Karneval in KölnPolizei verzeichnet steigende Kriminalität an Orten, die überraschen

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Zwei Polizisten gehen in Uniform über die Zülpicher Straße. Im Hintergrund sind zahlreiche Menschen zu erkennen, die Karneval feiern.

An Rosenmontag zog es viele Karnevalisten ins Kwartier Latäng, zur Zülpicher Straße. Die Polizei war mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort.

Die Zahl der Delikte, die die Polizei während der Karnevalstage in Köln erfasst hat, ist stark angestiegen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Dass in diesem Jahr nach zweijähriger Corona-Zwangspause endlich wieder Karneval gefeiert werden konnte, war für hunderttausende Kölnerinnen und Kölner sowie Karnevalsfans aus nah und fern eine gute Nachricht. Doch wie zu erwarten war, haben die tollen Tage auch ihre Schattenseiten gehabt. 

Kriminalität an Karneval: Deutlich mehr Delikte als vor Corona

Die Kölner Polizei hat nun die Zahlen zu Straftaten an den Karnevalstagen veröffentlicht. Im Vergleich zu den Vorjahren sind sie  erwartungsgemäß deutlich angestiegen, schließlich konnte zwei Jahre in Folge kaum bis gar kein Karneval gefeiert werden. Doch auch im Vor-Corona-Vergleich liegen die diesjährigen Zahlen deutlich über dem Niveau von 2019 und 2020.

Gemessen an 2019 hat die Polizei an Karneval deutlich mehr Taschendiebstähle sowie eine Zunahme der Körperverletzungen erfasst. Dabei ist jedoch eine Verschiebung der Tatorte zu erkennen. Von insgesamt 463 in Köln erfassten Taschendiebstählen wurden in diesem Jahr lediglich 92, also rund 20 Prozent, an den bekannten innerstädtischen Party-Schwerpunkten Zülpicher Viertel, Altstadt, Ringe und Südstadt verübt.

Diese Areale standen in diesem Jahr im besonderen Fokus der Polizei. 2019 lag die Quote noch deutlich höher: Damals ereigneten sich mehr als 40 Prozent aller an Karneval registrierten Taschendiebstähle in der Partyzone (36 von insgesamt 339). 

„Die Karnevalstage sind die Tage, an denen gerade die Taschendiebe Hochkonjunktur haben, weil es schlicht mehr Tatmöglichkeiten gibt als an einem normalen Wochentag“, erklärt Kommissar Philipp Hüwe. „Die Menschen stehen dicht beieinander, sind oft alkoholisiert und tragen beim Feiern möglicherweise mehr Geld in den Taschen. Deswegen sagen wir präventiv auch immer wieder: nur das mitnehmen, was man wirklich braucht. Nur die nötigsten Wertgegenstände bei sich tragen und nur so, dass niemand darauf zugreifen kann, also am besten am Körper oder in innenliegenden Taschen.“

Verlagert sich die Kriminalität durch mehr Polizeipräsenz an Party-Schwerpunkten?

Eine ähnliche Verlagerung wie bei Taschendiebstählen zeigt sich bei Raubdelikten: Auch deren Gesamtzahl ist im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten angestiegen. Lediglich neun von insgesamt 49 Delikten, also rund 18 Prozent, wurden jedoch innerhalb der klassischen Feierzonen erfasst.

Wohin sich die gestiegene Anzahl der Straftaten verlagert hat, lässt sich derzeit noch nicht abschließend bewerten. Neue Schwerpunktareale konnte die Polizei bislang nicht ausmachen, wie Hüwe erklärt: „Die Steigerung der Straftaten im Vergleich zu 2019 verzeichnen wir an den Karnevalstagen 2023 außerhalb der üblichen Party-Hotspots. Ob diese Delikte also überhaupt mit Karneval in Verbindung stehen, müssen nun weitere Ermittlungen ergeben.“

In einer Mitteilung der Polizei ist die Rede davon, dass nicht zuletzt die in den Partymeilen verstärkte Polizeipräsenz dazu beigetragen haben dürfte, „dass trotz des massiven Besucherzulaufs und gesteigerten Konfliktpotentials infolge des erheblichen Alkoholkonsums das relative Kriminalitätsaufkommen der genannten Delikte in diesen Arealen rückläufig war".

Mehrere Faktoren beeinflussen Zahl der Straftaten an Karneval

Dieser Erklärungsansatz ist jedoch nur bedingt haltbar. Denn auf die Situation bei Körperverletzungen scheint sich die erhöhte Polizeipräsenz im Zülpicher Viertel, der Altstadt, auf den Ringen sowie in der Südstadt nicht ausgewirkt zu haben, wie die Zahlen zeigen. Von insgesamt 590 Körperverletzungen wurden 153, also rund 25 Prozent, an den Feier-Hotspots erfasst. 2019 sah die Quote ähnlich aus.

Warum die Zahl der Straftaten an den Karnevalstagen in diesem Jahr angestiegen ist, lässt sich nicht an einem einzelnen Grund festmachen. „Viele Faktoren wirken sich auf die Anzahl der Straftaten aus“, erklärt Hüwe. „Dieses Jahr war die Stadt sehr voll. Dies könnte möglicherweise daran liegen, dass viele Menschen nach der anstrengenden Coronazeit einen gewissen 'Nachholbedarf' hatten, wieder ausgelassen Karneval zu feiern.“

Auch der erhöhte Alkoholkonsum führt zu einer höheren Anzahl an Straftaten: „Wir sehen immer wieder: Morgens wird ausgelassen und friedlich gefeiert. Je länger der Tag dauert, je mehr die Menschen trinken, desto enthemmter werden sie, desto eher kommt es zu Straftaten.“

Eine höhere Anzeigenbereitschaft kann sich ebenfalls auf die Zahl der erfassten Straftaten auswirken: „Wenn eine Thematik gerade aktuell ist und in den Medien viel darüber berichtet wird, sind Menschen sensibler für das Thema.“ Zu erkennen war das beispielsweise 2016, als nach zahlreichen sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht und der darauf folgenden Berichterstattung die Zahl der Anzeigen wegen sexueller Übergriffe anstieg.

Die Zahl der Straftaten kann aber auch durch Faktoren wie das Wetter oder die Temperatur höher oder niedriger ausfallen. "Wenn an den Tagen, an denen Straßenkarneval gefeiert wird, schlechtes Wetter ist, sind die Straßen weniger voll“, sagt Hüwe. Er betont jedoch, dass die benannten Faktoren keine abschließende Erklärung liefern, sondern lediglich Ansätze sind, mit denen sich ein An- bzw. Abstieg der Fallzahlen begründen lässt.

Daten zu Straftaten im Kölner Karneval sind nur vorläufig

Den einen Grund für die gestiegene Anzahl an Straftaten im Kölner Karneval gibt es also nicht. Die Polizei Köln betont bei Betrachtung der Zahlen zudem immer wieder, dass die Daten – auch eine Woche nach Karneval – nur vorläufig sind. Sie können sich aufgrund nachträglicher Anzeigen verändern oder auch, wenn sich im Rahmen der Ermittlungen eine veränderte juristische Bewertung ergibt – ein vermeintliches Raubdelikt sich zum Beispiel doch nur als Diebstahl herausstellt. „Eine abschließende Bewertung ist demzufolge vielfach erst zu einem späteren Zeitpunkt und nach weiteren Ermittlungen möglich“, heißt es deshalb vonseiten der Polizei.

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