Kölner Mammut-Prozess vor AbschlussThomas Drach sieht Verschwörung – Anwalt präsentiert „wahre Täter“

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Der Angeklagte Thomas Drach beim Prozess im Landgericht. Rechts ein Justiz-Wachtmeister, im Hintergrund ein SEK-Beamter.

Der Angeklagte Thomas Drach beim Prozess im Landgericht. Rechts ein Justiz-Wachtmeister, im Hintergrund ein SEK-Beamter.

Der Kölner Richter will den Hochsicherheits-Prozess endlich abschließen, doch Thomas Drach hat noch ein vermeintliches Ass im Ärmel. 

Der Mammut-Prozess um Thomas Drach vor dem Landgericht Köln steht kurz vor dem Abschluss. Während der Vorsitzende Richter Jörg Bern bereits deutlich gemacht hat, keine weiteren Zeugen mehr zu benötigen, meldete sich am Freitag der frühere Reemtsma-Entführer mit einem bemerkenswerten Monolog zu Wort. Der 62-Jährige sieht sich offenbar als Opfer einer großen Verschwörung. Mit mehreren Beweisanträgen greift Drach nun wohl nach dem letzten Strohhalm.

Köln: Thomas Drach bezichtigt Staatsanwältin

„Hier wurde ein substanzloses Verfahren mit untauglichen Sachverständigen und drogenabhängigen Zeugen aufgebaut, weil man nichts gegen mich in der Hand hat“, so las es Drach in Saal 112 von einem vorbereiteten DIN A4-Blatt ab. Ein früherer und inzwischen ersetzter Video-Gutachter sei mit der Kryptowährung Bitcoin im Wert von 145.000 Euro bezahlt worden, damit dieser ihn belaste, so behauptete es Drach. Der Angeklagte forderte, dass dieser als Zeuge vernommen werden solle.

Mit immensem Aufwand wird Thomas Drach meist per Hubschrauber aus der JVA Köln zum Justizzentrum gebracht.

Mit immensem Aufwand wird Thomas Drach meist per Hubschrauber aus der JVA Köln zum Justizzentrum gebracht.

Drach bezichtigte Staatsanwältin Anja Heimig, einen „Kronzeugen“ auf ihn angesetzt zu haben. Der wegen Drogengeschäften in Kleve verfolgte Mann sei gezielt in die JVA Köln versetzt worden, „um mich auszuhorchen und auszuspionieren“. Letztlich sei er diffamiert worden. So hatte der ehemalige Mithäftling behauptet, Drach habe ihm gegenüber drei von vier ihm vorgeworfenen Überfällen auf Geldtransporter zugegeben. Die Staatsanwaltschaft sieht den Zeugen offenbar als glaubwürdig an.

Rechtswidrig sei im Vorfeld des Prozesses gegen ihn ermittelt worden. Drach warf seinem früheren Entführungsopfer Jan Philipp Reemtsma vor, angeblich einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt zu haben. Dieser habe mit dem Landeskriminalamt Hamburg zusammen gearbeitet „und das ohne staatlichen Auftrag“. Ziel seiner Gegner sei es, dass er in die Sicherungsverwahrung komme. Das habe schon einmal nicht funktioniert – Drach führte hierzu einen Überfall in Braunschweig an. Der Fall verjährte.

Köln: Diverse Beweisanträge sollen Drach entlasten

Drachs Verteidiger Andreas Kerkhof hatte zuvor bereits diverse Beweisanträge gestellt, die seinen Mandanten entlasten sollen. Etwa soll der mutmaßliche Komplize Eugen W. im Zeugenstand zugunsten von Drach aussagen. Gegen den Niederländer läuft derzeit ein aufgrund dessen schlechten Gesundheitszustandes mittlerweile abgetrenntes Verfahren. Eugen W. könne bezeugen, dass Drach sich in tatrelevanten Zeiträumen nicht in Deutschland, sondern in Amsterdam aufgehalten habe.

Kerkhof will zudem mit einem Gutachten beweisen, dass nicht Drach eine belastende DNA-Mischspur an einem für die Tat verwendeten Audi A8 hinterlassen habe, sondern ein Polizist. Der habe die Spur übertragen. Auch eine auffällige, nachträglich monierte dritte Bremsleuchte an einem ebenfalls tatrelevanten Opel Combo, dessen Besitzer aus dem Dunstkreis des Angeklagten stammen soll, sei in einem weiteren Fall nicht relevant. Anwalt Kerkhof: „So ein Nachrüsten ist tausendfach geschehen.“

Köln: Verteidiger zieht Parallele zu Überfall in Marienburg

Der Verteidiger präsentierte auch gleich die „wahren Täter“. Das wären nämlich „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ die, die im Juli vergangenen Jahres einen Geldtransporter in Marienburg überfallen haben. Die Tatausführung sei nahezu identisch zu zwei hier angeklagten Fällen, etwa wurde mit einer Kalaschnikow geschossen. „Herr Drach war zu dieser Zeit inhaftiert“, sagte Kerkhof, könne also nicht einer der Täter sein. Ein neues Gutachten mit der Analyse der Tatvideos soll die Thesen des Verteidigers untermauern.

Der Richter hatte zuletzt diverse Beweisanträge von Drach und seinen Verteidigern abgelehnt. Sollte dies womöglich auch diesmal geschehen, dann könnten bei den nächsten Prozesstagen die Plädoyers starten. Der Drach-Prozess sorgt seit eineinhalb Jahren für Alarmstufe Rot im Kölner Landgericht. Schwerbewaffnete Polizisten sichern das Gebäude gegen mögliche Befreiungsaktionen, Straßensperrungen nerven die Anwohner. Dieser Zustand könnte nun sehr bald ein Ende haben.

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