Die Kneipen waren in der Kölner Südstadt proppenvoll. Viele Jecken verbinden mit dem 11.11. eine besondere Geschichte.
„Karneval ist Ventil“Volle Südstadt-Kneipen am 11.11. – Kölner Paar feiert 20-Jähriges in der Lotta

In der Ubierschänke und anderen Südstadt-Kneipen war es trotz guten Wetters proppenvoll.
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„Jetzt geht’s los, wir sind nicht mehr aufzuhalten – jetzt geht’s los, hier spielt die Musik“ tönt es aus den Boxen. Um 10.11 Uhr gehen die Türen von der Ubierschänke in der Südstadt auf und die ersten in der Schlange sind erleichtert: Manon aus Hamburg und Christine aus der Nähe von Düsseldorf haben fast drei Stunden gewartet – Hunderte warten hinter ihnen. Meterlange Schlangen bilden sich am 11.11. auch vor dem Chlodwigeck und der Bar Cöllner am Ubierring. Das Warten lohne sich, sagt Manon. „Ich komme seit über 20 Jahren her.“ Urige Eckkneipe, nur kölsche Tön, altersgemischtes Publikum: Das ist auch der Grund, weshalb Matteo, 19 Jahre, mit seinen Freunden lieber traditionelle Kneipenluft schnuppert, statt Teil eines „Ballermann-Karnevals“ im Kwartier Latäng zu sein.
Der Student aus dem Kölner Süden feiert lieber unter Kölnern, „auf der Zülpi – die sind 15 Jahre alt und kommen von außerhalb“, sagt Matteo. Bei Höhners „Prinzessin“ um kurz vor 11 Uhr grölen alle mit, im Nu ist die Kneipe voll. Jan aus der Südstadt hat sich einen Platz auf der Bühne gesichert. Ein Kranz voll mit Kölschgläsern steht zwischen ihm und seinem Kumpel. „Hier ist es angenehmer, ich stehe nicht mitten in der Menge, werde nicht angerempelt und habe vielleicht einen halben Quadratmeter mehr als andere“, so der 34-Jährige, der auf die tanzenden Jecken blickt.
11.11. in den Kneipen: Gute Stimmung trotz Weltlage

Christine aus der Nähe von Düsseldorf (l.) und Manon aus Hamburg (v. m.) und ihre Freundinnen kommen seit Jahren in die Ubierschänke.
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Ob die Weltlage mit den Kriegen und Krisen nicht ein Stimmungskiller war im Vorhinein? „Nein, ich habe immer Bock auf Karneval. Nur vor drei Jahren, als Russland die Ukraine an Weiberfastnacht angegriffen hat, war die Stimmung schlecht. Aber Karneval ist Ventil. Von negativen Nachrichten lasse ich mich nicht abhalten“, sagt der 20-jährige Leander. Der Countdown läuft: um 11.11 Uhr reißen die Jecken die Arme hoch, um 11.12 Uhr spielt DJ Bernd „Wenn et Trömmelche jeit“. Der 75-Jährige ist seit 20 Jahren für die Musik hier zuständig; „Ich hebe den Altersdurchschnitt sicher um 50 Jahre.“ Das ein oder andere neue Sessionslied streue er ein, aber: „Ich bin mit den Bläck Fööss aufgewachsen.“ Nur nach der FC-Hymne schiebt er „Never Walk Alone“ hinterher, höchstens ein Song von den Toten Hosen gibt es zwischendurch: „Für die, die nicht von hier sind und dann auch mitsingen können.“ Liederwünsche wie Vicky Leandros lehnt er ganz diplomatisch ab.
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DJ Bernd (75) in der Ubierschänke sorgt seit 20 Jahren für gute Stimmung in der Ubierschänke.
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Wer jetzt noch immer in der Schlange steht, hat vielleicht gedacht: unter freiem Himmel geht es auch. Am Chlodwigplatz tanzen die Leute mit mitgebrachten Boxen bei schönstem Karnevalswetter. Vorbei an der Menge, Richtung Südstadt-Kneipe „Lotta“. Geschäftsführer Jan Koglatis beobachtet einen Trend hin zur Südstadt. „Vor 15 Jahren mussten wir vor der Tür nicht so absperren wie jetzt“, sagt der Wirt und deutet auf die Drängelgitter, die die Jecken leiten sollen. „Sehr viele Kneipen sind auf Vorverkauf umgestiegen, das führt dazu, dass sich der Andrang auf die wenigen konzentriert, die keine Karten verkaufen vorher“, sagt Koglatis. 450 Menschen hätten vor der Tür gewartet, nun feiern 160 feiern drinnen.

