde, in vorderster Position. Dahinter Resi, die ihren Namen kennt und auf Zuruf angelaufen kommt.

„Hühner sind nicht nur neugierig, sie wirken durch ihre spezielle Art unglaublich erheiternd“, meint May. Sie zu beobachten, mache einfach gute Laune. Als sie die Terrassentür aufzieht, schart sich die Meute um die Bickendorferin, die gemeinsam mit ihrer Partnerin vor vier Jahren unter die Hühnerhalter gegangen ist und das naturnahe Gefühl schätzt, das ein Leben mit Hühnern ermöglicht.

Der neue Hype im Silicon Valley

Hühnerhalten – das wird in der Stadt immer beliebter: Im Silicon Valley ist das Federvieh im Garten der neue Hype. Auch Prominente wie Schauspielerin Liz Hurley, Sängerin Barbara Streisand oder auch Isabella Rossellini sind auf das Huhn gekommen. Auch in Deutschland wird das Huhn als Haustier laut dem Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter wiederentdeckt. Nach Urban Gardening mit selbst gezogenen Tomaten und Zucchini heißt der Trend nun Urban Farming in Hinterhöfen und Gärten. Viele suchen das Gefühl, auf diese Art näher mit der Natur und ihrem Kreislauf in Kontakt zu kommen. „Immer mehr Menschen legten sich ein paar Hühner zu und wollten ihr Ei aus dem eigenen Stall“, berichtet der Verband. Auch in Köln.

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Ihre elf Hühner fressen Simone May gerne aus der Hand.

„Klar essen wir auch gerne Eier“, sagt May. Aber das sei nicht das Hauptmotiv. Deswegen haben sich die Mays auch keine hoch gezüchteten Hybridhühner gekauft, sondern verschiedene Rassehühner. Die legten dann eben nicht jeden Tag ein Ei. Auch die Bierekovens finden das mit den eigenen Eiern eine schöne Sache. Aber eigentlich hat sich die Familie aus Rodenkirchen die Hühner als Haustiere für ihre Kinder Charlie (10) und Jimi (12) zugelegt. Nach langer Quengelei nach Haustieren entstand irgendwann die Idee, dass Hühner die Lösung sein könnten. Das ohnehin verwaiste, auf Stelzen stehende Spielhäuschen der Kinder wurde gekürzt, die Rutsche abmontiert und im Innern eine erhöhte Stange installiert.

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Draußen entstand ein eingezäunter Auslauf. Vergangenen Sommer zogen die vier Hennen ein – für jedes Familienmitglied eine. „Hühner sind zutraulich und vor allem sehr lustig. Jedes hat ein unterschiedliches Wesen. Wenn Annalou beispielsweise ein Ei legt, dann gackert sie stolz und lässt auch die Nachbarschaft an ihrem Erfolg teilhaben“, erzählt Mutter Nicole Bierekoven. Und sie lassen sich auch gerne mal auf den Arm nehmen.

Elektrische Hühnerklappe

Dank einer elektrischen Hühnerklappe führten die Damen ein ziemlich freies Leben, ohne dass ihre Besitzer allzu viel Aufwand mit dem abendlichen in den Stall treiben hatten. Bis im Winter die Natur unerbittlich zuschlug: Zwei ihrer vier Hennen fielen dem Habicht zum Opfer – denn auch diese Greifvögel haben sich in der Stadt breit gemacht. „Das war für die Kinder nicht einfach. Auf der anderen Seite ist auch das eben ein Teil des Kreislaufs der Natur.“ Jetzt gibt es ein Netz über dem Gehege und bald zwei neue Gefährten für die verbliebenen Hennen Rosali und Annalou.

Informationen zur Hühnerhaltung

Wer sich eingehend mit dem Thema Hühner im Garten beschäftigen will, findet auf den Seiten www.gartenhuehner.de oder www.huehnerhof.net umfassende Informationen zu Themen wie Stallbau, Hühnerkauf, zu den unterschiedlichen Rassen oder zum Auslauf im Garten. Umfassende Informationen zum Thema Anmeldung und Impfung bietet außerdem die Website des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Eher amüsanter wird das Thema behandelt in dem Buch „Vom Glück, mit Hühnern zu Leben“ aus dem Callwey-Verlag. Es porträtiert Hühnerfreunde und ihre Liebe zum Federgetier, dazu gibt es Tipps und Tricks zur richtigen Haltung und einen ausführlichen Teil über die verschiedenen Hühnerarten sowie viele Eier-Rezepte. (ari)

Für Claudia und Benno Fuchs aus Alt-Ehrenfeld geht es genau um diesen natürlichen Kreislauf. Sie sind alte Hasen und haben zehn Jahren Hühner im Garten gehalten, also lange bevor das Huhn zum Trend für Städter wurde. Und sie halten es mit den Tieren so, wie sie es damals als Kinder auf dem Dorf kennengelernt haben: Wenn bei ihren Hühnern nach etwa zwei Jahren die natürliche Legeleistung nachlässt und irgendwann gänzlich versiegt, geht in dem Ehrenfelder Garten auch das Leben der Hühner zuende: Nach einem schönen Leben, in dem die Damen immer auch von Claudia Fuchs kulinarisch verwöhnt wurden, schreitet Benno Fuchs zur Tat. Er schlachtet mit geübtem Griff selbst, rupft die Hühner und nimmt sie aus. Für die Fuchsens ist das der Gang der Dinge: Die Hühner legen Eier und sind Nutztiere. Sie wurden artgerecht gehalten und hatten ein schönes Leben.

Hühner landen im Suppentopf

Nach ihrem Lebensende landen sie im Suppentopf und die Familie genießt das Gefühl, genau zu wissen, woher das Fleisch kommt. Danach zieht die nächste Kükengeneration ein. Man müsse, bevor man sich Hühner anschafft, vorher unbedingt die Entscheidung treffen, mit welcher Philosophie man Hühner halten wolle, erklärt May. Ihrer Erfahrung nach machen sich viele in ihrer Begeisterung für Hühner nicht klar, dass die Tiere nicht ewig Eier legen, gleichwohl aber so alt wie ein Hund werden können.

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Hühner sind sehr neugierig.

Für alle drei Kölner Hühnerhalter ist klar: Bei allem Spaß an den Tieren ist Hühnerhalten keine kurzfristige Sache, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe, mit der man sich vor der Anschaffung intensiv beschäftigen sollte. Hühner brauchen ein genügend großes Gehege, ein Dach über dem Kopf, erhöhte Sitzgelegenheiten und einen eingestreuten Boden, in dem sie scharren, picken und ein Staubbad nehmen können. Auch Familien, die nur zwei oder drei Hühner im Garten halten, müssen ihre Tiere dem Veterinäramt melden. Und sie sollten bei einem Züchter gekauft werden, der die Tiere durch eine Impfung gegen Geflügelkrankheiten immunisiert hat.

Einstellung zum Fleischessen verändert

Während bei den Fuchsens geschlachtet wird, ist bei den Mays klar, dass die Tiere ihr Gnadenkorn auch dann bekommen, wenn sie keine Eier mehr geben. Auch bei Familie Bierekoven ist entschieden, dass die Tiere, die sie beim Namen rufen, nicht im Kochtopf landen. Die Tatsache, Hühner zu haben, habe ohnehin generell die Einstellung zum Fleischessen verändert, erzählt Nicole Bierekoven. „Die Kinder essen gar kein Huhn mehr und machen auch um den Hähnchengrill am Supermarkt einen großen Bogen.“ 

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