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Hier spielt keiner mehrWarum so viele Spielplätze in Köln leer sind

6 min
Ein Spielplatzschild steht vor einem leeren Spielplatz.

Es steht zwar Spielplatz dran, doch Spielgeräte sind keine mehr da in der Philippstraße in Ehrenfeld.

Auf vielen Kölner Spielplätzen gibt es seit Jahren keine Spielgeräte  – Eltern verlieren langsam die Geduld.

Es ist Nachmittag in Neubrück. Schule und Kindergärten sind aus, ein bisschen Sonne scheint noch. Ein Junge fährt mit seinem Roller an der Hermann-Ehlers-Straße vorbei – Helm auf, Gummistiefel an. Doch am Spielplatzeingang biegt er nicht ab. Kein Blick nach rechts. Warum auch? Hinter dem bunten Schild mit spielenden Kindern wartet kein Abenteuer – nur hohes Gras, eine beschmierte Bank und verstreuter Müll. Hier lädt nichts zum Spielen ein. 

Eine Fläche mit Gras und einer Bank. Davor steht ein Spielplatzschild.

Einer von vielen: Der Spielplatz an der Hermann-Ehlers-Straße scheint verlassen.

Das gleiche Bild zeigt sich an der Gießener Straße in Humboldt-Gremberg, an der Philippstraße in Ehrenfeld und am Marktplatz in Porz-Ensen: Sandflächen mit Unkraut, Zäune, aber keine Spielgeräte. Kölns Spielplätze werden weniger – und leerer.

Die Spielmöglichkeiten gehen aus

Marius Nieweg lebt mit seiner Familie in Ehrenfeld. Sein Sohn ist fünf. „Hier im Veedel verschwinden die Spielplätze einfach. Die Geräte werden abgebaut, aber es kommen keine neuen nach“, sagt er beim Spaziergang durchs Veedel. Einen Garten hat die Familie nicht – die Spielplätze sind Treffpunkt, Rückzugsort, Kindheitserinnerung.

Ein Mann mit lila Schal steht vor einer Tischtennisplatte.

Marius Nieweg und sein Sohn müssen inzwischen mit dem Rad zum nächsten Spielplatz fahren.

Vor dem ehemaligen Spielplatz an der Leyendeckerstraße laden zwei Mädchen alte Kleidung ab, gleich neben dem ausrangierten Staubsauger, der dort schon steht. Dahinter: ein umzäuntes, leeres Stück Erde. Früher stand hier eine Tischtennisplatte und ein Spielplatzschild. Beides ist nun weg. Auch an der Platenstraße und im Leo-Amann-Park das gleiche Bild: Wo früher Klettergerüste standen, sind heute nur noch Sand und ein paar einsame Wippen geblieben. „Wenn Freunde meines Sohnes zu Besuch sind, fragen die: Wo sind denn hier die Spielplätze? Und er sagt nur: Die sind abgebaut“, erzählt Nieweg.

Hoffnung in Ehrenfeld

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Der Spielplatz in der Platenstraße soll nach einer Schadstoffsanierung 2026 endlich neue Geräte bekommen. Derzeit stehen dort nur ein paar Federtiere und eine Wippe auf einer weiten, leeren Fläche.

Laut städtischer Spielraumplanung belegt Ehrenfeld mit 4,1 von sechs möglichen Punkten Platz fünf unter den neun Bezirken bei der Spielraumversorgung. Insgesamt gibt es 74 Spielflächen. Beim Platzangebot liegt der Stadtteil dagegen vorn: 1,4 Quadratmeter Spielfläche pro Einwohner, nur Chorweiler hat mehr. Das städtische Ziel von zwei Quadratmetern wird allerdings nirgends erreicht. Innerhalb Ehrenfelds zeigen sich zudem große Unterschiede: In Ossendorf stehen den Kindern über drei Quadratmeter zur Verfügung, in Neuehrenfeld nur 0,6.

Eine große Fläche mit Sand gefüllt.

So leer soll es auf dem Spielplatz an der Platenstraße in Ehrenfeld bald nicht mehr auf dem Spielplatz aussehen.

Weil Raum knapp ist, setzt die Stadt weniger auf Neubauten als auf Sanierungen und Aufwertungen bestehender Flächen. Im aktuellen Plan stehen für Ehrenfeld Projekte an der Platenstraße, im Leo-Amann-Park, an der Wissmannstraße, der Everhardstraße und am Meisenweg an. Ob das alles umgesetzt wird, hängt vom Budget ab.

Im Stadtteil Weiden kämpft Roland Held schon seit Jahren um neue Spielgeräte. „Zwei der zehn Spielplätze hier sind komplett leer“, sagt er. Besonders ärgert ihn der Zustand an der Schulstraße/ Ecke Ostlandstraße. „Da warten wir seit 16 Jahren. Das Schild ist inzwischen auch abmontiert.“ Held verweist auf die offizielle Spielraumplanung der Stadt. 2018 wurde darin angekündigt, zwei Quadratmeter Nettospielfläche pro Einwohner zu schaffen: „In der Praxis rechnet die Stadt aber mit Bruttoflächen – also inklusive Büsche, Wege, Bänke.“

Ein Platz mit zwei Bänken und viel Laub.

Inzwischen sieht die Fläche an der Ostlandstraße aus wie ein normaler Platz. Ein Spielplatzschild gibt es auch nicht mehr.