Das Duo Helge & Jack führt eine „Karnevalsbeziehung“, wie die Freunde von sich behaupten: Während die Ehefrauen woanders tanzen, sind die beiden immer zu zweit am 11.11. unterwegs.
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Liebesgeschichte begann in der Lotta-Bar am 11.11. vor 20 Jahren
Zum Beispiel Steffi und Karsten, die heute ihre Liebe feiern: „Wir haben uns genau vor 20 Jahren am 11.11. in der Lotta kennengelernt“, sagt Steffi. Ihre gemeinsame Tochter ist 15 Jahre alt und heißt: Lotta. „Die feiert allerdings auf der Zülpi, aber nur bis fünf.“ Jedes Jahr komme das Paar, um seinen Jahrestag zu begehen. „Der 11.11. ist der einzige Urlaubstag im Jahr, der bereits feststeht“, sagt Steffi und lacht. Mit ihnen dabei: Eine Gruppe befreundeter Frauen verkleidet als Kaugummiautomat. „Das ist eine Kindheitserinnerung. Einen Abend lang haben wir uns zusammengesetzt und gemeinsam gebastelt.“ Jenny, Kathy und die anderen beiden wohnen mittlerweile im Süden Deutschlands, treffen sich aber alljährlich, um „die Freundschaft und das Leben“ zu feiern. Weit gereist sind auch Theo (21), Nike und Finja aus Berlin.

Jenny mit Freundinnen als Kaugummiautomaten: Mittlerweile leben die Frauen in Süddeutschland, früher wohnten sie in Köln.
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Steffi und Karsten feiern ihr 20. Jähriges in der Lotta: Hier haben sie sich am 11.11. kennengelernt, ihre gemeinsame Tochter heißt Lotta.
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Eine Reise aus Berlin haben Theo (21) und Nike hinter sich: Sie sind im Hobby-Horsing-Verein aktiv und haben ihr Pferd noch schnell am Morgen im Zug nach Köln gebastelt.
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Sie haben sich in der Nacht zu Dienstag um drei Uhr in den Zug nach Köln gesetzt und noch ihr Accessoire zum Kostüm gebastelt: ein Holzpferd, denn sie sind Mitglied in einem Hobby-Horsing-Verein, einem jungen Trendsport. Zurück geht es dann am Dienstagabend um 23 Uhr. „Wir sind einfach zum Feiern hergekommen, das ist bereits das fünfte Mal“, sagt Theo.

Spontankonzert von Straßenmusiker Stadtgeklimper am Kreisverkehr an der Brüsseler Straße
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Einlasstopp im Goldenen Schuss und Spontankonzert von Stadtgeklimper
Auch im Belgischen Viertel tummeln sich die Gäste vor den Kneipen. Am frühen Nachmittag gibt es einen Einlassstop im Goldenen Schuss. Direkt am Kreisverkehr an der Brüsseler Straße begeistert Straßenmusiker Stadtgeklimper und gibt an seinem rollenden Klavier ein Konzert. Autos kommen kaum durch die schunkelnde Meute. In der Bar Gottes Grüne Wiese ist noch genug Platz zum Tanzen da. Darius und seine Freunde sind aus Ehrenfeld hergekommen, denn dort sei kaum etwas los gewesen. „Wir hatten Karten, aber da nichts los war, sind wir hergekommen. Da sie nur fünf Euro gekostet haben, ist es nicht so ärgerlich“, sagt der Kölner. In der Südstadt sei es ihm auch schon zu voll.
Karneval, das ist Kontinuität im Chaos. Auf ihre „Karnevalsbeziehung“ bauen Jack und Helge daher seit jeher. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ traf die beiden vor zwei Jahren im Chlodwigeck. „Mittlerweile sind wir in die Ubierschänke gewechselt, weil es uns drüben zu jung ist“, sagt Jack. Die Frauen machen ihr eigenes Ding: und Jack und Helge genießen ihr Kölsch direkt an der Theke. DJ Bernd spielt „Drink doch eine met“.

