Köln früher und heuteWarum der Bismarck-Turm am Rhein ein kölsches Denkmal ist

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Das Kölner Bismarck-Denkmal am Bayenthalgürtel

  • In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
  • In dieser Folge geht um das Denkmal für Otto von Bismarck am Bayenthalgürtel, das 1903, fünf Jahre nach dem Tod des Reichsgründers, fertiggestellt wurde.
  • Unter den Hunderten Bismarck-Säulen, die zu jener Zeit entstanden, ist die Kölner Version in vielfacher Hinsicht besonders.

Köln – Als Otto von Bismarck 1898 stirbt, bilden sich im gesamten Deutschen Reich Komitees. Jeder Landkreis und jede große Stadt will dem Reichsgründer ein Denkmal setzen. Um die Jahrhundertwende beginnt ein regelrechter Hype um den einstigen Reichskanzler. Rund 250 Säulen und Türme seien zu seinen Ehren entstanden, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings: „Angedacht waren bis zu 600.“

Ein besonderes Bismarck-Denkmal wurde 1903 am Ende des Kölner Bayenthalgürtels inmitten eines halbkreisförmigen Platzes fertiggestellt. 27 Meter hoch ist das Monument, das heute wie damals einen Bismarck zeigt, wie er groß und grimmig über den Rhein wacht. Auf eine speziell kölsche Art allerdings.

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So ist der Reichskanzler als Rittergestalt in einem engen Panzer dargestellt. Vor sich trägt er das deutsche Reichswappen samt Reichskrone, das von den Panzerhänden der Ritterfigur gehalten wird. Die Kombination aus riesiger Figur und der dahinter emporragenden Säule existiere so kein zweites Mal, sagt Krings.

Die Ritterfigur entspreche dem Typus einer Rolandsstatue, wie sie im Mittelalter oft als Symbol der Freiheit einer Stadt aufgestellt wurde. Köln habe nie eine mittelalterliche Rolandsfigur besessen, sagt Krings. Mit dem Bismarck-Turm sei das in modernem Stil nachgeholt worden. „Die Sagenfigur aus dem Mittelalter wird mit dem gerade verstorbenen Reichsgründer vereinigt, das ist das absolut Besondere dieses Bismarck-Denkmals.“

Städtische Perspektive

Mit der Rolandsfigur habe sich Köln als Gründerin der mittelalterlichen Hanse dargestellt. Bismarck habe auf diese Weise eine städtische Perspektive bekommen, so der Experte: „Eigentlich wird er eingekölscht.“

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Die Bismarck-Säule in den 1920er Jahren

Die Kosten für das dunkel aufragende Monument lagen bei 48000 Mark. Architekt Arnold Hartmann stammte aus Berlin, der Hauptfinanzier, Schokoladenfabrikant Heinrich Stollwerck, aus Köln.

Direkt neben dem Denkmal bewohnte Stollwerck eine stattliche Villa, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. „Stollwerck sponserte die Figur quasi in seinem Vorgarten“, sagt Ulrich Krings. Dies habe er nicht uneigennützig getan, vielmehr habe er mit seiner Spende sich selbst in gutes Licht gerückt: „Er erweist sich so als national vertrauenswürdig, als staatstragend“, sagt Krings.

Flammen-Opfer an Feiertagen

Sämtliche Bismarck-Denkmäler waren damals elektrifiziert oder mit Ölleitungen versehen – auch das Kölner. An großen Feiertagen des Reiches und an Bismarcks Geburtstag wurden große Flammen-Opfer gebracht, eingebettet in staatstragende Zeremonien konservativer Kreise.

In der NS-Zeit spielte das Denkmal keine besondere Rolle mehr. In Erinnerungen von Zeitzeugen werde der Turm jedenfalls nicht erwähnt, so Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums. Nach 1933 habe der Bismarck-Kult offenbar deutlich nachgelassen. Die NS-Bewegung widmete sich lieber anderen Helden- und Führermythen.

Nach dem Krieg waren Feuerkulte ohnehin nicht mehr angesagt. Das Denkmal aus Basalt- und Grauwacke und die von Fritz Encke gestaltete Grünfläche gerieten in Vergessenheit und verwahrlosten. Erst in den 1980er Jahren entdeckte die Stadt es wieder und begann eine erste Sanierung.

Vorläufer am Augustinerplatz

Das mächtige Denkmal am Bayenthalgürtel hatte einen frühen Vorläufer. Schon Ende der 1870er Jahre wurde am Augustinerplatz eine Bismarck-Statue enthüllt, die auf nebulösem Weg verschwand: Die einen sprechen von Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, anderen Quellen zufolge soll sie kurz nach dem Krieg gestohlen worden sein.

Dass Köln im Kern antipreußisch eingestellt war, wie es oft kolportiert werde, gehöre ins Reich der kölschen Mythen, so Ulrich Krings. Denn das Bismarck-Denkmal am Augustinerplatz sei eines der frühestens überhaupt im Deutschen Reich gewesen. 

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