Eine Lösung, so Held, liege längst auf dem Tisch: Mehrzwecknutzung. So könnten Schulhöfe beispielsweise mitgenutzt werden, wenn sie nachmittags offen sind. Aber das würde nicht umgesetzt werden, zumindest bislang nicht in Weiden.

Die Stadt Köln gibt an, dass die Neugestaltung des Spielplatzes im Spielplatzbedarfsplan 2018 bis 2023 vorgesehen war, aber wegen Personalmangels zunächst nicht umgesetzt werden konnte. In der neuen Spielraumplanung 2025 bis 2030 stehe das Projekt wieder auf der Prioritätenliste. Der Platz wird derzeit neu geplant, die Eröffnung sei bis 2028 vorgesehen.

Über 700 Spielplätze

Die Stadt Köln hat in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt sieben Millionen Euro für die Sanierung und Modernisierung von maroden Spielplätzen bereitgestellt. Erst am Samstag, 25. Oktober, wurde die neue Parkanlage an der Glashüttenstraße in Porz eröffnet – mit Pumptrack, großem Spielturm samt Rutschen sowie verschiedenen Sportgeräten. Die Kosten für die Sport- und Spielplatzflächen mit Geräten belaufen sich auf fast eine Millionen Euro. Die gesamte Parkanlage kostete 6,5 Millionen Euro. (Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete.)

Aus Sicht der Stadt Köln sind die meisten Spielplätze weiterhin nutzbar: Über 700 Spielplätze gebe es in Köln, lediglich ein bis zwei Prozent seien davon ganz oder teilweise gesperrt. Neu in der Spielraumplanung 2025 bis 2030 sei, dass die Stadt künftig stadtweit priorisiert, wo neue Spielplätze entstehen oder bestehende Flächen neu gestaltet werden.

Ein laminiertes Schild liegt auf dem Boden. Auf ihm ist ein Warnhinweis "Betreten verboten" zu lesen.

In der Fritz-Haber-Straße in Flittard ist der Spielplatz derzeit wegen Schadstoffbelastung gesperrt.

Grundlage seien dabei feste Kriterien: die angestrebten zwei Quadratmeter Spielfläche pro Einwohner, die soziale Lage im Veedel sowie die Bevölkerungsentwicklung bis 2028. Für kleinere Maßnahmen wie Ersatzbeschaffungen oder Umgestaltungen bleiben weiterhin die Bezirksvertretungen in den neun Stadtbezirken zuständig. Zeitpläne können sich aber auch oft verschieben, so die Stadt Köln – etwa durch Sicherheitsmängel, Schadstofffunde, Investorenprojekte oder fehlende Fördermittel.

Auch Spielplätze ohne Spielgeräte behalten weiterhin ihre Schilder. Laut Stadt Köln dienen sie trotzdem weiterhin als Schutzorte für Kinder und Jugendliche. Perspektivisch sei jedoch eine Neugestaltung der Spielflächen in diesen Fällen vorgesehen. Immer wieder müssten Spielgeräte kurzfristig demontiert werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Das Grünflächenamt entscheide zum Beispiel bei der jährlichen Hauptuntersuchung, ob ein Spielgerät abgebaut werden müsse oder repariert werden kann. Auch wetterbedingte Schäden und Zerstörungen durch Vandalismus könnten zu einem kurzfristigen Abbau führen. Es sei nicht immer möglich, kurzfristig für Ersatz zu sorgen.

Wenn Normen den Sandkasten leeren

Dass es manchmal nicht am Willen, sondern an Vorschriften scheitert, weiß Landschaftsarchitekt Rainer Kronenberg, der seit den 1990er Jahren für die Stadt Köln Spielplätze plant. 1998 trat die Europäische Norm EN 1177 in Kraft. Die schreibt einen 40 Zentimeter breiten Fallschutz, also einen besonderen Untergrund, vor. Als Kronenberg angefangen hat, waren es 20 Zentimeter, sagt er. Was das bedeutet, erklärt er an einem Beispiel: Wenn eine alte Schaukel ersetzt werden muss, der Fallschutz aber nicht reiche, darf sie nicht wieder aufgebaut werden. Dann müsste man erst den ganzen Boden ausheben, um den Fallschutz zu erweitern.

Für Eltern sehe das absurd aus: „Da stand 20 Jahre lang eine Schaukel, und plötzlich soll das gefährlich sein.“ Kronenberg sagt: „Wenn ich so viel Sicherheit wie möglich will, dann muss ich alle Spielplätze in Rasenflächen verwandeln. Ich sage immer: So viel Sicherheit wie nötig.“ Im Schnitt dauere eine Sanierung von der ersten Idee bis zur Fertigstellung anderthalb bis zwei Jahre, so Kronenberg. Die Stadt geht in der Regel von drei Jahren aus. Beim Rathenauplatz, den der Landschaftsarchitekt mitgeplant hat, ging es mal schneller: Die Bürger haben Druck gemacht.

Kronenberg plädiert für mehr Beteiligung der Menschen vor Ort: „Die Kinder wissen selbst am besten, was sie wollen. Wir haben in den 1990ern schon angefangen, Spielplätze mit Kindern und Kitas gemeinsam zu planen. Das funktioniert bis heute am besten.“

Zwischen EU-Normen, Flächenknappheit und fehlendem Geld verlieren viele Spielplätze ihren eigentlichen Zweck. Und während die Stadt plant, prüfen lässt und priorisiert, rollt der Junge in Neubrück weiter – vorbei am Schild mit den spielenden Kindern.