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Neuer Prozess in Köln?Rocker im Park erschossen – Verfassungsrichter überprüfen Mordurteil

Lesezeit 3 Minuten
An einem Brauhaus in Mülheim fielen im Mai 2023 die tödlichen Schüsse.

An einem Brauhaus in Mülheim fielen im Mai 2023 die tödlichen Schüsse.

Der Beschuldigte Hami S. hatte seine Beteiligung an dem Verbrechen stets bestritten. 

Der Kriminalfall um einen mit Kopfschuss getöteten ehemaligen Hells-Angels-Rocker in Mülheim beschäftigt nun das Bundesverfassungsgericht. Es ist die letzte Chance für den zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten Hami S. (28), der im Mai 2023 den Mordauftrag erteilt haben soll und die Tat bis zuletzt abgestritten hatte. Der Bundesgerichtshof hatte keine Rechtsfehler gesehen und das Kölner Urteil bestätigt.

Köln: Früherer „Hells Angels“-Rocker neben Brauhaus erschossen

Als „öffentliche Hinrichtung“ neben einem Brauhaus hatte der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg die Ermordung des früheren „Hells Angels“-Rockers Eren Y. (35) in Mülheim bezeichnet. Das Motiv des Auftragsmords blieb im Dunkeln, die Rede war von möglichen Revierkämpfen im Rocker-Milieu oder auch Schulden. Der Tathergang konnte laut Gericht jedoch rekonstruiert werden.

Der 27-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Der 27-jährige Angeklagte begrüßt seinen Verteidiger beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

So waren es die früheren Rocker Marco C. (28) und Emre U. (32), die am Tattag an der Wohnung des späteren Mordopfers aufgetaucht waren, ihn dort aber nicht angetroffen hatten. Die Verdächtigen trafen danach an einem Fitnessstudio auf ihr Opfer. Die Stimmung sei normal gewesen, hatte die Freundin von Eren Y. später ausgesagt, man kannte sich. Dann sei plötzlich geschossen worden.

Y. starb noch am Tatort, die Freundin überlebte schwer verletzt. Ein Brauhaus-Kellner hatte ihre klaffende Halswunde mit Stoffservietten und einer Tischdecke versorgt. Die mutmaßlichen Schützen sind bis heute auf der Flucht. Doch der Auftraggeber sei der frühere Rocker Hami S. gewesen, so das Kölner Gericht. Er habe vor und nach der Tat mit den Tätern kommuniziert, das belegten Handydaten.

Köln: Mutmaßlicher Schütze wollte als Zeuge aussagen

Der Knackpunkt bei der Überprüfung des Urteils war die Tatsache, dass Richter Hengstenberg einen zentralen Zeugen in der Verhandlung nicht gehört hatte. Der in die Türkei geflüchtete Verdächtige Emre U. wollte nach einem Hin und Her per Videoschalte aussagen. Angeblich wollte er Hami S. entlasten. Richter Hengstenberg hatte eine solche Zeugenvernehmung allerdings abgelehnt.

Zielführend sei nur die direkte Befragung im Gerichtssaal, so das Gericht. Dazu hatte der Richter dem Mordverdächtigen sogar freies Geleit angeboten. Emre U. hätte demnach von den Behörden unbehelligt nach Deutschland einreisen und wieder ausreisen dürfen. Trotz Haftbefehls. Doch nach Köln kommen wollte U. nicht. Die angedachte Zeugenvernehmung hatte sich damit erledigt.

Köln: Verfassungsrichter lehnen Haftentlassung ab

Das Gericht bewertete dieses Vorgehen als zulässig, da der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vergleichbaren Fall ähnlich entschieden hatte. Tatsächlich bestätigte der BGH die Entscheidung des Kölner Gerichts – die Verteidigung legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Die Richter hätten die Mindestanforderungen der Wahrheitserforschung verkannt, es sei kein faires Verfahren gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde zunächst an, sie sei „weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“. Die Erfolgsaussichten seien offen. Kippen die Verfassungsrichter das Urteil, dann käme es zur neuen Verhandlung. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht abermals zur Mordverurteilung käme. Einen Antrag auf Haftentlassung wiesen die Verfassungsrichter nämlich zurück. Der dringende Tatverdacht würde fortbestehen.

Der bekannte Kölner Strafverteidiger Sebastian Schölzel wertet es bereits als positives Signal, dass die Verfassungsrichter die Beschwerde des Beschuldigten nicht von vornherein als unbegründet abgewiesen haben: „Das stärkt die Rechte von Angeklagten im Strafverfahren und zeigt den Gerichten grundsätzlich, dass sie Beweisanträge der Verteidigung nicht einfach so abtun können.“