„Sommergespräch“Evangelische Kirche in Köln spricht über Mitgliederverlust und Resilienz

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Männer mittleren Alters in blauen Sakkos vor dem Garten einer Kirche

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger (links) und Christian Gröger nahmen am „Sommergespräch“ über das Thema „Resilienz und Glaube“ teil.

Im traditionellen Sommergespräch mit Kölner Medienschaffenden ging es darum, wie die Kirche trotz Mitgliederschwund helfen kann.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation, Klimakatastrophe – wie ist diese Ballung der Krisen zu verkraften? „Viele Menschen erzählen von Erschöpfung“, sagt Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. „Der Bedarf nach Therapieplätzen und Seelsorge ist enorm.

Kinder und Jugendliche gehören zu denen, die während der Corona-Zeit besonders stark gelitten haben. Auch nach dem Ende der Schulschließungen und anderer Corona-bedingten Restriktionen haben sich bei ihnen häufiger als zu anderen Zeiten Symptome einer Depression gezeigt.

Aber auch bei Erwachsenen ist mehr denn je von Bedeutung, wie groß die Fähigkeit ist, Belastungen so standzuhalten, dass sich kein dauerhafte Beeinträchtigung einstellt. Seit einigen Jahren wird dies gern mit „Resilienz“ auf den Begriff gebracht.

Alles zum Thema Corona

Beim traditionellen „Sommergespräch“, zu dem Seiger Vertreter Kölner Medien eingeladen hatte, ging es darum, wie die evangelische Kirche daran mitwirken kann, die psychische Widerstandskraft zu stärken. Und dies in einer Zeit, in der sie selber nicht mehr so stark wie früher dasteht.

Pandemie hat „Tendenz zur Entfremdung beschleunigt“

„Die Kirchen wissen um die Verletzlichkeit der Seele und können mit Schwachheit und Grenzen der Kraft umgehen, weil sie dazu über Rituale und Sprache verfügen“, sagt Seiger. Doch in der Corona-Zeit, deren Einschränkungen auch vor Gottesdiensten nicht Halt machten und in der die Landeskirche aus seiner Sicht zu ängstlich agiert habe, habe manch einer „gemerkt, dass er ohne Kirche nichts vermisst“. Die Pandemie habe die „Tendenz zur Entfremdung beschleunigt“, wie sie sich in der hohen Zahl der Kirchenaustritte niedergeschlagen hat.

Mitgewirkt habe das Image- und Vertrauensproblem der Kirchen wegen des Missbrauchsskandals. Zum Zuwachs an Kirchenmitgliedern sagt der Stadtsuperintendent, zwar seien beim großen Tauffest am Rhein, das der Evangelische Kirchenverband Köln und Region im vorigen August veranstaltete, viele Taufen nachgeholt worden, und deren Zahl steige zurzeit wieder, doch im Jahresdurchschnitt werde das frühere Niveau nicht mehr erreicht.

Zahl der Taufen liegt im Jahresdurchschnitt unter früherem Niveau

Bei allem hält Seiger daran fest: „Der christliche Glaube ist jeden Tag und das ganze Jahr über eine Resilienzübung. Er stärkt die individuellen Ressourcen und die positive Grundhaltung“. Die Kirche habe vieles zu bieten. So seien Seelsorge, Beratung und Supervision eine „kirchliche Kernkompetenz“, Musik und gemeinsames Singen seien ebenso „Resilienzfaktoren“ wie der Halt, den die Gemeinschaft der Gläubigen stifte, und Kirchenräume böten „der Seele Gegenwelten der Ruhe“.

Die „Kernkompetenz“ übt zum Beispiel die Evangelische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene des Kirchenverbands aus, die seit Kurzem Christian Gröger leitet und die Standorte in Köln, Bensberg und Frechen hat. Die Beratungsstelle Frechen verzeichnet nach seiner Beobachung einen sehr großen Zulauf von Schülern und Schülerinnen; nach Corona sei die Zahl der Jugendlichen, die so verzweifelt waren, dass sie sich umbringen wollten, deutlich gestiegen.

Konzepte gegen sexualisierte Gewalt und Schulung von Mitarbeitenden

In der Regel gelinge es, in Gesprächen mit einem „verlässlichen Beziehungsangebot“ und unter Einbeziehung der Eltern eine Lösung zu finden. Neben Beratungen seien die Stellen aktiv daran beteiligt, Konzepte gegen sexualisierte Gewalt zu erstellen und Tausende Mitarbeitende entsprechend zu schulen. Die evangelische Kirche sieht Gröger prinzipiell gut aufgestellt. Für „Resilienz“ sorge ihre „demokratische Struktur“: Die Leitung sei gewählt, und Basis und Leitung arbeiteten zusammen. Dadurch würden „Fehlentscheidungen unwahrscheinlicher“.

KStA abonnieren