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Neue ErmittlungsgruppeSo will die Kölner Polizei die „Cold Cases“ lösen

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Nicht immer führen polizeiliche Ermittlungen zur Aufklärung der Fälle.

Köln – Zwei Botschaften bringt Kripo-Chef Klaus-Stephan Becker am Dienstagnachmittag mit zu einer viel beachteten Pressekonferenz im Polizeipräsidium. Erstens, dass sich kein Mörder, keine Mörderin in der Stadt jemals sicher fühlen soll, dass er oder sie nicht gefunden wird. Und zweitens, dass kein Opfer vergessen sein soll, dass Hinterbliebene und Freunde womöglich irgendwann Gewissheit und Gerechtigkeit bekommen sollen.

Das sind jedenfalls die Ziele der Anfang des Monats neu eingerichteten Ermittlungsgruppe „Cold Cases“ bei der Kriminalpolizei, die ungeklärte Mordfälle aus Köln und Umgebung neu aufrollen soll. Becker spricht von einem „unbedingten Aufklärungswillen“, dass womöglich einige teils jahrzehntealte Morde doch noch gelöst werden. „Die Täter sollten keine ruhige Minute mehr haben“, sagt Becker.

Bereits jetzt arbeiten pensionierte Beamte an ungelösten Fällen

Diese Kampfansage an alle Mörderinnen und Mörder kommt nicht überraschend. Schon seit vergangenem Herbst sitzen beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf pensionierte Ex-Kriminalkommissare, wälzen sich durch Aktenberge und suchen nach neuen Ermittlungsmöglichkeiten, die ihren Kollegen vor Jahren oder Jahrzehnten nicht einfielen oder nicht zur Verfügung standen. Genetische Tests zum Beispiel oder andere Spurensicherungsverfahren.

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Womöglich könnte heute ein Täter oder eine Täterin durch eine DNA-Probe überführt werden, die etwa in den 1980er Jahren noch nicht auszuwerten war. Auch Zeuginnen und Zeugen, die bei den damaligen Ermittlungen geschwiegen haben – etwa aus Angst, sich als homosexuell oder als Prostituierte outen zu müssen – könnten heute doch noch zur Aussage bewegt werden. Solche Ansätze geben die sogenannten „Rentnercops“ aus Düsseldorf an die Kölner Mordkommission weiter, die diesen Spuren dann erneut nachgeht.

Aufklärungsquote über 90 Prozent

Das Projekt im Kriminalkommissariat 11 ist auf mehrere Jahre angelegt, die es wohl auch brauchen wird. Drei Polizistinnen und drei Polizisten hat die neue Ermittlungsgruppe, die explizit aus dem Alltagsgeschäft der Mordkommission herausgehalten werden sollen. Knapp 200 Mordfälle im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums Köln aus den vergangenen Jahrzehnten sind ungeklärt, die meisten davon in Köln.

Becker rechnet damit, dass wohl maximal die Hälfte davon neue Ansätze hergibt und somit auf den Tischen der Cold-Case-Ermittler landen wird. Dennoch dürfte das einen gewaltigen Arbeitsaufwand bedeuten. Jedes „noch so kleine Detail“ werde noch einmal beleuchtet, sagt Becker. „Wir tauen die Cold Cases wieder auf und hauchen ihnen neues Leben ein.“

Bei drohender Verjährung „sofort handeln"

Leiten wird die neue Einheit Markus Weber, Chef der Mordkommission und einer der erfahrensten Mordermittler des Landes. Fast alle Tötungsdelikte in Köln werden zwar gelöst, die Aufklärungsquote liegt seit Jahren zwischen 90 und 100 Prozent. Doch in einigen Fällen gestalten sich die Ermittlungen schwierig, manchmal sogar von Anfang an. „Fast alle Cold Cases verbindet, dass es entweder keine Täter-Opfer-Beziehung gibt oder dass sie nur sehr schwer zu erkennen ist“, sagt Weber.

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Wenn dann trotzdem die Verantwortlichen gefunden werden sollen, könnten es zum Beispiel Zufallsfunde wie ein DNA-Treffer in einem nachträglich durchgeführten Reihentest sein oder ein Detail, das jemand bei einer Öffentlichkeitsfahndung erkennt. Die potenziell sehr hohe Fallzahl und die Komplexität der Fälle macht eine Priorisierung unumgänglich.

„Wenn zum Beispiel Verjährung droht, müssen wir sofort handeln“, sagt Weber. Anders als Mord verjährt Totschlag nach 20 Jahren. Dass es soweit kommt, versucht Weber mit seinem Team zu verhindern. In manchem Fällen könnte es aber schon zu spät sein.

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