Wissenschaftlerin über Kölns Umweltschutzziele„Die Notwendigkeit zu handeln wird immer dringlicher“

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Mit ca. 25.000 Teilnehmern fand am 24. September der Globale Klimastreik in Köln statt.

Köln will bis 2035 klimaneutral werden. Doch wie stehen die Chancen? Die Wissenschaftlerin Anja Bierwirth gibt ihre Einschätzung ab.

Wissenschaftlerin Anja Bierwirth über Kölns Umweltschutzziele und wie man sie erreichen kann.

Anja Bierwirth ist Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel im Wuppertal-Institut und beschäftigt sich unter anderem mit kommunaler Verkehrs-, Energie- und Klimapolitik. Die studierte Architektin und Umweltwissenschaftlerin ist seit 2014 Projektleiterin im renommierten Wuppertal-Institut. Für unsere Serie „Wo steht Köln“ äußert sie sich zu den Chancen Kölns, das gesteckte Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2035 zu schaffen. 

Portraitfoto von Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel im Wuppertal Institut

Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel im Wuppertal Institut

Frau Bierwirth, ist Köln 2035 klimaneutral?

Anja Bierwirth: Es ist theoretisch möglich. Es hängt aber nicht nur von der Stadt selbst ab. Sondern auch von anderen politischen Ebenen, deren Rahmenbedingungen dringend angepasst werden müssen, damit Städte – nicht nur Köln – das erreichen können.

Wer ist dabei besonders gefordert?

Es muss auf allen Ebenen gleichzeitig gearbeitet werden: auf der kommunalen, auf der von Ländern, Bund bis zur EU. Bei einer wirklich ambitionierten Verkehrswende zum Beispiel kann eine Kommune gar nicht alles allein entscheiden, etwa bei Autobahnen. Es geht nicht mehr um ein „entweder … oder“, sondern um ein „sowohl … als auch“. Denn die Notwendigkeit zu handeln wird immer dringlicher.

Es wird immer noch in Projekte investiert, die dem Klimaschutz entgegenstehen
Anja Bierwirth

Der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, wichtiger Teil der Verkehrswende, geht in Köln sehr langsam voran. Läuft bis 2035 die Zeit davon?

Für den Klimaschutz muss man nicht nur Dinge ausbauen. Es wird immer noch in Projekte investiert, die ihm entgegenstehen, zum Beispiel die Erweiterung von Straßen. Man muss also überlegen, was man eben nicht mehr baut. Und der schienengebundene ÖPNV kann natürlich durch anderen Mobilitätsformen wie Sharing-Angebote ergänzt werden. Das ist schneller umzusetzen als Gleise zu verlegen.

In Köln entstehen viele neue Radwege. Manche kritisieren, dass es Stückwerk wäre. Stimmt das?

Wenn man sieht, was da in den letzten wenigen Jahren passiert ist, ist man auf einem guten Weg. Dass das in einer bereits gebauten Stadt als Stückwerk geschieht, ist normal. Am Ende soll ein flächendeckendes Radwegenetz stehen. Deshalb muss man bei jeder Straße, in der etwas gebaut wird, in der etwa neue Leitungen verlegt werden, prüfen, ob es genügend Rad- und Fußinfrastruktur gibt, ob man dort Grün in die Stadt bringen kann. Das gilt für alle Bauvorhaben, sei es im Bereich Verkehr, Gebäude oder Wohnen. Jedes Projekt, das ich jetzt im Stadtraum anpacke, muss mit dem Ziel der Klimaneutralität kompatibel sein.

Wo steht Köln im Klimaschutz im Vergleich zu anderen Städten?

Da unterscheidet sich Köln kaum von anderen Städten. In einer Verwaltung haben Ämter manchmal nur ihre grundsätzlichen Aufgaben im Blick und nicht den Klimaschutz. Wer sich zum Beispiel mit dem Verkehr befasst, soll in erster Linie dafür sorgen, dass er fließt und nicht zwangsläufig Klimaziele erreichen. Da gibt es Konflikte. Trotzdem sehen wir das Potenzial zu sagen, wenn ein neues Projekt umfänglich im Sinn des Klimaschutzes betrachtet wird, kann man früher verpasste Chancen jetzt besser nutzen. 

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