Gitarrist von Carolin KebekusKölner Till Kersting veröffentlicht Album „Circuskind“

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Sänger und Gitarrist Till Kersting

Köln – Während die Corona-Beschränkungen so langsam wegfallen, sieht sich der Kölner Gitarrist und Sänger Till Kersting (42) ein Stück weit zurück in der Normalität. „Ich kann wieder arbeiten – und das ist gut so.“ So stand er kürzlich noch mit Tommy Engel auf der Tanzbrunnen-Bühne und zudem hat er derzeit jeden Donnerstagsabend einen Fernsehauftritt. Kersting spielt in der ARD-Show von Carolin Kebekus in der „Late Night Show Band“ mit, die für die kurzen, musikalischen Überleitungen zwischen den einzelnen Comedy-Nummern zuständig ist oder auch schon mal einen den Gastkünstler live begleiten darf. So zuletzt Zoe Wees („Hold me like you used to“) oder auch die No Angels („Herstory of Girlbands“). Kersting: „Nur Bill Kaulitz von Tokio Hotel wollte das nicht.“

Musikalisch gearbeitet hatte Kersting allerdings auch in den Monaten des Lockdowns. Nach drei englischsprachigen Studio-Alben, die sich „ganz gut verkauft haben“, hat er nun seine erste Platte mit deutschen Songs fertiggestellt. Die heißt „Circuskind“ und soll im November als Vinyl-Scheibe veröffentlicht werden. „Ich habe schon vor einigen Jahren angefangen, auch deutsche Texte zu schreiben. Aber für solche Lieder hatte ich bisher auf der Bühne keine Plattform.“ Da war er zumeist nur im Hintergrund unterwegs. Gegenwärtig gehört er als Gitarrist fest zur Tommy Engel Band sowie zu der international recht erfolgreichen Rockabilly-Formation The Baseballs, die auch gerade mit „Hot Shots“ ein neues Album aufgenommen hat, sowie zur Sitzungskapelle von Deine Sitzung. Zuvor war er zudem mit Peter Kraus, Stefanie Heinzmann, Tom Beck und anderen im Studio und auf Tournee. „Von den bekannten Kollegen konnte ich viel lernen. Vor 2000 Fans in einer Halle aufzutreten, fand ich stets besser als vor 200 Leuten in einem Club.“

Single „Hallo, Hallo“ veröffentlicht

Den Corona-Lockdown und die damit verbundene künstlerische und finanzielle Vollbremsung bezeichnet er „auch als eine Art Segen. Wenn alles um einen herum wegbricht, muss man lernen, mit dem klar zu kommen, was übrig bleibt.“ So blieb ihm Zeit, seine deutschen Songs aufzunehmen. „Ich habe das nicht gemacht, um berühmt zu werden, sondern für mich. Das musste alles raus. Das sind weitgehend autobiografische Geschichten, keine Belanglosigkeiten.“

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Als Vorgeschmack für das Album wurde jetzt bereits bei Youtube und anderen gängigen Streaming-Plattformen die Single „Hallo, Hallo“ veröffentlicht. Eigentlich eine Gute-Laune-Rock'n'Roll-Nummer – jedoch mit Tiefgang. „Hallo, Hallo – komm rein. Ich hab' die Schwimmflügel schon an. Dann kann ich in deiner Flut nicht mehr ertrinken. Ich reite mit dir auf dem höchsten Punkt – zusammen Richtung sicheres Land“, heißt es im Refrain dieses Liedes, mit dem Kersting seinen Erfahrungen mit Ängsten und Panikattacken verarbeitet. „Ich hoffe, dass sich viele in dem Song wiederfinden. Denn es ist eine Volkskrankheit, über die man nicht spricht.“ Bevor er darüber gesungen hat, hat er auch lange nicht darüber gesprochen. Während der Tour mit Tom Beck im Jahr 2013 hatte Kersting einen Burn-out. Er brach zusammen unter der Last funktionieren zu müssen, war den körperlichen und seelischen Anforderungen nicht mehr gewachsen. „Rund eineinhalb Jahre hatte ich stets Todesängste beim Einschlafen.“ Geholfen hat ihm eine Verhaltenstherapie und alternative Heilmethoden. „Inzwischen bin ich symptomfrei und darüber hinweg.“

„Bin ein echtes Zirkuskind“

Und er freut sich schon darauf, alle Songs seines „Circuskind“-Albums live vor Publikum spielen zu können. „Aber vor 2023 wird das wohl nichts. Durch die ständigen Verschiebungen von Tourneen und Konzerten sind in den Clubs und den Hallen ja kaum Termine frei. Alle wollen ihre Shows von 2020 und 2021 nachholen.“ Vielleicht könne er im Vorprogramm der Europa-Tour mit den Baseballs – am 14. Januar auch in Köln, in der Live-Music-Hall – einige seiner Lieder spielen. Dabei tauche der Album-Titel selbst in keinem der Songs auf. „Aber ich bin halt ein echtes Zirkuskind. Das stimmt schon.“

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In Kassel geboren ist Kersting in einem Bauwagen des Circo da Cultura aufgewachsen, mit dem seine Mutter, eine frühere Lehrerin, bundesweit umherzog, nachdem sie einen Schlagzeuger geheiratet. Zuvor hatten die Eltern das Haus in Kassel aufgegeben und waren aus Angst vor den Folgen der radioaktiven Wolke nach dem Reaktor-Unfall in Tschernobyl 1986 für ein Jahr nach Portugal ausgewandert. Zurück in Deutschland hat man sich beim Circus Roncalli abgeguckt, wie es geht: Zelt, Fuhrpark, Ensemble – aber ohne Tiere. „Bernhard Paul kennt mich, seit ich sieben Jahre alt war“, erinnerst sich Kersting. Später hat er ab 2005 mehrfach in der Begleitband der Roncalli-Diner-Shows – mit den Sterneköchen Dieter Müller und Witzigmann - mitgespielt und nun auch das Video für den Hallo, Hallo“- Song im Roncalli-Winterquartier in Mülheim aufgenommen. „Bernhard Paul liebt doch den Rock'n'Roll genauso wie ich. Und vor allem auch die Rolling Stones.“

Gitarre halten wie Jimi Hendrix

Als Zwölfjähriger hatte Kersting für sich die Stones entdeckt und seine Lego-Eisenbahn gegen eine Fender-Gitarre für Rechtshänder eingetauscht, die er als Linkshänder jedoch direkt umdrehte. So halte doch nur Jimi Hendrix seine Gitarre, hatte der Verkäufer gesagt, ihm aber sogleich alle Saiten umgespannt. „Ich spielte einige Akkorde und es fühlte sich gut an. Anschließend guckte ich mir fast alles von anderen Musikern ab und wurde mit 14 in die Zirkusband gesteckt.“ Das war der Anfang einer Musik-Karriere. Als dem Zirkus zehn Jahre später die Luft ausging, zog es Kersting nach Köln.

Seine Liebe zu den Rolling Stones und ihrer Musik („Keith Richards ist doch der Grund, warum ich überhaupt Gitarre spiele“) ist geblieben. Solch eine Rock-Musik machen hierzulande doch nur noch Westernhagen und Udo Lindenberg, Peter Maffay und Wolfgang Niedecken. Es gibt niemanden unter 70 in Deutschland, der so eine Musik spielt – außer mir. Die jüngeren Leute machen doch alle eher Radio-Pop. Auch ein Grund, der mich gepusht hat.“

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