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Versuchter Mord in KölnMitschüler ins Auge gestochen – so lange muss der Täter ins Gefängnis

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Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Marc Donay kurz vor der Urteilsverkündung im Landgericht Köln

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Marc Donay kurz vor der Urteilsverkündung im Landgericht Köln

Hintergrund der Bluttat war ein Eifersuchtsdrama an einem Kölner Berufskolleg.

Für einen Mordanschlag bei einer Berufsschulveranstaltung muss ein Auszubildender für Lagerlogistik für dreizehneinhalb Jahre ins Gefängnis. Das entschied am Dienstag das Kölner Landgericht. Die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann sprach von versuchtem Mord nahe der Vollendung. Dass das Opfer überlebt habe, sei nicht dem Angeklagten zu verdanken, sondern dem mutigen Eingreifen mehrerer Mitschüler. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine lebenslange Haftstrafe beantragt.

Messer traf Lunge, Leber und Auge

Richterin Grassmann hob in ihrer Urteilsbegründung die Schwere der Verletzungen und die gravierenden Folgen für den 28-jährigen Geschädigten hervor. Mindestens 39-mal habe der Täter mit einem Messer zugestochen, dabei mit Kopf und Oberkörper die sensibelsten Bereiche des Körpers getroffen. Lunge und Leber wurden verletzt, was laut Gericht zu einem massiven Blutverlust geführt habe. Nur eine Not-Operation in der Uniklinik hatte das Leben des Verletzten retten können.

An der Sportanlage in Bocklemünd ereignete sich die Messerattacke.

An der Sportanlage in Bocklemünd ereignete sich die Messerattacke.

Ein Messerstich traf das rechte Auge des Opfers. Unmittelbar nach der Not-OP wurde der Mann in die Augenklinik verlegt, wie die behandelnde Ärztin im Zeugenstand aussagte. „Der Augapfel war fast bis zur Hälfte geöffnet“, schilderte die Medizinerin. Erst vor wenigen Tagen sei der Patient erneut operiert worden. Er könne auf dem rechten Auge nur noch schemenhaft sehen. Dass sich der Zustand erheblich bessere, sei laut der Ärztin zwar nicht ausgeschlossen, allerdings sehr unwahrscheinlich.

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Eifersuchtsdrama in Klasse eines Berufskollegs

Täter und Opfer kannten sich aus der gemeinsamen Klasse eines Berufskollegs. Es kam zum Streit, nachdem eine Mitschülerin sich vom Angeklagten getrennt hatte. Der wollte den Schlussstrich der Frau nicht akzeptieren, verfolgte sie laut Urteilsbegründung per Social Media und im Schulgebäude. Der Geschädigte eilte der Frau zur Hilfe, nachdem der Angeklagte sie bis auf die Damentoilette verfolgt hatte. Nach einer Prügelei der beiden Männer erstatteten beide gegenseitig Anzeige.

Die Frau erwirkte eine einstweilige Anordnung eines Gerichts, nach der sich der Angeklagte ihr nicht mehr nähern durfte. Die Schulleitung versetzte den Mann in eine andere Klasse. Trotzdem habe der Angeklagte weiter Besitzansprüche geltend machen wollen, für die es keinerlei Rechtfertigung gegeben habe, so Richterin. Der Geschädigte, mit dem sich die Ex-Freundin angefreundet habe, habe gestört. Richterin Grassmann: „Am letzten Schultag wollten sie ihn aus dem Weg schaffen und sich rächen.“

Mordattacke bei Schulveranstaltung in Bocklemünd

Bei einer Veranstaltung auf einem Sportgelände in Bocklemünd habe der heute 28-jährige Angeklagte den Rivalen abgepasst, als dieser mit seinem Auto vorfuhr. Nach einem Schlag ins Gesicht habe er das Messer eingesetzt und immer wieder zugestochen. Vergeblich habe eine Mitschülerin versucht, den Mann von weiteren Stichen abzuhalten. Erst als weitere Schüler eingriffen, habe der Täter überwältigt werden können. „Du bist der Nächste“, habe der Beschuldigte noch einem weiteren Mann zugerufen.

Beim Prozessauftakt hatte der Angeklagte über seinen Verteidiger Marc Donay eine Tötungsabsicht bestritten. Lediglich eine Abreibung sei geplant gewesen und kein Messereinsatz. Die Waffe habe er nur dabeigehabt, um sich im Notfall verteidigen zu können. Dem folgte das Gericht nicht. Von Anfang an sei ein Mord geplant gewesen, so habe der Angeklagte seine Tat sogar mehreren Mitschülern angekündigt. Ernst genommen habe das niemand, „weil sie sich das einfach nicht vorstellen konnten“.

Landgericht sieht von lebenslanger Haftstrafe ab

Neben den körperlichen Folgen leidet das Opfer seit dem Verbrechen im vergangenen Jahr auch psychisch schwer. Er verlasse aufgrund von Angstzuständen nur noch ungern das Haus, so schilderte es die Richterin. Opfer-Anwältin Pantea Farahzadi sagte, ihr Mandant, der auch bleibende Schäden am linken Arm erlitten hat, könne seinen Ausbildungsberuf nicht mehr ausüben. Farahzadi schloss sich der Staatsanwaltschaft an und forderte lebenslang Gefängnis und damit die Höchststrafe.

Das Landgericht entschied sich für eine zeitige Freiheitsstrafe – um dem Angeklagten eine Perspektive zu geben. „Sie sind ein junger Mensch und nicht vorbelastet“, so begründete Richterin Grassmann die Milderung des Strafrahmens. Auch habe der Täter Reue gezeigt und immerhin bereits 3000 Euro Schmerzensgeld bezahlt. Aufgrund der hohen kriminellen Energie habe die Haftstrafe dennoch am oberen Rand ausfallen müssen. Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig.