Der organisierte Kölner Karneval braucht eine fortlaufende Erneuerung, der Rücktritt ist richtig, meint unser Autor.
Kölner KarnevalWarum der Kuckelkorn-Rücktritt zum richtigen Zeitpunkt kommt


Christoph Kuckelkorn, hier bei der Sessionseröffnung 2024, hört auf.
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Dass der Präsident des Dachverbands der Kölner Karnevalsgesellschaften während der laufenden Session seinen Rücktritt erklärt und dafür berufliche Gründe angibt, ist bester Nährboden für Spekulationen. Steckt da nicht noch etwas anders dahinter? Schließlich fragen sich nicht nur viele Jecken schon seit Jahren, wie jemand ein derart zeitaufwendiges Ehrenamt mit dem Chefposten eines so großen Bestattungsunternehmens gestemmt bekommt.
Fakt ist, dass es in der Gerüchteküche schon länger brodelte. Wohl auch deshalb hat Christoph Kuckelkorn den jüngsten Präsidentenabend genutzt, um für Klarheit zu sorgen. Der Zeitpunkt ist richtig. Dass er seine Aufgaben nach der Session in jüngere Hände legen will, ist ebenso richtig. Wie viel jünger die dann sein werden, wird sich zeigen. Der organisierte Kölner Karneval braucht eine fortlaufende Erneuerung. Eine, die Kuckelkorns Vorgänger Markus Ritterbach 2005 erfolgreich angestoßen hatte und Kuckelkorn von 2017 an fortgesetzt hat.
Kölner Karneval: Christoph Kuckelkorn tritt als Präsident zurück
Viele Außenstehende mögen dies vielleicht nicht nachvollziehen, doch wer sich an die konservativ-verklemmte Ära unter Hans-Horst Engels erinnert, weiß, wie sehr sich das Festkomitee gewandelt hat. Der alternative Karneval mit der Stunksitzung war damals ein Feindbild. Der Band Brings wurde verboten, ihren Song „Poppe, kaate, danze“ auf Festkomitee-Sitzungen zu spielen – offizielle Begründung: Sexismus – obwohl die meisten Herrensitzungen mit sexistischen Inhalten so vollgepackt waren wie ein Kamellebüggel. Während es 1997 noch einen Skandal um „die schwule Jungfrau“ aus Rodenkirchen gab, wurde Prinz Marcus Gottschalk 2012 mit seinem Freund im Gürzenich gefeiert. In der Session 2024 stellte die Stattgarde Colonia ahoj das erste queere Dreigestirn – eines der besten der vergangenen Jahre.
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Nur bei Frauen, da hört der Spaß offenbar nach wie vor auf. Man kann Christoph Kuckelkorn vorwerfen, dass es unter seiner Ägide noch kein weibliches Dreigestirn oder eine Frau als Tollität gegeben hat. Bewerberinnen gab es. Doch offiziell wird dies nicht: Es mussten Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben werden – Spötter meinen, im Vatikan gehe vieles transparenter zu als beim Festkomitee.
Dass nach dem queeren Dreigestirn nun wieder ein vergleichsweise konservatives Dreigestirn auserkoren wurde, ist sinnbildlich für Kuckelkorns Amtszeit: Der Spagat zwischen Zeitgeist und Tradition ist in einer Organisation mit 140 höchst verschiedenen Gesellschaften stets ein Wagnis. Dass ihm das weitestgehend gelungen ist, zeigt die Tatsache, dass es bislang kaum Störgeräusche aus den eigenen Reihen gab.
Dabei fielen in Kuckelkorns Amtszeit gleich mehrere Herausforderungen, die bis dato kein Präsident zu bewältigen hatte. Die Corona-Pandemie bedrohte nicht nur den organisierten Frohsinn, sondern einen ganzen Wirtschaftszweig. Kuckelkorn vertrat mit Nachdruck die Interessen seiner Mitglieder, setzte sich bei der Politik erfolgreich für mehr städtische Zuschüsse für das Brauchtum ein. Zudem reagierte er mit seinem Team kurzerhand, als nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 aus dem Rosenmontagszug eine Friedensdemonstration wurde. Sein Nachfolger tritt kein leichtes Erbe an.


